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IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. September 2015

Irak/Syrien: US- und russische Waffenlieferungen ein Segen für Rebellen

von Thalif Deen


Bild: © Wikimedia Commons

Hubschrauber vom Typ Bell 214ST der ehemaligen irakischen Luftwaffe
Bild: © Wikimedia Commons

NEW YORK (IPS) - Die USA und Russland werden mehr Waffen an den Irak und an Syrien, ihre beiden wichtigsten Verbündeten in Nahost, liefern - wider besseren Wissens über die Gefahr, dass diese den Rebellengruppen zufallen könnten.

Die für den Irak vorgesehenen Lieferungen umfassen 175 zusätzliche Abrams-Panzer und 1.000 gepanzerte Humvee-Fahrzeuge sowie Kampfjets, Kampfhubschrauber und Laserraketen im Wert von mehr als 15 Milliarden US-Dollar.

Russland wiederum hat Berichten zufolge das syrische Regime von Staatspräsident Baschar al-Assad erst kürzlich mit Kampfflugzeugen, Kampf- und Transporthubschraubern sowie sechs T-90-Panzern, 15 Haubitzen und 35 gepanzerten Personenfahrzeugen ausgestattet.

Doch letztendlich könnten sich die Rebellengruppen einschließlich Islamischer Staat (IS), Al-Qaeda und Nusra-Front ins Fäustchen lachen. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass die regulären Streitkräfte ihre Waffen auf dem Schlachtfeld zurücklassen, wenn sie vor den Rebellen zurückweichen.

Dem 'Wall Street Journal' zufolge sind sich einige US-Abgeordnete dieser Gefahr bewusst und knüpfen die für den Irak bestimmten Waffenlieferungen an die Zusage der irakischen Regierung, dafür zu sorgen, dass die Waffen nicht in Feindeshand gelangen.

Erwartet wird, dass sich in der kommenden Woche US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin anlässlich der hochrangigen UN-Jahresversammlung zu bilateralen Gesprächen in New York treffen werden. Hauptthema dürfte die Zukunft Syriens sein. Dieser Konflikt lässt sich nach Ansicht von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon nicht militärisch gewinnen. Er drängt deshalb auf eine politische Lösung.

Die USA haben gegen die russischen Waffenlieferungen an das Assad-Regime protestiert, doch Russland argumentiert, dass es lediglich seinen vertraglich eingegangenen Verpflichtungen mit Syrien, einem langjährigen Verbündeten, nachkomme. Die russisch-syrischen Beziehungen gehen auf die Zeit von Assads Vater, Hafis al-Assad, zurück. Aus US-Geheimdienstquellen ist zu hören, dass Russland derzeit neue Kasernen in der syrischen Mittelmeer-Hafenstadt Latakia bauen lässt, die 2.000 Mann fassen können.


Indirekte Bewaffnung der Rebellen durch den Westen

Patrick Wilcken von der Menschenrechtsorganisation 'Amnesty International' zufolge kann die Gefahr, dass sich die Milizen ihre Waffen auch weiterhin an der Front beschaffen können, nicht ernst genug genommen werden. Die Rüstungsgüter, über die sie verfügten, stammten schließlich auch aus irakischen Militärbeständen. Sie seien von den aus Falludscha, Mossul, Tikrit und Ramadi abrückenden Soldaten zurückgelassen worden. In Syrien hätten die Kämpfer von Beständen der Stadt Rakka und dem Luftwaffenstützpunkt Tabaka profitiert.

Auch wenn es praktisch unmöglich sei, die Menge der Waffen in der Hand des IS und anderer in Syrien und dem Irak aktiver Kämpfer abzuschätzen, ließen sich doch anhand von Bildmaterial, Videoaufnahmen und Forschungsergebnissen einige Aussagen über deren Herkunft machen, so Wilcken.

Der Großteil der Waffen wie AK-Sturmgewehre, die in Syrien und im Irak zirkulierten, stamme noch aus russischen Beständen aus der Zeit des Warschauer Pakts. Viele dieser Waffen seien über 20 bis 30 Jahre alt. Andere NATO-Standardwaffen seien seit der Besatzung des Iraks durch die USA im Umlauf.

Als der IS im vergangenen Oktober in den Besitz von US-Waffen gelangte, die irakische Soldaten aufgegeben hatten, wurde ein Rebellenführer mit den Worten zitiert: "Wir hoffen, dass die Amerikaner ihre Abkommen einhalten und unsere Hubschrauber warten werden."

Während Kampfflieger auch weiterhin den IS unter Beschuss nehmen, richten sich die Angriffe paradoxerweise auf Hubschrauber, Humvees, gepanzerte Fahrzeuge und Luftabwehrraketen aus US-Produktion. Ursprünglich für die irakischen Streitkräfte bestimmt, werden sie nun von den Rebellengruppen eingesetzt. Für alle diese Waffen bestehen Wartungsverträge mit Washington.


Boomender Schwarzmarkt

Wilcken wies ferner darauf hin, dass der Schwarzmarkt für Waffen im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein blüht und von Korruption innerhalb der irakischen Armee profitiert. Von 2012 bis 2013 seien für sogenannte moderate Kämpfer in Syrien bestimmte Waffen aus den Golfstaaten und der Türkei in den Besitz des IS und anderer Kämpfer gelangt. Insgesamt lasse sich sagen, dass die regionale Verbreitung von Waffen - zumindest was den Irak angehe - auf eine lange Tradition zurückblicken könne.

Der Amnesty-Experten appelliert an alle Waffenlieferstaaten, in Zukunft besondere Vorsicht walten zu lassen, um eine weitere regionale Verbreitung von Rüstungsgütern und die damit verbundenen katastrophalen Folgen zu verhindern.

Nach Angaben der Washingtoner 'Defence News' beinhalten die Waffengeschäfte, die die USA im letzten Jahr mit dem Irak getätigt haben, 681 Stinger-Luftabwehrraketen, 40 mobile Abschussrampen, Sentinel-Radare, drei Hawk-Luftabwehrbatterien mit 216 Hawk-Raketen, 50 Stryker-Infanterieträger, zwölf Hubschrauber sowie Wartungs- und Logistikleistungen für tausende Militärfahrzeuge im Wert von hunderten Millionen Dollar.

Darüber hinaus hat Washington Verträge über die Lieferung von Hellfire-Raketen, M1A1-Abrams-Panzern, Maschinengewehren, Heckenschützengewehren, Granaten und Munition in Milliarden-Höhe abgeschlossen. Wie viele dieser Rüstungsgüter am Ende in die Hände der Rebellengruppen gelangen, bleibt abzuwarten. (Ende/IPS/kb/25.09.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/09/u-s-russian-arms-supplies-to-iraq-syria-a-blessing-to-rebel-groups/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2015

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