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WESTSAHARA/042: Juristen des Europäischen Parlaments stellen Landwirtschaftsvertrag in Frage (WSRW)


Western Sahara Resource Watch - Nachrichten

1. Februar 2011, 21:25 h

Juristen des Europäischen Parlaments stellen Landwirtschaftsvertrag in Frage


Einem jüngst veröffentlichten Rechtsgutachten des juristischen Dienstes des Europaparlaments zufolge, fehlt es dem Entwurf des EU-Agrarvertrags mit Marokko an Eindeutigkeit hinsichtlich der Westsahara-Frage. Das Gutachten empfiehlt dem Parlament, diese Unklarheiten zu prüfen, bevor es seine Zustimmung gibt.

Das Rechtsgutachten wurde als Antwort auf Fragen zur Einbindung des Westsahara-Gebietes in das erneuerte Landwirtschaftsabkommen mit Marokko und zu den sich daraus ergebenden Folgen hinsichtlich dessen Legalität verfaßt.

Das vorgeschlagene Abkommen sieht eine grundlegende Liberalisierung landwirtschaftlicher Produkte, verarbeiteter landwirtschaftlicher Produkte und Fischereierzeugnisse für die EU-Seite im Gegenzug zu einer Liberalisierung von 55% der EU-Importe aus Marokko vor. Der Vertragstext wurde vom Rat der Europäischen Union und Marokko am 13. Dezember 2010 unterzeichnet, benötigt aber noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Genauso wie bei der Diskussion über eine mögliche Verlängerung des EU-Fischereivertrags mit Marokko, erweist sich die Westsahara-Frage als heikles Thema.

Der juristische Dienst des Europaparlaments merkt an, daß er "über keine Informationen darüber verfügt, ob und wie das vorgeschlagene Abkommen auf die Westsahara-Gebiete zur Anwendung kommen und ob es wirklich dem Wohle der ortsansässigen Menschen dienen wird." Darüber hinaus fehlen Informationen darüber, "ob die weitere Liberalisierung dieser Güter mit den Wünschen und Interessen der Menschen in der Westsahara in Einklang steht".

Bis heute wurden die Menschen in Westsahara nicht konsultiert, was jedoch eine Voraussetzung für die Übereinstimmung des Abkommens mit internationalem Recht wäre. Nachzulesen in einer UNO-Stellungnahme zum Recht des saharauischen Volkes auf die eigenen natürlichen Ressourcen: [1]

Da Westsahara nicht als Teil Marokkos anerkannt ist, haben sowohl die USA als auch die EFTA-Staaten (*) die Gültigkeit für Westsahara explizit aus ihrem Freihandelsabkommen mit Marokko ausgeschlossen.

"Unter diesen Umständen scheint es angemessen zu sein, diese Fragen mit der Kommission zu klären, bevor man sich entscheidet einem Abschluß des vorgeschlagenen Abkommens zuzustimmen", lautet das Fazit des Gutachtens.

Eine Zusammenfassung des Rechtsgutachtens von der Website der Spanischen Landwirtschaftsverbandes COAG kann man hier herunterladen: [2].

Dies ist das zweite Mal, daß der juristische Dienst des Parlaments ein Gutachten über die Auswirkungen eines bilateralen Abkommens zwischen der EU und Marokko veröffentlicht hat. Im Jahr 2009 stellten die Anwälte die Legalität des Fischereiabkommens in Frage [3] weil es nicht der saharauischen Bevölkerung zugutekommt, obwohl die EU-Schiffe in saharauischen Gewässern operieren.

[1] http://www.arso.org/Olaeng.pdf
[2] http://www.coag.org/ rep_ficheros_web/d3ddac7969692d103dd509668dc4bf15.pdf
[3] http://www.fishelsewhere.eu/index.php?cat=198&art=1090


Anmerkungen der Redaktion Schattenblick:

(*) EFTA: European Free Trade Association - Europäische Freihandelsassoziation.
Mitglieder sind: Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz

englischer Originaltext:
http://www.wsrw.org/index.php?parse_news=single&cat=105&art=1843


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Quelle:
Western Sahara Resource Watch
Nachrichten, 1. Februar 2011
Kontakt in Deutschland:
Axel Goldau, WSRW Deutschland
E-Mail: redaktion@kritische-oekologie.de
Tel.: (+49) (0)30/76 70 34 98
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2011