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NAHOST/812: Syrien - Politische Gewalt unterminiert Anspruch auf Sitz im UN-Menschenrechtsrat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2011

Syrien: Politische Gewalt unterminiert Anspruch auf Sitz im UN-Menschenrechtsrat

Von Thalif Deen


New York, 2. Mai (IPS) - Am 20. Mai wird die UN-Vollversammlung zusammentreten, um die 15 neuen Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats (HRC) zu wählen. Da die Asiengruppe ganze vier Kandidaten für ebenso viele HRC-Sitze ins Rennen schickt, die der Region vorbehalten sind, galt die Wahl Indiens, Indonesiens, der Philippinen und Syriens als gesichert. Doch die im März in Syrien ausgebrochenen Massenproteste und der Tod von 500 unbewaffneten Demonstranten haben Zweifel an der Legitimität einer syrischen HRC-Mitgliedschaft aufkommen lassen.

Wie aus UN-Kreisen in New York zu hören ist, wächst der Druck, vor allem von Seiten der arabischen Staaten auf das Regime von Staatspräsident Baschir al-Assad, die HRC-Kandidatur zurückzuziehen. Doch bisher scheint Syrien dazu nicht gewillt zu sein. Für den Fall, dass Damaskus am Ende nachgeben sollte, wird mit einer Kandidatur Kuwaits gerechnet.

Unwahrscheinlich sei, dass die Asiengruppe von sich aus den Kandidaten Syrien zurückziehen wird. So etwas sei bisher noch nie vorgekommen, sagte Lawrence C. Moss von der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' gegenüber IPS. Dennoch empfahl Moss der Ländergruppe, einen oder mehrere zusätzliche Kandidaten zu nominieren.

Die Asiengruppe reicht nicht immer geschlossene Länderlisten ein. Bei den Wahlen 2006, 2008 und 2010 standen mehr Anwärter als HRC-Sitze zur Auswahl. 2008 und 2010 konnte wegen eines Überangebots an Kandidaten die Wiederwahl Sri Lankas beziehungsweise des Iran in den Rat verhindert werden.


'Asiatische Solidarität' schließt Gegenkandidaten aus

Unabhängig davon, wie sich Syrien am Ende verhält, reicht es schon aus, wenn ein asiatisches Land bis spätestens 20. Mai einen Gegenkandidaten aufstellt. Doch ein solcher Schritt werde in der Region als Verstoß gegen die 'asiatische Solidarität' wahrgenommen, meinte Moss. Somit ist es eher unwahrscheinlich, dass die Asiengruppe zusätzliche Kandidaten vorschlagen wird.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte die staatliche Gewalt gegen die friedlich demonstrierende Demokratiebewegung in Syrien verurteilt und eine unabhängige, transparente und effektive Untersuchung der Vorfälle gefordert. Kritik kam auch von der UN-Menschenrechtshochkommissarin Navi Pillay, die den syrischen Präsidenten al-Assad aufforderte, das Töten der Zivilbevölkerung unverzüglich zu beenden. Die Antwort und auch die Reformen im Anschluss an das Blutbad seien jedoch unbefriedigend gewesen, so Pillay.

Wie aus diplomatischen Kreisen zu hören ist, wird Kuwait nicht direkt gegen Syrien antreten, wohl aber kandidieren, sollte Syrien abspringen. Die anonyme Quelle zeigte sich zuversichtlich, dass die Bemühungen der arabischen Staaten erfolgreich sein werden, zumal sich die politische Lage in Syrien immer weiter zuspitzt.

Der UN-Diplomat wies darauf hin, dass die Resolution zur Lage in Syrien, die am 29. April auf einer HRC-Sondersitzung beschlossen worden war, keinen Bezug auf die Kandidatur Syriens für einen Sitz im UN-Menschrechtsrat nimmt. Die Aufnahme der Forderung der Europäer nach einem Rückzug der syrischen Kandidatur in die Resolution war am Widerstand Chinas, Russlands und einiger afrikanischer Länder gescheitert.


HRC-Resolution verwässert

In der Resolution wurde Damaskus aufgefordert, die Menschenrechtsverletzungen zu beenden, Bürgerrechte zu wahren, die Bevölkerung zu schützen, den Zugang zu Internet und Telekommunikationsnetzwerken wieder herzustellen und die Zensur der Medien zu stoppen. Außerdem soll Syrien alle politischen Gefangenen freilassen, Übergriffe auf friedlich protestierende Demonstranten künftig unterlassen, eine Untersuchung des Blutbads der letzten Tage einleiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Schließlich soll eine Delegation der UN-Menschenrechtshochkommissarin die Lage vor Ort untersuchen.

Die Afrika-Gruppe hat ebenfalls vier Kandidaten - Benin, Botswana, Burkina Faso und die Republik Kongo (Kongo-Brazzaville) ins Rennen geschickt. Da es keine Herausforderer gibt, gilt ihre Wahl bereits als gesichert. Österreich und Italien bewerben sich für die zwei Sitze, die den westeuropäischen Ländern vorbehalten sind.

Nur die übrigen beiden Länderblöcke warten mit einem Überangebot an Kandidaten auf. So stehen für zwei osteuropäische HRC-Sitze die drei Länder Georgien, Rumänien und Tschechische Republik zur Auswahl. Für die drei lateinamerikanisch-karibischen Sitze kandidieren die vier Staaten Chile, Costa Rica, Nicaragua und Peru.

Moss von Human Rights Watch kritisiert, dass geschlossene und von den Ländergruppen festgelegte Kandidatenlisten ethischen Grundsätzen zuwiderlaufen. So sehe die HRC-Gründungsresolution vor, dass bei der Wahl neuer HRC-Mitglieder allein schon im Interesse der Menschenrechte mehrere Kandidaten zur Auwahl stehen müssten. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=55458

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2011