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UNIVERSITÄT/2334: Jena - Examen im transatlantischen Gespräch gemacht (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 12.05.2009

Examen im transatlantischen Gespräch gemacht

Erstmals wurde mündliche Abschlussprüfung als Videokonferenz an der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt


Jena (12.05.09) Karl Marx war nie in Jena und hat sich doch hier promovieren lassen: in Abwesenheit - was damals noch möglich war, da die Zusendung der Schrift ausreichte. Heute gehören zu den Examensbedingungen auch mündliche Prüfungen. Doch selbst dazu muss man nicht in Jena weilen, wie jetzt an der Friedrich-Schiller-Universität bewiesen wurde. Juliane Röder hat jüngst ihre mündliche Abschlussprüfung durchgeführt - was erstmals in Form einer Videokonferenz erfolgte.

Die Studentin der Erziehungswissenschaft ist vor mehr als einem Jahr nach Smithers in Kanada ausgewandert und baut sich dort mit ihrem Lebensgefährten eine Existenz auf. Alle Leistungsscheine hatte sie längst ordentlich erworben, nur die Magister-Arbeit sowie die schriftlichen und mündlichen Examensprüfungen standen noch aus. In ihrer Magister-Arbeit untersuchte Röder die unterschiedlichen Stützungssysteme für Familien in Notlagen - vergleichend in Europa, speziell in Deutschland, und in Kanada. Dabei zeigte sie die unterschiedlichen Konzepte von Sozialpolitik auf. Auch die Magister-Klausuren hat sie in Kanada geschrieben: Sie wurden in versiegelten Umschlägen nach Deutschland geschickt und dort bewertet.

Die mündliche Prüfung - "vor der hatte ich die meiste Angst", wie Röder zugab - hat sie nun per Videokonferenz absolviert, was es bisher an der Jenaer Universität noch nicht gegeben hat. Ein Flug nach Europa wäre zu teuer für die Neu-Kanadierin geworden. Vor allem aber hätte sie durch ihre Abwesenheit wichtige Punkte verloren, auf die sie jedoch bei der Einbürgerung in Kanada angewiesen ist. Wer in Kanada immigrieren will, muss seine Bereitschaft strikt durch Anwesenheit verdeutlichen: Ein längerer Aufenthalt in der Heimat oder in einem anderen Land führt dazu, dass "Anwesenheitspunkte" wieder entzogen werden.

In Jena prüften Prof. Dr. Michael Winkler und Dr. Alexandra Schotte vom Institut für Bildung und Kultur im Rechenzentrum, das für Videokonferenzen gut ausgestattet ist. Die Leiterin des Akademischen Studien- und Prüfungsamtes Dr. Claudia Hohberg ließ es sich nicht nehmen, dieser Prüfungspremiere selbst beizuwohnen - weniger um zu kontrollieren, dass alles seine Ordnung hat, sondern vor allem um zu sehen, ob eine solche Prüfung überhaupt funktioniert. In Smithers wurde Juliane Röder durch eine kommunale Beamtin beaufsichtigt, die ebenfalls überwachte, dass alles mit rechten Dingen zuging. In Kanada ist man auf solche Videoprüfungen vorbereitet und mit diesen vertraut. In den weniger dicht besiedelten Landesteilen stellen sie oft die einzige Möglichkeit dar, Abschlüsse im Bildungswesen zu erreichen.

Juliane Röder saß also um acht Uhr morgens bereit, während in Jena mancher an Feierabend dachte, hier war es immerhin schon 17 Uhr. "Es war insgesamt eine ungewohnte und ungewöhnliche Situation", gibt Prof. Winkler seinen Eindruck wieder. "Aber nur anfangs irritierten die leichten Verzögerungen in der Sprachübertragung und bei schnellen Bewegungen." Insgesamt, da waren sich alle Beteiligten einig, hat sich das Verfahren bewährt: für die Kandidatin zu allererst, da sie ein gutes Ergebnis erzielt hat. "Alle Beteiligten waren überrascht, wie unkompliziert die Prüfung gestaltet werden kann und wie schnell man vergisst, dass man sich mit einigen tausend Kilometern Distanz gegenüber sitzt", plädiert Winkler für dieses Verfahren.

Hilfreich und attraktiv könnte die Prüfung in Gestalt einer Videokonferenz vor allem für Studierende aus dem Ausland werden, die nach einem Aufenthalt in Jena wieder in ihre Heimat zurück mussten oder zurück wollten. Sie könnten und können sich dann dennoch in Jena prüfen lassen und so ihr Studium abschließen. Karl Marx hätte also auch heute die Möglichkeit, "in absentia" zu promovieren: Er müsste zur mündlichen Prüfung schlicht in einer Videokonferenz antreten.

Weitere Informationen unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 12.05.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2009