Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BILDUNG

HOCHSCHULE/1728: Nachfrage nach Studium ohne Abitur so hoch wie noch nie in Deutschland (idw)


CHE Centrum für Hochschulentwicklung - 11.07.2012

Nachfrage nach Studium ohne Abitur so hoch wie noch nie in Deutschland



Die Nachfrage nach dem Studium ohne Abitur ist in Deutschland so hoch wie nie zuvor: Laut den jüngsten Zahlen ist die Nachfrage sprunghaft gestiegen und umfasst jetzt einen Anteil von 2,1 Prozent der Studienanfänger(innen). Damit hat sich die Quote der Studienanfänger(innen) ohne Abitur gegenüber 2007 nahezu verdoppelt, so das Ergebnis einer neuen Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Hauptgründe für diesen Aufwärtstrend sind vor allem erleichterte Zugangsbedingungen und die vermehrte Einrichtung von spezifischen Studienangeboten für diese Zielgruppe.

Der Boom beim Studium ohne Abitur wirkt sich in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich aus. So besitzen in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zwischen 2,2 Prozent und 4,2 Prozent aller Studienanfänger(innen) kein Abitur. Mit diesen Quoten nehmen diese Bundesländer im deutschlandweiten Vergleich die drei Spitzenplätze ein. Thüringen, Sachsen und das Saarland bilden mit Anteilen zwischen 0,9 Prozent und 0,4 Prozent hingegen die Schlusslichter.

In den zurückliegenden drei Jahren haben 14 von 16 Bundesländern ihre Zugangsbedingungen zum Studium ohne Abitur deutlich verbessert. So sind Personen mit Meistertitel und ähnlichen hochqualifizierten Berufsbildungsabschlüssen nunmehr Personen mit allgemeiner Hochschulreife gleichgestellt. Das bedeutet, sie können sich für jeden Studiengang an jeder Hochschule ihrer Wahl bewerben. Auch Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und mehrjähriger Berufspraxis haben es nun leichter, den Weg in die Hochschule zu finden. In 16 Bundesländern erhalten sie einen fachlich beschränkten Hochschulzugang, d.h. sie können sich um Plätze in Studienfächern bewerben, die eine fachliche Nähe zu ihrer beruflichen Tätigkeit haben. Eine Hürde bleibt jedoch bestehen: In allen Bundesländern gibt es trotz der übergreifenden Verbesserungen weiterhin sehr viele unterschiedliche Detail- und Ausnahmeregelungen. Studierwillige ohne Abitur müssen sich entsprechend intensiv durch den Dschungel der Verordnungen wühlen, um über die Sonderkonditionen in den Bundesländern im Bilde zu sein.

Die aktuellen Spitzenreiter bei den Studienanfänger(inne)n ohne Abitur sind nach Berechnungen des CHE die Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern:

  • Nachdem sich Nordrhein-Westfalen bis 2009 eher zögerlich für das Studium ohne Abitur öffnete, hat sich diese Situation nun grundlegend gewandelt. Nunmehr ist die Quote der Studienanfänger(innen) ohne Abitur immens nach oben geschnellt und zwar von 1 Prozent im Jahr 2007 auf 4,2 Prozent im Jahr 2010. Dieser Wert übersteigt den Bundesdurchschnitt um das Doppelte und liegt damit im Bundesländervergleich ganz vorne.
  • Berlin weist seit Jahren einen ansteigenden Trend beim Studieren ohne Abitur auf. Nach den jüngsten Zahlen kann der Stadtstaat hier sogar noch weiter zulegen und weist mit 3,7 Prozent die zweithöchste Quote an Studienanfänger(inne)n ohne Abitur auf.
  • In den ostdeutschen Bundesländern sind die Anfängerquoten beim Studium ohne Abitur mit einem Durchschnittswert von 1,1 Prozent nur halb so hoch wie der Durchschnittswert der westdeutschen Bundesländer. Die große Ausnahme bildet Mecklenburg-Vorpommern. Mit einer Quote von 2,2 Prozent Studienanfänger(inne)n ohne Abitur liegt der Anteil doppelt so hoch wie der ostdeutsche Durchschnitt. Zudem zeigen sich gegenüber 2007 auch hohe Zuwachsraten. Damit gehört Mecklenburg-Vorpommern zu den drei erfolgreichsten Bundesländern beim Studieren ohne Abitur.

Über den Bundesländervergleich hinaus hat das CHE auch die Entwicklung der einzelnen Hochschulen näher unter die Lupe genommen. Es wurden pro Bundesland die drei Hochschulen identifiziert, die beim Studium ohne Abitur am stärksten nachgefragt sind. Im Ergebnis konnten 33 Fachhochschulen, 16 Universitäten und 2 künstlerische Hochschulen identifiziert werden, die auf diesem Sektor besonders hohe Zahlen aufweisen. Dabei sticht die FernUniversität Hagen besonders heraus. Sie ist mit 2.502 Studienanfänger(inne)n ohne Abitur im Jahr 2010 deutschlandweit die mit Abstand beliebteste Hochschule bei dieser Zielgruppe. Zum Vergleich: Die Hochschule, die nach der FernUniversität Hagen im Bundesgebiet im Jahr 2010 die zweitmeisten Studienanfänger(innen) ohne Abitur aufgenommen hat, ist mit 433 beruflich qualifizierten Erstsemester(inne)n die Steinbeis-Hochschule in Berlin.

Erfolgsfaktoren auf Seiten der besonders nachgefragten Hochschulen sind vor allem:

  • Flexible Studienzeitmodelle
  • Umfangreiches Fernstudienangebot
  • Umfangreiche, leicht zugängliche Informationen zum Studium ohne Abitur
  • Berufsbegleitende und/oder praxisnahe Studiengänge
  • Brückenkurse zum Ausgleichen fehlenden Vorwissens
  • Möglichkeit der Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf das Studium
  • Möglichkeit, zumindest Teile des Studiums per E-Learning zu absolvieren

Trotz des neuen Hochs bei der Nachfrage nach einem Studium ohne Abitur sieht Dr. Sigrun Nickel, Projektleiterin beim CHE, noch Verbesserungspotential: "Es zeigt sich, dass immer mehr Universitäten und Fachhochschulen die Durchlässigkeit zwischen Beruf und Studium als eine Profilierungsmöglichkeit entdeckt haben. Diese Initiativen sollten die Bundesländer im Rahmen ihrer Budgetverteilung stärker finanziell fördern. Für Studieninteressierte ohne Abitur fehlen nach wie vor ausreichend Stipendien. Hier ist auch die Wirtschaft gefordert, sich intensiver zu engagieren".

Die Studie des CHE ist als kostenlose Online-Publikation unter dem Titel "Studieren ohne Abitur: Monitoring der Entwicklungen in Bund, Ländern und Hochschulen" erschienen. Die Veröffentlichung wurde gefördert vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Weitere Informationen unter:
http://www.che.de/downloads/CHE_AP157_Studieren_ohne_Abitur_2012.pdf
- Download der Studie

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution409

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Britta Hoffmann-Kobert, 11.07.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2012