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NAHOST/970: Nahost - Menschen auf den Golanhöhen bereiten sich auf Angriffe vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Februar 2013

Nahost: Menschen auf den Golanhöhen bereiten sich auf Angriffe vor

von Jillian Kestler-D'Amours


Bild: © Jillian Kestler-D'Amours/IPS

Ein Zaun und eine Zufahrtsstraße der Armee trennen Majdal Shams von Syrien
Bild: © Jillian Kestler-D'Amours/IPS

Ajdal Shams, Golanhöhen, 8. Februar (IPS) - Nachdem israelische Kriegsflugzeuge Ziele in Syrien bombardiert haben, bereiten sich die Menschen auf den von Israel besetzten Golanhöhen auf eine mögliche Eskalation der Gewalt zwischen Syrien und Israel vor.

"Die israelische Armee hat ihre Präsenz in der letzten Woche auf den Golanhöhen spürbar ausgebaut, und die Menschen sind dabei, sich auf eine mögliche Kriegssituation vorzubereiten", meinte Taiseer Maray, der Chef der lokalen Gruppe 'Golan für Entwicklung', in Ajdal Shams, dem größten Dorf auf den Golanhöhen.

Aus israelischen Sicherheitskreisen ist zu hören, dass die israelische Armee bereits ein Iron-Dome-Raketenabwehrsystem an der Nordgrenze zu Syrien in Stellung gebracht habe. Eine Woche zuvor hatten israelische Kampfjets Berichten zufolge einen Waffenkonvoi in Syrien nahe der libanesischen Grenze bombardiert.

Die Medien spekulieren, dass die Waffen für die libanesische Widerstandsgruppe 'Hezbollah' bestimmt gewesen sein könnten, die sich 2006 einen Monat lang Kämpfe mit Israel geliefert hatte. Die syrische Regierung hingegen ließ verlauten, dass eine wissenschaftliche Forschungseinrichtung außerhalb von Damaskus getroffen worden sei.

Syrische Regierungsvertreter beschuldigen Israel, Syrien destabilisieren zu wollen. Sie nutzten den israelischen Anschlag ferner dazu, die syrische Opposition zu diskreditieren, indem sie ausländische Kräfte für den Aufstand gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verantwortlich machten.

Israel hat sich zwar nicht offiziell zu dem Anschlag bekannt, doch sprach Verteidigungsminister Ehud Barak von einem Beweis dafür, "dass wir, wenn wir etwas sagen, es auch so meinen". Man sei nicht damit einverstanden, dass Syrien den Libanon mit fortschrittlichen Waffensystemen ausstatte.

Die Kämpfe zwischen der syrischen Armee und syrischen Widerstandsgruppen haben nach UN-Angaben mehr als 60.000 Syrern das Leben gekostet. Eine Million Flüchtlinge haben sich in den Nachbarländern in Sicherheit gebracht.


Aufbau von Feldlazaretten

Maray zufolge laufen angesichts der Gefahr, dass Israel zunehmend in den Militärkonflikt im Nachbarland hineingezogen werden und mehr syrisches Land besetzen könnte, erste Vorbereitungen für die Einrichtung von Feldlazaretten auf den Golanhöhen und längs der israelisch-syrischen Waffenstillstandslinie.

"Sämtliche Kämpfe und israelische Truppenbewegungen werden sich in Richtung Golanhöhen verlagern. Das macht den Golan zu einem wirklich sensiblen Gebiet. Wir versuchen, mehr Nahrungsmittel in unseren Häusern zu bunkern, um für diesen Fall gewappnet zu sein", berichtete Maray gegenüber IPS.

1967 hatte Israel die Golanhöhen besetzt, ein fruchtbares Plateau, das an den Libanon, an Jordanien und den Norden Israels angrenzt. Israel annektierte die Golanhöhen 1981 und unterstellte die Region seiner Rechtsprechung, was nach internationalem Recht illegal war.

Etwa 20.000 syrische Araber leben in einigen wenigen Dörfern auf den Golanhöhen. Die größte Ortschaft, Majdal Shams, liegt nur 60 Kilometer von Damaskus entfernt. Die meisten Bewohner der Golanhöhen sind Mitglied der Glaubensgemeinschaft der Drusen. Sie besitzen einen israelischen Personalausweis und gelten als ständige Einwohner Israels. Seit Aufstandsbeginn sind sie in Assad-Anhänger und -Gegner gespalten. In Majdal Shams ist es wiederholt zu Gewalt zwischen den beiden Lagern gekommen.


Syrische Revolution wirkt politisierend

"So wie ich die Dinge sehe, verliert Assad immer mehr an Popularität. Das ist weniger eine politische als eine humanitäre Frage: Menschen haben ein Recht auf Leben", meinte dazu Salman Falkredeen vom Menschenrechtszentrum 'Al-Marsad' in Majdal Shams. Falkredeen zufolge hat der syrische Aufstand den Ruf nach einem Ende der israelischen Besatzung der Golanhöhen wieder lauter werden lassen. "Die Menschen haben angefangen, über Freiheit, Demokratie und Menschenrechte nachzudenken und zu diskutieren", sagt er.

Die syrische Revolution habe zwar keine direkten Auswirkungen auf die Menschen auf den Golanhöhen mit sich gebracht. Wohl aber könnten junge Menschen nicht länger in Syrien studieren und Bauern ihre Äpfel nicht auf dem Markt in Damaskus verkaufen.

"Die Revolution vermittelt den Syrern ein politisches Bewusstsein. Unter den Assads, Baschar und seinem Vater Hafis, wäre jedes politische Engagement undenkbar gewesen. Wir Syrer lebten in einer politischen Wüste, doch seit den letzten zwei Jahren befinden wir uns in einer Schule der Politik. Wir lernen unseren Stoff auf die denkbar schmerzvollste Art und Weise."(Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.jawlan.org/english/openions/read_article.asp?catigory=13&source=3&link=8
http://www.golan-marsad.org
http://www.ipsnews.net/2013/02/golan-heights-braces-for-more-fighting/

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IPS-Tagesdienst vom 8. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2013