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BERICHT/032: Georg Heitlinger - "Gegen einen Teil geht nicht!" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Gegen einen Teil geht nicht!"

Es waren vergleichsweise Kleinigkeiten, die Georg Heitlinger zum Kläger gegen den Absatzfonds werden ließen. Jetzt sind ihm Viele dankbar

Von Marcus Nürnberger


Wenn man zu Georg Heitlinger nach Eppingen, zwischen Karlsruhe und Heilbronn, kommt, hat man so gar nicht den Eindruck, dass hier ein Revolutionär wohnt. Der Hof ist ein klassischer Aussiedlerbetrieb. Einige Kilometer abseits des Ortes an einer aus Betonsegmenten bestehenden Straße mit Baumreihe inmitten der Feldflur liegt der zweckmäßige Hof im 60er Jahre Stil. Der Betrieb ist auf Eier spezialisiert. Insgesamt 40.000 Hühner produzieren hier. 12.000 in Freilandhaltung, 8.000 in Bodenhaltung und 20.000 in Käfighaltung. In der Packstelle stapeln sich Eierkartons und Paletten.


Der Weg zur Klage

Vielleicht waren es die immer wiederkehrenden Botschaften des Bauernverbands, dass Landwirte Unternehmer seien und ihre Kosten im Blick haben und konsequent analysieren müssen, die Georg Heitlinger dazu brachten, die von ihm halbjährlich geforderten Zahlungen an den Absatzfonds kritischer zu betrachten. Doch allein deswegen zieht man noch nicht vor Gericht. Beim Besuch einer niederländischen Eierpackstelle vor vielen Jahren schon war ihm aufgefallen, dass die Eierkartons auch dort das CMA-Logo trugen. Wie konnte das sein, wo doch die CMA eigentlich den Absatz deutscher Produkte fördern sollte? Bei der CMA, so Heitlinger, kommentierte man salopp: "Das ist Ausland. Das geht uns nichts an." Ein Kollege hatte schon versucht, gegen die Zahlungen vorzugehen, war aber vor Gericht gescheitert. Damals war es nur darum gegangen, ob Schmutzeier, die weit unter Preis abgegeben werden müssen, auch mit 30 Cent pro 1.000 Eier in die Berechnung mit eingehen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hatte damals gewonnen. Und Heitlinger hat aus den vielen Versuchen von Kollegen, im Schnitt zehn pro Jahr seien es gewesen, gegen die Zwangsabgabe vorzugehen, gelernt. "Gegen einen Teil geht nicht", so sein Fazit. Und so kam es, dass Georg Heitlinger gemeinsam mit einer Hamburger Müllerei und einer Geflügelschlachterei gegen die von ihm zu entrichtenden Zwangsabgaben, offiziell sind es Sonderabgaben, und damit gegen den Absatzfonds an sich prozessierte. Wahrscheinlich hat sich am Beginn des Verfahrens niemand im Aufsichtsrat des Absatzfonds wirklich Sorgen gemacht. Spätestens nach der Verhandlung am Verwaltungsgericht Köln im Jahr 2006, bei dem die Richter das komplette Gesetz zur Überprüfung ans Bundesverfassungsgericht überwiesen, hätte allen Beteiligten die Tragweite der anstehenden Entscheidung bewusst werden müssen. Wenn das Gesetz verfassungswidrig sein sollte, wäre die Geldquelle Landwirt verloren. Die Finanzierung der CMA und der ZMP bräche zusammen.

Noch Anfang 2009, auf der Grünen Woche in Berlin, gaben sich der Geschäftsführer der CMA Markus Kraus und der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Hilse optimistisch. Drei Szenarien, so die gemeinsame Vorstellung, seien mit Blick auf das zu erwartende Urteil des Bundesverfassungsgerichts denkbar. Am angenehmsten aus CMA-Sicht wäre eine Bestätigung der Verfassungskonformität des Absatzfonds und mit ihm der Finanzierung der CMA gewesen. Nur ein wenig schlechter die zweite Version: Das Verfassungsgericht erklärt das Absatzfondsgesetz für verfassungswidrig, aber nicht für nichtig. In diesem Fall hätte der Gesetzgeber den Auftrag erhalten, das Gesetz nachzubessern. Bis dahin aber hätte die bestehende Fassung ihre Gültigkeit behalten, vor allem sahen die CMA-Männer selbst die eingeklagten Gelder für sich gesichert. Dass die Zwangsabgabe für verfassungswidrig und nichtig erklärt werden könnte, das wollte im Januar von Seiten der CMA niemand laut sagen.


Siegessicher

Nicht ganz ohne Stolz erzählt Georg Heitlinger, dass er in den Tagen nach der Kölner Verhandlung von der Jurist der Gegenseite zu einem Treffen mit Herrn Sonnleitner und Herrn Krebs, Vorstandschef des Absatzfonds, nach Bonn eingeladen worden sei. Vielleicht, so sagt er heute, hätte er damals einen lukrativen Posten bekommen können, wenn er die Klage zurückgezogen hätte. Er ist aber gar nicht erst nach Bonn gefahren. Denn er war überzeugt, im Recht zu sein. Die Sicherheit basierte nicht nur auf seinem moralisch-ethischen Gefühl, das viele Bauern beim Gedanken an die CMA-Werbung mit den "heißen Schenkeln" und dem "unvergessenen ersten Mahl" teilen können. Konkrete Fakten lieferten die Prüfberichte des Bundesrechnungshofes und zweier Agrarmarketingexperten. "Der Bundesrechnungshof", so das Verfassungsgericht in seiner Urteilsbegründung, "ist der Auffassung, dass die Aufgabe des Absatzfonds, die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu stärken und zu schützen, im Widerspruch zu den Regelungen des europäischen Binnenmarkts stehe. Es sei zudem nicht erkennbar, dass die nationale Absatzförderung durch Absatzfonds und CMA trotz hohen Mitteleinsatzes den Absatz und die Verwertung der Erzeugnisse der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft nennenswert zu fördern geeignet sei." Die Grundlage dieser Einschätzung liefert das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2002, das eine spezielle Bewerbung deutscher Produkte (Bestes aus deutschen Landen) untersagt.


Bestenfalls nutzlose Werbung

Auch aus Sicht des Agrarmarketings wird grundsätzlich der Werbeansatz der CMA bezweifelt. Die Agrarmarketingexperten betonen die Probleme der Abgrenzung gegenüber landwirtschaftlichen Produkten aus anderen Ländern. So schreibt Prof. Mühlbauer von der Fachhochschule Weihenstephan: "Das größte Defizit in Bezug auf die Effizienz der CMA-Marketingaktivitäten besteht darin, dass die allgemeine Produktwerbung nach dem Motto Bestes vom Bauern, die Bewerbung von Gattungsprodukten und die früheren aufwendigen Verkaufsförderungsaktionen gemeinsam mit Lebensmittelhandel und Ernährungshandwerk bereits seit mindestens zwei Jahrzehnten eine Wirkungseffizienz besitzen, die gegen Null tendiert."

Prof. Tilmann Becker aus Hohenheim hinterfragt unter anderem die Effizienzkontrolle bei der CMA: "Ein Werbeerfolg lässt sich nur an den Auswirkungen auf den Absatz des Produktes messen, wobei die Werbewirkung eine notwendige Voraussetzung für den Werbeerfolg ist." Der Erfolg ließe sich in einer Steigerung des Einkommens der Landwirte messen, was die CMA im übrigen nie untersuchte. Indes gibt es Anzeichen, dass gerade durch die gleichmachende CMA-Werbung mögliche Einkommenssteigerungen zunichte, wenn nicht sogar ins Gegenteil verkehrt worden sind. Besondere Qualitätsstandards wurden durch die CMA kaum beworben. Selbst das mühsam eingeführte QS-Zeichen stellt im Grunde nur ein die Lebensmittelsicherheit garantierendes Konformitätszeichen ohne Mehrwert für den Verbraucher dar. Damit werden die Discounter mit ihren kostendrückenden Einkaufsstrategien auf eine Stufe mit allen andern Lebensmittelhändlern gestellt, denn der Preis wird für den Kunden zum einzigen Entscheidungskriterium.


Öffentlichkeitsarbeit

Dass Georg Heitlinger gegenüber der unübersichtlichen, aber finanziell gut ausgestatteten Gegenseite, einer Mischung aus Behördenangestellten, Funktionären des Bauernverbandes und Politikvertretern, bestehen konnte, das liegt auch an seiner kampagnenartigen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Mit der Internetseite www.absatzfond-abschaffen.de hat er früh eine Plattform geschaffen, um sein Anliegen in die Öffentlichkeit zu transportieren und Fakten zu präsentieren. Der Aufruf, nach einem neuen Namen für die CMA zu suchen, wurde mit unzähligen Vorschlägen belohnt. Im Gästebuch der Seite konnte und kann man seine Meinung kund tun. In aller Regel waren es die Befürworter einer Auflösung des Absatzfonds, die sich hier tummelten. Auch nach dem gewonnenen Prozess überwiegen die Glückwünsche und Gratulationen. Ob es tatsächlich ein ZMP-Mitarbeiter war, der hier den Vorwurf erhob, die siegreichen Kläger seien durch ihr Handeln an der bevorstehenden Arbeitslosigkeit des Familienvaters schuld, lässt sich nicht nachprüfen. Das Argument hat aber verfangen, auch wenn eigentlich der Arbeitgeber CMA/ZMP oder vielleicht auch noch der Absatzfonds verantwortlich sind.

Bei Heitlingers jedenfalls überwiegt das positive Gefühl, Mit dem Qualitätssiegel "drauf 08ten", das Eier aus Baden-Württemberg für Baden-Württemberg bewirbt, hat er gemeinsam mit einigen anderen regionalen Eierproduzenten seine eigene Werbeschiene entwickelt und macht damit deutlich, welche anderen Möglichkeiten der Bewerbung es gibt, die zudem noch einen klaren Mehrwert für den Verbraucher haben.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2009