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INTERNATIONAL/039: Sri Lanka - Bildungserfolge im ehemaligen Kriegsgebiet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2014

Sri Lanka: Bildungserfolge im ehemaligen Kriegsgebiet - Doch Wohlstand lässt auf sich warten

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Bildung wird im Norden Sri Lankas großgeschrieben, doch die Berufschancen für qualifizierte Schulabgänger sind schlecht
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 13. Februar (IPS) - Die Menschen in der Nordprovinz, Sri Lankas ehemaligem Kriegsschauplatz, hatten im Dezember allen Grund zur Freude, als die Ergebnisse der landesweiten Abschlussexamina an den höheren Schulen bekannt gegeben wurden: Von den 16.604 Prüflingen der Provinz erhielten 63,8 Prozent die Noten, die sie brauchen, um studieren zu können.

Das war eine reife Leistung für eine Region, die noch immer unter den Folgen eines drei Jahrzehnte langen Krieges leidet. Der Konflikt wurde im Mai 2009 durch eine blutige Militäroffensive beendet. "Bildung galt hier schon immer als Sprungbrett in ein besseres Leben", meint Sivalingam Sathyaseelan, ein hoher Beamter im Bildungsministerium der Provinz.

Doch geht die Rechnung nicht zwingend auf, wie Sathyaseelan beklagt. "Es gibt so viele junge Leute, die trotz eines guten Schulabschlusses keine passende Arbeit finden, weil es diese Jobs hier nicht gibt. Entweder müssen sie den Norden verlassen oder aber körperlich anstrengende Arbeiten annehmen. Viele sind als Maurer oder Maurergehilfen beschäftigt."


Hohe Arbeitslosigkeit

Die Erwerbslosigkeit in Sri Lanka liegt bei vier Prozent. Doch im Norden ist sie deutlich höher. Zahlen sind nur für zwei der fünf Provinzbezirke vorhanden. Sie sind doppelt so hoch wie der nationale Durchschnittswert. So liegt in Mannar die Arbeitslosenrate bei 8,1 Prozent und in Kilinochchi bei 9,3 Prozent.

Einigen Wirtschaftswissenschaftlern zufolge hängt die Höhe der Arbeitslosenrate von den Maßstäben ab, die angelegt werden. Muttukrishna Saravananthan, Leiter des Point-Pedro-Instituts für Entwicklung mit Sitz in Jaffna, hat für die Nordprovinz eine Erwerbslosenrate von 32,8 Prozent errechnet.

Auch die vielen Jugendlichen mit guten Noten, die sie für ein Studium qualifizieren, haben Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ihre Arbeitslosigkeit liegt nach Berechnungen des nationalen Statistikamts landesweit bei zehn Prozent. Der Mangel an Jobs und Einkommen hat im Norden einen Teufelskreis geschaffen. Da ihre Berufsaussichten auch mit einem ansehnlichen Schulabschluss besonders im Norden schlecht sind, brechen dort viele Teenager die Schule ab, um zu arbeiten und dadurch ihre Familien zu unterstützen, die auf jede helfende Hand angewiesen sind.

Rupavathi Keetheswaran, ein Regierungsbeamter des Bezirks Kilinochchi, erklärt, warum das so ist. Allmählich laufen die Nachkriegsförderhilfen aus und die Einnahmen sinken. Gerade Haushalte, die von Frauen geführt werden und/oder ein kriegsversehrtes Familienmitglied zu versorgen haben, sind von Armut betroffen.

In der Nordprovinz gibt es rund 40.000 von Frauen geführte Haushalte. Häufig sind es Kinder dieser Familien, die aus dem Bildungssystem herausfallen. "Denn die Armut", so Ramalingam Sivaparasgam, Landeskoordinator der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), "zwingt viele Kinder dazu, mitzuverdienen". Die meisten kommen auf dem Bau und in der Landwirtschaft unter. Beide Sektoren boomen: die Bauwirtschaft, weil die zerstörten Häuser und Straßen wieder aufgebaut werden müssen, die Landwirtschaft, weil sie schon immer die Haupteinnahmequelle für die Menschen in der Provinz war.

Dem Bildungsbeauftragten Sathyaseelan zufolge schreckt die berufliche Perspektivlosigkeit, mit der sogar Universitätsabgänger konfrontiert sind, viele Schüler davon ab, einen Abschluss an den weiterführenden Schulen zu machen.

Analysten räumen zwar ein, dass die Regierung in den Wiederaufbau der ehemaligen Konfliktzone investiert, doch zahlen sich diese Zuwendungen für die vom Krieg am schlimmsten gezeichneten Menschen, die heimkehrenden Flüchtlinge, kaum aus. Das wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Gelder in große Infrastrukturprojekte und weniger in Jobs und Einkommen schaffende Maßnahmen gesteckt werden.

Bildung ist offensichtlich der am wenigsten beanstandete Bereich. So zeigt eine vom UN-Flüchtlingshochkommissariat durchgeführte Umfrage, dass die Mehrheit der Rückkehrer mit der Art und Weise, wie im Norden das Bildungssystem reaktiviert wird, einverstanden sind. 87 Prozent der Befragten aus 997 Haushalten erklärten, mit der Bildungsqualität zufrieden zu sein.


Investitionsanreize ausgeblieben

Leider hat Bildung, eine der Dividenden des Friedens, der Nordprovinz keinen Wohlstand gebracht. Der Wirtschaftswissenschaftler Saravananthan führt dies auf das Fehlen zielgerichteter staatlicher Anreize für den Privatsektor zurück, im Norden zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen.

Nach einer jüngsten Studie des Internationalen Zentrums für politische Gewalt und Terrorismusforschung der S. Rajaratnam-Fakultät für internationale Studien an der Technologischen Nanyang-Universität in Singapur, täte die Regierung gut daran, die Nöte der normalen Bevölkerung ernst zu nehmen, auch um jeder Polarisierung zwischen der Mehrheit der Singhalesen und der Minderheit der Tamilen, die sich auf den Norden konzentrieren, vorzubeugen.

"Es reicht nicht, Überlebenshilfen und Ernährungssicherheit zu schaffen. Vielmehr müssen Entwicklungsprogramme aufgelegt, psychologische Hilfen für die Opfer des Konflikts angeboten und eine ausreichende Zahl tamilischsprachiger Regierungsvertreter rekrutiert werden", heißt es in der Untersuchung. Ferner müssten Fabriken gebaut werden, die viele Menschen in Lohn und Brot bringen, in die Landwirtschaft und Fischerei investiert und Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass Kinder vorzeitig die Schule verlassen. (Ende/IPS/kb/2014)


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IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2014