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REDE/053: Dr. Annette Schavan zum Haushaltsgesetz 2010, 18. März 2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Derzeit findet in Köln Europas größte Bildungsmesse, die didacta, statt. Wer sich das Programm mit vielen Veranstaltungen über fünf Tage ansieht, der weiß, dass Deutschland für viele, auch aus benachbarten Ländern, ein attraktiver Standort geworden ist, um über Perspektiven in Bildung und Wissenschaft zu diskutieren.

Für diejenigen, die da ausstellen, diskutieren und präsentieren, ist es ein ermutigendes Signal, dass diese Bundesregierung der Bildung und der Wissenschaft Priorität einräumt. Der Haushalt 2010 ist ein deutliches, starkes Signal an alle in Deutschland, die in Bildung und Bildungspolitik engagiert sind.

Das bezieht sich auf die Summen. Herr Hagemann, ich musste eben schon ein bisschen schmunzeln. Ich bin gar nicht geneigt, über die letzten vier Jahre zu schimpfen, auch wenn ich von Ihnen immer wieder kritisiert werde. Da bin ich fast gezwungen, irgendwie zu antworten und zu sagen: Es war doch nicht alles Mist! Ich finde eigentlich, das ist den Menschen gegenüber irgendwie blöd; sie verstehen uns nicht.

Zu Ihrem Beispiel mit der mittelfristigen Finanzplanung: Eine solche Planung haben wir doch in den letzten vier Jahren nie gehabt. Es gab jedes Jahr das Theater, dass all das, was im Haushalt des Vorjahres veranschlagt worden war, im darauffolgenden Haushalt nur fortgeschrieben wurde. Es musste jedes Mal beim Punkt null angefangen werden. Jedes Mal hat der Finanzminister einen blauen Brief an die Bildungsministerin geschrieben - er ging natürlich zeitgleich an die Presse -, um deutlich zu machen, dass diese Ministerin wieder viel zu viel fordert. Dieses Theater ist in dieser Legislaturperiode erstmals beendet. Ja, es ist beendet. - Dieser Haushalt soll in der mittelfristigen Finanzplanung um zwölf Milliarden Euro aufwachsen. Der Finanzminister hat vor Beginn der Verhandlungen über den Haushalt 2010 ganz deutlich gemacht, dass zeitnah die ersten 750 Millionen Euro und im nächsten Jahr die nächsten 750 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Durch dieses Aufwachsen wird der Haushalt jetzt einen Gesamtumfang von zwölf Milliarden Euro erreichen.

Die Überzeugungskraft dieses Haushalts hat aber nicht nur etwas mit seinem Aufwuchs zu tun - durch ihn sind wir übrigens international ebenfalls in einer interessanten Position; die Wirtschaftskrise hat in vielen Bereichen zugeschlagen; viele sagen, Deutschland gehe den richtigen Weg, da es an den Vorhaben festhalte, die Priorität hätten - , sondern auch mit den Konzepten, die dahinterstehen. Wir beteiligen uns so konsequent wie nie zuvor an der Umgestaltung und Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung. Ob das die Bildungshäuser sind, ob das das Haus der kleinen Forscher ist, ob das Erzieherinnenfortbildungen sind, ob das flächendeckende Sprachförderungen sind: So konkret war es nie. Da Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, rate ich Ihnen, sich die konkreten Fortschritte vor Ort anzuschauen. Viele Partner machen mit. Die frühkindliche Bildung bei uns wird sich in einer Schnelligkeit wie nie zuvor entwickeln.

Wir arbeiten an lokalen Bündnissen für mehr Bildungsgerechtigkeit. Ich kann gut verstehen, dass man einer Bildungsministerin, die zehn Jahre Kultusministerin war, diese zehn Jahre und das damit verbundene Selbstbewusstsein immer wieder einmal in Erinnerung ruft; das finde ich in Ordnung. Ich stehe nämlich dazu. Ich habe nicht für das Kooperationsverbot gesorgt. Sie werden keinen einzigen Satz von mir finden, mit dem ich zum Ausdruck gebracht habe: Föderalismus heißt Kooperationsverbot. Föderalismus heißt: Jeder muss wissen, wofür er Verantwortung trägt; keiner kann seine Verantwortung an einen anderen abgeben; es gibt nach der Verfassung eine klare Aufgabenverteilung. Wir sollten an der für moderne föderale Systeme kennzeichnenden klaren Verteilung von Verantwortung festhalten; denn es macht überhaupt keinen Sinn, wenn der Bund für die Finanzierung aufkommt, wenn die Länder dies nicht mehr leisten können. Wenn dies geschieht, kann das Ziel von zehn Prozent nicht erreicht werden. Stattdessen kommt es dann zu einer Verschiebung und zum Ausschluss einer zentralen politischen Ebene. Deshalb habe ich mich in diesem Sinne ausgedrückt. Ich werde für ein realistisches Vorgehen werben.

Ich weiß genau, wie es weitergeht: Die parlamentarische Opposition wird mich irgendwann mit einem Antrag dazu auffordern, zu sagen, ob ich meine Ankündigung einhalte. Dieses wunderbare Spiel können wir gern spielen; das machen wir auch.

Ich glaube, dass wir in unserem Koalitionsvertrag deutlich gemacht haben, dass es eine Menge Dinge gibt, die wir gemeinsam tun können und auch gemeinsam tun werden. Das bezieht sich aber nicht allein auf die Projekte im Koalitionsvertrag, sondern dazu gehören auch die großen Pakte. Hierzu muss ich einmal sagen: Über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, wurde darüber geredet, dass die Lehre ein Stiefkinddasein an den deutschen Universitäten friste. Dazu kann ich nur sagen: Eine Ministerin setzt entweder ein Projekt so um, dass es nicht beim Bundesverfassungsgericht landet, oder sie setzt sich nicht durch.

Jetzt liegt der erste Vorschlag auf dem Tisch, die Säule "Hochschulpakt" als dritte Säule zu verankern. Es gibt den Vorschlag zu einer Säule, die ausschließlich auf die Lehre konzentriert ist. Die Verhandlungen mit den Ländern laufen wunderbar. Wir werden erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht nur viel Bundesgeld in die Forschung investieren, sondern viel Geld, nämlich genauso hohe Milliardenbeträge wie für die schon bestehende Exzellenzinitiative, für die Lehre in die Hand nehmen. Das sind unsere starken Signale auch an die Studierenden.

Zum BAföG ist schon viel gesagt worden. Wir erhöhen es und modernisieren es. Ich erinnere mich noch gut an die Debatte, als hier an meinem Platz Peer Steinbrück gestanden hat und vor allen Dingen an die Adresse seiner eigenen Fraktion gerichtet erklärt hat, dass er doch zugeben müsse, dass es Frau Schavan war, die die BAföG-Erhöhung gewollt habe.

Die BAföG-Erhöhung ist, wie Frau Flach eben gesagt hat, ein wichtiges Instrument der Grundsicherung. Deshalb wird es kontinuierlich weiterentwickelt. Wir werden nicht sieben oder acht Jahre lang nichts tun und keinerlei Anpassungen an die Lebenshaltungskosten vornehmen, und erst recht werden wir, wenn wir das BAföG erhöhen, nicht das machen, was Sie während Ihrer Regierungszeit gemacht haben: Sie haben nämlich das Geld, das Sie für die BAföG-Erhöhung benötigt haben, den Studenten an anderer Stelle wieder weggenommen.

Wir werden die Hightech-Strategie auf die Bereiche Gesundheit, Klima und Energie, Mobilitätssicherheit und Kommunikation konzentrieren. Wir werden sie auch nach Europa tragen. Ich glaube, es ist ein ganz zentraler Punkt, dass wir unsere forschungspolitischen Erfahrungen in die Europäische Union einbringen. Das Gleiche, was für Deutschland gilt, gilt nämlich auch dort: Wir brauchen insgesamt mehr Investitionen in die Forschung. Wir müssen Unternehmen in diesem Sinne mobilisieren. Das Gleiche gilt auch für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Wir sind verlässliche Partner der Hochschulen und der Forschungsorganisationen in den neuen Ländern. Ich weiß, warum Sie das nicht wahrnehmen; denn nur wer in die neuen Länder fährt, mit Rektoren und Verantwortlichen in unseren Forschungsinstituten spricht, der bekommt das mit und erfährt, dass Kontinuität in der Förderung und bei den Konzepten viel bewirkt. Deshalb werden wir mit großer Konsequenz bei all dem, was die neuen Länder und den Pakt für Forschung und Innovation angeht, weitermachen. Damit entstehen genau die Leuchttürme, die in den strukturschwachen Regionen notwendig sind.

Wir stärken nicht nur die Allianzen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, den Spitzencluster-Wettbewerb und die Innovationsallianzen, sondern wir arbeiten auch - das steht ebenfalls im Koalitionsvertrag - daran, wie wir steuerliche Anreize für Investitionen unserer Unternehmen in Forschung und Entwicklung schaffen können. Das ist auch ein völlig neues Instrument, das es bislang in Deutschland nicht gegeben hat. Auch damit werden wir den Forschungsstandort Deutschland stärken.

Nachdem wir über zehn Jahre lang über die Abwanderung von Spitzenforschern diskutiert haben, kommt jetzt schon die zweite Runde an Spitzenforschern über Humboldt-Professuren nach Deutschland. Sehen Sie sich einmal die Listen an: Das sind absolute Spitzentypen aus allen Regionen der Welt. Dafür ist viel investiert worden. Ich glaube, das ist eine Investition, durch die Menschen nach Deutschland geholt werden, die im Übrigen auch für unsere Studierenden und für unsere Hochschulen interessant sind. Wir holen nämlich die Besten nach Deutschland, weil wir immer wieder neue Akzente brauchen. Wir wollen, dass dieses Land eine Talentschmiede ist. Wir haben schon manches erreicht und werden genau auf diesem Weg weitergehen.

Wenn Sie sich ewig über Eliten- und Begabtenförderung aufregen - ich habe überhaupt nicht verstanden, welchen Zusammenhang Sie eben zwischen Schluss mit Ganztagsschulen und Begabtenförderung herstellen wollten -, dann kann ich nur sagen: Ich stehe zur Talentförderung. Ich stehe zu Spitzenforschern. Ich bin der Meinung: Wer sich um die Spitze nicht kümmert, der wird auch dauerhaft die Breite nicht mehr mit Bildung und Wissenschaft erreichen.

Wir bauen die Internationalisierung unserer Bildungs- und Forschungspolitik konsequent aus. Wenn wir eine solche Debatte führen, dann sollten wir über den eigenen Tellerrand hinausschauen und auch die Verantwortung wahrnehmen, Herr Hagemann, die über Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein hinausgeht. Die Internationalisierung, die sich auf die Schwellen- und Entwicklungsländer bezieht, ist für uns ein Schwerpunkt. Auch hierzu finden Sie in diesem Haushalt erste Ansätze.

Was die Ganztagsschulen angeht - Herr Rehberg hat es angesprochen -, ist der Wunsch der über 7.000 erfüllt worden, Herr Hagemann. Wir werden, wenn die Phase des Bauens zu Ende geht, den Schulen in jedem Land die Servicestelle zur Verfügung stellen, die Schulentwicklung ermöglicht und begleitet. Das sind nicht Milliarden, sondern Millionen; aber auch das ist eine richtige Antwort auf Schulentwicklung in Deutschland und ein Beispiel für Zusammenarbeit.

Ich danke den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und den Regierungsfraktionen dafür, dass ein solcher Haushalt entstehen konnte, dessen Wachstumsrate höher ist als die Wachstumsrate des Bundeshaushaltes. Das ist ein gutes Zeichen und ein starkes Signal.


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Quelle:
Bulletin Nr. 28-5 vom 18.03.2010
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan,
zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010