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SYRIEN/064: Dominostein Damaskus - Kriegskosmetik ... (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. September 2014

Syrien: US-Invasionspläne - Washington übergeht erneut UN-Sicherheitsrat

von Thalif Deen


Bild: © Devra Berkowitz/UN

Diskussion im UN-Sicherheitsrat über die Lage in Syrien am 26. Juni 2014
Bild: © Devra Berkowitz/UN

New York, 15. September (IPS) - Der UN-Sicherheitsrat (UNSC), das einzige internationale Gremium, das mit dem Mandat ausgestattet ist, über Krieg und Frieden zu entscheiden, bleibt auf die Rolle eines schweigenden Beobachters von Tod und Zerstörung in vielen Teilen der Welt wie in Palästina, Syrien, im Irak, in Libyen, im Jemen und in der Ukraine reduziert.

Bisher hat der gespaltene UNSC dem Abschlachten von Palästinensern durch Israel, dem Völkermord und den Kriegsverbrechen in Syrien und der russischen Militärintervention in der Ukraine ohnmächtig zugesehen. Hinzu käme eine Invasion in Syrien, sollte US-Präsident Barack Obama seine Ankündigung wahrmachen und Luftangriffe gegen die Terrororganisation Islamischer Staat von Irak und Syrien (ISIS) durchführen. Die USA weigern sich bisher, vom UNSC die Genehmigung und Legitimität für diesen Schritt einzuholen.

Ironischerweise wird Obama gemäß der geographischen Rotation den Vorsitz über ein UNSC-Treffen führen, wenn er in New York sein wird. Eine solche Koinzidenz stellt sich immer nur dann ein, wenn ein UNSC-Mitglied den Vorsitz im September hält, wenn die neue Sitzungsperiode der UN-Vollversammlung in Anwesenheit von mehr als 150 Staats- und Regierungschefs beginnt. Am 16. September ist es wieder soweit.

In seiner Ansprache an die Nation Anfang der zweiten Septemberwoche erklärte Obama: "Ich werde einem Treffen des UN-Sicherheitsrates vorsitzen, um in dieser Sache (der Vernichtung von ISIS) mehr Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft zu mobilisieren." Doch bisher ist der geplante Angriff auf Syrien nicht Teil der UNSC-Agenda und wird dies sicher auch nicht unter dem US-Vorsitz werden.

Obama erklärte ferner, dass die Geheimdienste keine konkreten Pläne der ISIS, Anschläge gegen die USA durchzuführen, feststellen konnten. ISIS sei nach wie vor eine regionale Bedrohung, die aber durchaus die USA erreichen könnte, rechtfertigte Obama die geplante US-Invasion.


UN als "Klageinstitution"

Norman Solomon vom 'Institute for Public Accuracy' mit Sitz in Washington und Mitbegründer von 'RootsAction.org' erklärte gegenüber IPS: "Als Instrument zur Prävention oder Beschränkung von Kriegen haben sich die Vereinten Nationen mit einem Sicherheitsrat, der von den Supermächten - vor allem den USA in Tandem mit seinen ständigen Mitgliedern - beherrscht wird, in eine 'Klageinstitution' verwandelt."

Wie er weiter kritisierte, hatten sich die vorherigen US-Präsidenten zumindest um die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats für eine US-Intervention bemüht. Doch das sei nun nicht mehr der Fall. "Wenn die US-Regierung nicht in der Lage ist, sich für ihre Kriegsziele eine vetofreie UN-Sicherheitsresolution zu beschaffen, verfährt sie so, als sei der UNSC bedeutungslos", so der Autor von 'War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death' ('Krieg leicht gemacht: Wie uns Präsidenten und Gelehrte in ihr tödliches Netz verstricken').

International sei das der Fall, weil es keine geopolitischen Bezugspunkte oder institutionelle UN-Rahmenwerke gebe, die ausreichten, die USA dazu zu bringen, den UN-Sicherheitsrat ernster zu nehmen.

Einem russischen Regierungsvertreter zufolge müsste sich die Regierung eine UNSC-Resolution vor Beginn ihrer Luftangriffe in Syrien beschaffen. Eine Regel, die Russland im Fall der Ukraine selbst nicht beherzigt hat. Möglicherweise zeigt all dies nur in eine Richtung: dass sich der UN-Sicherheitsrat immer wieder als wertlos herausstellt und gerade in Krisensituation als ineffektiv und politisch impotent erweist.

Die ständigen UNSC-Mitglieder, die als einzige Länder der Welt ein Vetorecht haben - China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA - sind offensichtlich nicht an Fairness, Gerechtigkeit und politischer Integrität interessiert. Ihnen geht es ausschließlich darum, die eigenen politischen Interessen zu schützen.

In einem Kommentar in ihrer Ausgabe vom 12. September hat die 'New York Times' eine indirekte Warnung ausgesprochen, als sie betonte, dass es kein Zurück geben werde, sollten die US-Luftangriffe auf syrisches Territorium beginnen. Dadurch könnte es zu unvorhersehbaren Entwicklungen kommen. "Das ist sicherlich eine Lektion, die Amerika aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan gelernt hat."


UN-Zustimmung für US-Luftangriffe

Stephen Zunes, Professor für Politikwissenschaften und internationale Studien an der Universität von San Francisco, wo er das Programm für nahöstliche Studien koordiniert, erklärte gegenüber IPS: "Unabhängig davon, ob sie berechtigt sind oder nicht, bedürfen Luftangriffe der USA oder anderer ausländischen Mächte im Irak und in Syrien als kriegerische Handlungen der Zustimmung der Vereinten Nationen."

Sollte die Gefahr durch ISIS und die Militärreaktion so begrenzt sein, wie Präsident Obama behaupte, sollten die USA keine großen Schwierigkeiten haben, sich die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats zu sichern, betonte Zunes, der auch als Analyst für 'Foreign Policy in Focus' am 'Institute for Policy Studies' tätig ist. "Die Weigerung, sich an die UN zu wenden, erweist sich als weiterer Ausdruck der offensichtlichen Missachtung, die Washington der Weltorganisation entgegenbringt."

Peter Yeo von der 'Better World Campaign', einer Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich für eine Stärkung der US-UN-Beziehungen einsetzt, hat den US-Kongress aufgefordert, den Vereinten Nationen die Lösung der Krisen in Nahost einschließlich in Syrien und im Irak zu überlassen. "Wir sollten weiterhin die Ressourcen wie den UN-Sicherheitsrat und die humanitären Einrichtungen der UN nutzen, um derzeitige und künftige Bedrohungen zu bekämpfen."

Die USA seien mehr denn je auf die UN als strategischen Partner angewiesen, damit eine komplexe sicherheitspolitische und humanitäre Antwort auf die Bedürfnisse der Region gefunden werde, erklärte Yeo in einer Mitteilung vom 11. September.

Solomon betonte gegenüber IPS, dass die US-Innenpolitik den UN in den zurückliegenden Jahrzehnten eine Rolle des nachträglichen Handelns oder eines Amphitheaters zugewiesen hat, es sei denn, die Weltorganisation sei denn, man konnte die UN dazu bringen, auf den US-Kriegszug aufzuspringen. Der UN-Sicherheitsrat könne letztendlich nur das leisten, was ihn seine ständigen Mitglieder leisten ließen.

Die vom Weißen Haus geplanten militärischen Einsätze werden Syrien auf die Liste der Länder setzen, die von den USA angegriffen wurden, die immer gern laut über internationales Recht reden und gleichzeitig gegen internationales Recht verstoßen, unterstrich Solomon. Er geht davon aus, dass die US-Regierung ihre Entscheidung, ob sie sich einen Einsatz in Syrien durch den UN-Sicherheitsrat genehmigen lässt, in erster Linie vom Nutzen der rhetorischen Selbstdarstellung abhängig machen wird. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/u-s-bypasses-security-council-on-impending-invasion-of-syria/

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IPS-Tagesdienst vom 15. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2014