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NAHOST/826: Wie USA und EU im »Arabischen Frühling« intervenieren (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 1. Juni 2011

Partnerschaftsprogramm als Kontrollinstrument

Wie USA und EU im »Arabischen Frühling« intervenieren

Von Karin Leukefeld


Knapp sechs Monate hat es gedauert, nun haben die westlichen Industriestaaten ihre Strategie für den »Arabischen Frühling« erklärt. 40 Milliarden Dollar für Tunesien und Ägypten lautet die Botschaft des G8-Gipfels im französischen Deauville. Wer mit den USA und der EU eine Demokratisierungspartnerschaft eingeht, erhält Geld, Ausbildung und Waffen. Wer nicht mit marschiert, wird mit Sanktionen, Isolation und Schlimmerem bestraft, wie die Beispiele Syriens und des libyschen Regierungschefs Muammar Al-Ghaddafi zeigen.

Über die Zustände im Jemen, dessen Regierungschef Ali Abdullah Saleh als Partner im »Kampf gegen den Terrorismus« seit Jahren finanziell und militärisch ausgehalten wird, redete man kaum. Bahrain, Standort der Fünften USA-Flotte und von strategischer Bedeutung für Saudi-Arabien, war auch kein Thema, obwohl Forderungen nach mehr Teilhabe blutig unterdrückt und eine Reihe von Moscheen schiitischer Muslime niedergewalzt wurden. Der erste Schock über die Umwälzungen in der geostrategisch für den Westen und Israel wichtigen Region scheint überwunden, mit »strategischen« und »demokratischen Partnerschaftsprogrammen« will man wieder die Kontrolle übernehmen.

Der wohl führende Architekt westlicher »Demokratisierungshilfe« für die arabischen Staaten heißt Jeffrey D. Feltman. Gefragt nach den Ereignissen in Bahrain antwortete Feltman einer Reporterin von PBS, dem öffentlichen Rundfunkdienst der USA: »Wir haben die gleiche Philosophie der Annäherung für die gesamte Region.« Die Taktik allerdings hänge »von den Umständen in den jeweiligen Ländern ab und von den bilateralen Beziehungen.«

In Bahrain sei es daher »absolut notwendig, die langfristige Stabilität (...) zu sichern«. Koste es, was es wolle. Kurz vor dem G8-Treffen flog Feltman im ostlibyschen Bengasi ein und traf sich mit dem selbsternannten Nationalen Übergangsrat, der inzwischen von einer Reihe westlicher Regierungen als legitime Vertretung Libyens anerkannt wurde. Feltman besprach mit den »Rebellen« die Eröffnung eines Vertretungsbüros in Washington, ein Status, für den die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) mehrere Jahrzehnte brauchte. 53,4 Millionen Dollar hat die USA-Regierung bereits an »humanitärer Hilfe« an diesen Übergangsrat gezahlt, obendrauf gab es »nichttödliche« militärische Ausrüstung für 25 Millionen Dollar. Feltman auf dem Fuße folgte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, und inzwischen hat auch die deutsche Regierung ein Verbindungsbüro in Bengasi eröffnet. Auf die libysche Hauptstadt Tripolis fallen derweil die Bomben.

Nichts in der südöstlichen Mittelmeerregion soll einer nationalen Entwicklung überlassen werden. Die anhaltenden Proteste in Ägypten - am Freitag versammelten sich unter dem Motto »Die zweite Revolution« wieder Zehntausende auf dem Tahrir-Platz in Kairo - richten sich gegen das Vorgehen des Militärrates, der dem Westen inzwischen als zuverlässiger Partner gilt. Der forsche Politikwechsel, den Außenminister Nabil Al-Arabi gegenüber den Palästinensern vornahm, indem er die Versöhnung von Fatah und Hamas förderte und den Grenzübergang Rafah öffnete, wurde damit quittiert, daß er auf den Posten des zukünftigen Generalsekretärs der Arabischen Liga weggelobt wurde. Überlegungen, die diplomatischen Beziehungen mit Iran wieder aufzunehmen, konterte Jeffrey Feltman bei einem Pressegespräch in Kairo mit einer deutlichen Warnung: »Die Ägypter wissen genau, welchen Schaden Iran in der Region anrichtet«. Das Land am Nil kenne das Risiko, das Teheran darstelle. Mit anderen Worten, neue Beziehungen zu Iran sind für Ägypten riskant.

Die Sprache des Kolonialismus mag sich geändert haben, schreibt der australische Journalist und Dokumentarfilmer John Pilger in einem Beitrag über die »Gewalttätige Welt von Mr. Hopey Changey«, wie Präsident Barack Obama von einem US-amerikanischen Karikaturisten genannt wird. Nicht geändert habe sich das Ziel des Westens: »Authentische Demokratie zu stoppen und Kontrolle zu übernehmen.«


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Quelle:
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2011