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INTERNATIONAL/009: Alphabetisierungskampagne in Argentinien - gerade die Frauen holen auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2011

Argentinien: Analphabetismus vom Aussterben bedroht - Gerade die Frauen holen auf

von Marcela Valente


Buenos Aires, 11. Oktober (IPS) - In Argentinien hat sich die Alphabetisierungskampagne von Regierung und 35.000 Freiwilligen offenbar ausgezahlt. So ist der Anteil der Menschen, die weder lesen noch schreiben können, auf knapp zwei Prozent zurückgegangen, und in spätestens vier Jahren soll das Problem endgültig der Vergangenheit angehören.

Wie Delia Méndez, Leiterin des vom Bildungsministerium durchgeführten Nationalen Programms für Alphabetisierung und Grundbildung für junge Leute und Erwachsene, erklärte, wurde zudem die Bildungskluft zwischen Männern und Frauen geschlossen. Argentiniens Analphabetismus hatte lange Zeit ein weibliches Antlitz.

Den offiziellen Zahlen zufolge konnte in den letzten zehn Jahren die Analphabetenrate trotz eines Bevölkerungswachstums von 36,2 Millionen auf 40 Millionen Menschen von 2,6 Prozent 2001 auf 1,9 Prozent gesenkt werden. Der Organisation Iberoamerikanischer Staaten (OEI) zufolge gehört Argentinien mit Uruguay, Chile, Costa Rica, Kuba und Venezuela somit zu den Ländern der Region mit einer Analphabetenrate von unter fünf Prozent.


Analphabetismus weit unter regionalem Durchschnitt

Der regionale Durchschnittswert liegt bei neun Prozent. In einigen Ländern sind sogar mehr als 15 Prozent der über 15-Jährigen - oftmals Frauen - des Lesens und Schreibens unkundig. In Bolivien beispielsweise sind 78,5 Prozent aller Analphabeten Frauen. Ähnlich ist die Lage in Guatemala, Mexiko und Paraguay.

Um gerade Frauen zu befähigen, den Rückstand aufzuholen, hat Argentinien 2004 das in Ehrenamt durchgeführte Alphabetisierungsprogramm 'Encuentro' ('Treffen') aufgelegt. Für den Unterricht in Gemeindezentren stellt die Regierung lediglich das Lehrmaterial zur Verfügung.

Die Resonanz war groß. Fast 35.000 ehrenamtliche Lehrer fanden sich ein, um in 50.000 Alphabetisierungszentren, Gewerkschaftsräumen, Armenküchen, Schulen, Bibliotheken, Clubs und Kirchen ihre Schreib- und Lesefähigkeiten weiterzugeben. "Die Kurse fanden sogar in Privathäusern und unter Bäumen im Freien statt", berichtete Méndez.

Besonders effektiv gestaltete sich die Bildungskampagne in den Provinzen mit einem hohen Alphabetisierungsbedarf. So konnte in der nordöstlichen Provinz Chaco, die Analphabetenrate von acht auf 5,5 Prozent und im benachbarten Formosa von sechs auf 4,1 Prozent gesenkt werden.


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Juan Morillo hat den Alphabetisierungsprozess in der Ortschaft Monteros in der nordöstlichen Provinz Tucumán koordiniert, wo 1.300 Erwachsene - zu 70 Prozent Frauen - die Schulbank drückten. Um die Klassen voll zu kriegen, wurden die Zielpersonen mit Sozialleistungen für sich oder ihre Kinder geködert. Es sei schön zu sehen, wie die Alphabetisierungskurse das Selbstbewusstsein der Betroffenen steigern könnten. "Sie helfen den Menschen ebenso dabei, weitere Rechte wahrzunehmen", sagte er.

Trotz aller Fortschritte gibt es Méndez zufolge auch etliche weiße Flecken auf der Alphabetisierungskarte. Vor allem sei es schwierig, isolierte Bevölkerungsgruppen, Hirten und Indigene für den Unterricht zu gewinnen. Derzeit versuchen die Behörden über die Chiefs, die Menschen zur Teilnahme an den sechsmonatigen Kursen zu gewinnen. Auch sollen besondere Programme den Lebensumständen der Wanderarbeiter angepasst werden. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2011