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NAHOST/794: Eine nackte imperialistische Militärintervention (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 12 vom 25. März 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Eine nackte imperialistische Militärintervention
Wie steht es um die "regionale Zustimmung" aus Arabien und Afrika?

Von Georg Polikeit


Noch vor zwei Wochen hatte es sowohl in Washington wie in Führungskreisen der EU geheißen, dass eine Intervention in Libyen nur infrage komme, wenn eine deutliche Unterstützung "aus der Region", das heißt von den übrigen arabischen und afrikanischen Staaten, sichtbar sei. Dann kam am 13. März für die Interventionsdurstigen die erlösende Nachricht, dass die Arabische Liga auf einer Tagung in Kairo die UNO zur Einrichtung einer "Flugverbotszone" über Libyen aufgefordert hat. Die Mächtigen in Washington und Brüssel nahmen die "hilfreiche Hand", die ihnen da hingestreckt wurde, gern.

Dass bei der Beschlussfassung in Kairo unter Liga-Generalsekretär Amr Mussa (der sich selbst als Kandidat für die kommende Präsidentenwahl in Ägypten in Vorschlag gebracht hat) nur die Außenminister von elf der 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga anwesend waren und zwei davon, nämlich Syrien und Algerien, dagegen stimmten, sodass nur neun, also weniger als die Hälfte der Mitglieder, der "Bitte" an die UNO zustimmten, interessierte nicht weiter. Ebenso wenig, dass die Afrikanische Union anstelle einer Militärintervention die Entsendung einer von ihr ernannten Vermittlungsgruppe von fünf afrikanischen Staatschefs nach Libyen vorschlug, um dort für einen sofortigen Waffenstillstand und anschließend über eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen den Bürgerkriegsparteien zu verhandeln, was von Gaddafi begrüßt, aber von den "Westmächten" ebenso wie von der "Rebellenführung" in Bengasi umgehend abgelehnt wurde. Inzwischen musste allerdings auch Amr Mussa feststellen, dass sich die westlichen Interventionsmächte nicht an die in der UNO-Resolution festgelegten Beschränkungen des Militäreinsatzes halten. Am vergangenen Sonntag (20.3.) erklärte er gegenüber Journalisten: "Was in Libyen passiert ist, unterscheidet sich von dem Ziel, eine Flugverbotszone durchzusetzen. Was wir wollen, ist der Schutz der Zivilisten und nicht die Bombardierung anderer Zivilisten." Offenbar kann er sich nun in der alten Erfahrung bestätigt sehen, dass den imperialistischen Führungsmächten willige Helfershelfer zwar immer willkommen sind, dass sie aber ansonsten nur ihre eigenen Interessen im Blick haben und Rücksicht auf die Befindlichkeit von nachrangigen "Verbündeten" nicht kennen.

Die Kritik der Arabischen Liga am westlichen Militäreinsatz verbindet sich inzwischen mit gleichartigen Kritiken von den Regierungen Russlands und Chinas, die ebenfalls monierten, dass die Interventionsmächte die in der UNO-Resolution festgelegten Grenzen für ihr Eingreifen nicht einhalten.

Von einer wie auch immer gearteten "Beteiligung" arabischer Staaten an dem Militärunternehmen selbst, wie sie ursprünglich in den Strategieplanungen in Washington oder Brüssel anvisiert war, ist bisher kaum etwas zu sehen. Saudi-Arabien, Katar, die Golf-Emirate und Jordanien haben immerhin mehr oder weniger deutlich öffentlich "Unterstützung" bekundet, über einen Einsatz von Kampfflugzeugen aus Katar wurde noch verhandelt. Aber ansonsten blieb der vom UNO-Sicherheitsrat initiierte Militäreinsatz bisher eine nackte imperialistische Militärintervention einer "Koalition der Willigen" aus den westlichen NATO-Staaten.

Damit ergibt sich die groteske Situation, dass ausgerechnet die reaktionärsten arabischen Regimes, die häufig absolute Monarchien ohne gewähltes Parlament und natürlich auch ohne alle demokratischen Rechte und Freiheiten für die Bevölkerung sind und gegen Proteste in ihrer eigenen Umgebung mit rigoroser Gewalt vorgehen, als Vorkämpfer für "Demokratie und Freiheit" in Libyen präsentiert werden. Man erinnert sich an Bertolt Brechts "Anachronistischen Zug" für "freedom and democracy".

Das sind die gleichen Kreise, die beim Gaza-Krieg vor zwei Jahren keine Silbe des Protestes gegen die Massakrierung ihrer "arabischen Brüder" im Gaza-Streifen durch die Militärmaschine Israels über die Lippen brachten. Der König von Saudi-Arabien hat just zur gleichen Zeit, da er sich für die "Hilfe" für die "Revolutionäre" und "Freiheitskämpfer" in Libyen aussprach, seine Truppen zu einer Intervention im Nachbarstaat Bahrain in Marsch gesetzt, um die seit Wochen anhaltenden Proteste gegen den dortigen absolutistischen Machthaber Hamad bin Isa zu unterdrücken.

Wen wundert es allerdings, dass gegen dieses "Massaker" des Regimes gegen "arabische Revolutionäre" auf der Insel Bahrain von den Regierungen der USA oder der EU so gut wie nichts unternommen wird? Schließlich haben die USA auf dieser Insel einen ihrer wichtigsten Militärstützpunkte im Persischen Golf.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 12 vom 25. März 2011, Seite 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2011