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GAZA/047: Waffengang und Widerstand - Stimmen der Not und Echos der Hoffnung ... (Abd El-Shoukri)


Das letzte Spiel ... >

Gaza am 16/07/2014 um 11:15 Uhr (Gaza Zeit)

von Abd El-Shoukri



Womit fange ich meine neue "Meldung aus Gaza" an?

Was bei uns und um uns herum stattfindet, ist ein sinnloser, idiotischer, verfluchter und ... und ... und ... Krieg.

Warum? Weiß ich wirklich nicht. Wird dieser Krieg den ersehnten Frieden dem Nachbar-Staat herbeizaubern?

Meine Antwort ist klar und deutlich, NEIN - natürlich nicht!

Und glauben Sie mir, solange es uns hier in dem Gazastreifen (und mittlerweile nicht nur in Gaza, sondern in allen Teilen des historischen Palästinas schlecht geht), wird es auch den Nachbarn NIEMALS gut gehen. Die einen schwimmen in Swimmingpools und die anderen haben nicht einmal Wasser zum Trinken. Diese Gleichung geht niemals auf. Bitte verzeihen Sie mir, wenn nun Teile meiner Meldung Wiederholungen sind, denn das ist immerhin unser dritter Krieg in Folge, seit wir im Sommer 2007 aus Deutschland in den Gazastreifen heimgekehrt sind.

Wie wär es mit "MEHR FRIEDEN WAGEN?", denn immerhin drei Kriege sind mehr als genug... Hätte "MAN" diese Gelder für irgendein Projekt investiert und damit neue Arbeitsplätze geschaffen, das wäre sicherlich längerfristig nachhaltiger. Während ich Ihnen diese Mail schreibe, höre ich das Bombardieren weiter und teilweise fallen die Raketen etwas weiter und teilweise näher zu dem Haus, indem wir nun alle untergebracht sind. Dieses Bombardieren kommt aus allen Richtungen (aus der Luft, aus dem Meer und von den Panzern). Meine Schwiegereltern und deren Söhne sowie deren Frauen sind bei uns untergebracht. Dies gilt ebenfalls für viele Familien, die ihre Häuser bzw. Wohnungen verlassen oder verloren haben. Wir reden von mehr als 25.000 Menschen (meine eigene Einschätzung), die nun obdachlos geworden sind)

Wie komme ich auf diese Zahl? Es sind ca. 624 Häuser und andere Einrichtungen, wie Rettungsstellen, NGO's-Gebäude, Krankenhäuser, Moscheen, zerstört worden. Diese Angaben aus http://www.alwatanvoice.com/arabic/index.html, (arabisch und heißt "Kriegs-Zähler"). Diese Häuser liegen nun mal dicht neben einander und so wurden die umliegenden Häuser ebenfalls zum Teil total zerstört. Hinzu kommt, dass jedes Haus mehr als nur eine Familie beherbergt ...

Sicherlich sind wir traurig, dass wir Freunde, Nachbarn und Verwandte durch diesen Krieg verloren haben ... Viele haben auch ihr ganzes Eigentum verloren.

Diese Meldung kommt auch aus dem ziemlich ganz zerstörten Haus meiner Schwiegereltern. So ist dieses Haus alles, was sie aus ihrem 40jährigen Schuften im öffentlichen Dienst verdienen konnten.. Das ist so zu sagen, ihr Lebenswerk. Dennoch sind sie standhaft, ehrenvoll und gefasst. Mein Schwiegervater ist ein sehr aufrichtiger Mensch, den ich sehr hoch achte ... Genau so wie ich meinen Doktorvater sehr wertschätze. Stellen Sie sich vor, sie sind schlafen gegangen und innerhalb von ca. zwei Minuten müssen Sie Ihr Haus verlassen ohne etwas mitnehmen zu können!

Zu dieser Zeit waren die Söhne mit ihren Familien anwesend. Sie mussten um ihr Leben zu retten in großer Eile fliehen, um eine Überlebenschance zu haben, denn die Hass-Raketen waren als Ziel auf das Haus neben meinen Schwiegereltern gerichtet.

Es war ein Rennen um die Zeit; zwei Minuten später hätten sie alle keine Überlebenschance gehabt.

Viele andere Familien hatten diese kurze Spanne von zwei Minuten nicht und so wurden sie durch diese Raketenangriffe getötet.

Ich muss sagen, dass ich diese Raketen nicht kenne, aber es soll andere Raketen und Bomben geben, die jeweils nur das Ziel zerstören, ohne die umliegenden Häuser zu beschädigen. Warum die moralischste Armee der Welt solche Raketen und Bomben nicht verwendet, kann ich Ihnen nicht sagen. Eben lese ich, dass die Hass-Raketen auf die trauernden Menschen (Beerdigungsfeiern) abgefeuert werden.

Der Bruder meines Schwagers ist ebenso durch einen Raketenangriff mit sechs weiteren Zivilisten getötet worden. Er saß mit seinen Nachbarn vor der Haustüre. Er war 58 Jahre alt und seine jüngste Tochter ist gerade einmal 6 Jahre alt. Das Auflisten der Ereignisse hat einen Anfang ABER kein Ende.

Unten finden Sie die Bedingung für eine Waffenruhe aus palästinensischer Sicht:

  1. Es soll ein internationaler Hafen in dem Gazastreifen geben, der unter internationaler Verwaltung liegen soll,
  2. Der Gaza-Flughafen soll wiedergebaut und in Betrieb genommen werden;
  3. Die Blockade gegen den Gazastreifen soll aufgehoben werden,
  4. Niemand darf sich in die inneren Angelegenheiten der Palästinenser einmischen,
  5. Die Fischer sollen 10 Km weit ausfahren dürfen um zu fischen,
  6. Die Bauern sollen auch in der Grenzregion ihre Felder pflanzen können,
  7. Den Bewohnerinnen und Bewohnern von Gaza muss erlaubt werden, Jerusalem zu besuchen und dort zu beten,
  8. Die kurz wieder inhaftierten Palästinenser sollen alle wieder freikommen,
  9. Der Rafah-Grenz-Übergang soll dauerhaft geöffnet werden (hier sollen internationale Beobachteter anwesend sein),
  10. Israelische Flugzeuge/Drohnen dürfen den Himmel über dem Gazastreifen nicht befliegen.

Wirft man einen Blick auf diese Bedingungen, so wird einem klar sein, dass wir nichts Unmögliches verlangen ... Im Gegenteil, ich persönlich hätte noch schärfere Bedingungen gestellt. Ich bin davon überzeugt, dass die Gazaner hinter diesen Bedingungen ohne Ausnahme stehen, denn wir haben es satt, immer von irgendjemandem abhängig zu sein.

So jetzt sind Sie meine Damen und Herren gefragt, helfen Sie uns, damit nun endlich Ruhe einkehrt.

In der Hoffnung, dass es bald ruhiger bei uns zugehen wird verbleibe ich traurigen Grüßen

Abed El-Shoukri, Gaza/Palästina


P.S. Da ist ein Link, bitte mal besuchen ...
http://www.epochtimes.de/Fassungslos-in-Gaza-Juergen-Todenhoefer--Reportage-zu-Israels-Bombardement-a1167640.html

Hier ist ein Link ... darunter sind viele Bilder des Krieges zu finden:
https://www.flickr.com/photos/126226385@N06

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Quelle:
© Abd El-Shoukri, Gaza


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2014