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BERICHT/113: Anpassung in der Landwirtschaft im Klimawandel (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 339 - Dezember 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Im Mittelpunkt stehen die Bauern und Menschen
Anpassung in der Landwirtschaft im Klimawandel

Von Mireille Hönicke


Pepito B. Babasa ist Kleinbauer auf den Philippinen. Bereits 20 Reissorten tragen seine Initialien "PBB", diese hat er selber gezüchtet. "Darauf ist er sehr stolz", berichtet Elizabeth Cruzada. Sie ist Koordinatorin beim Bauernnetzwerk MASIPAG und zu Besuch in Deutschland, um über eben dieses Netzwerk und seine Menschen zu berichten.

Die Nichtregierungsorganisation Agrar Koordination hat Elizabeth Cruzada gemeinsam mit Abu Muzaffar Mahmud aus Bangladesch zu einer Vortragsrundreise in Deutschland eingeladen, um über alternative Strategien zur Anpassung an den Klimawandel zu sprechen. Erfahrung mit dem (Über-) Leben im Klimawandel bringen beide Referenten aus ihren eigenen Ländern mit. Erst in den letzten Tagen fegte einer der schwersten Wirbelstürme der letzten Jahre mit Windgeschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern über den Norden der Philippinen hinweg. Weite Teile Bangladeschs liegen nur knapp über dem Meeresspiegel und das Land ist bereits heute vom Klimawandel stark getroffen: Dürren im Norden, Fluten im Süden und Versalzung durch immer weiter ins Landesinnere vordringendes Salzwasser bedrohen Menschen und ihre Lebensgrundlage.


Landwirtschaft ist regional

Alternativen in der Landwirtschaft sind gefragt, um mit diesen Herausforderungen umgehen zu können. Das Bauernnetzwerk Masipag ist eine solche Alternative. Masipag hat es in den vergangenen Jahren geschafft, über tausend neue Reissorten zu züchten, die optimal an die jeweiligen Standorte angepasst sind. Sie sind Weiterzüchtungen der alten traditionellen Reissorten. Elizabeth Cruzada zeigt uns eine Karte der Philippinen mit ihren 7.000 Inseln und darauf verteilt eine Vielzahl von angepassten, das heißt dürreresistenten, salzwassertoleranten und fluttoleranten Reissorten. Viele von ihnen tragen die Initialen ihrer Züchter, der Bauern und Bäuerinnen von Masipag.

Masipag Bauern ist gelungen, was trotz Millionen hoher Forschungsgelder am Internationalen Reisforschungsinstitut (IRRI) nicht passiert. Sie haben in-situ, sprich auf ihren Feldern eine Reisvielfalt gezüchtet, die zu ihrer Ernährungssicherung beiträgt und sich zusätzlich im Zuge der Klimaveränderungen bewährt. Denn diese Herausforderung stand am Anfang von Masipag nicht an erster Stelle. Das Bauernnetzwerk entstand bereits im Jahr 1986. Als Antwort auf die Probleme der "Grünen Revolution", mit ihren einheitlichen Hochertragssorten und einem hohen Einsatz von Pestiziden, wurde eine erste Sammlung von 47 Reissorten angelegt.


Freier Zugang zum Saatgut

Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht nach wie vor der freie, kostenlose Zugang zum Saatgut. Es sind Bauern wie Pepito B. Babasa, die keinen Hybrid-Reis anbauen wollen, der zudem eine schlechte Qualität hat und an Geschmack arm ist, und die schlichtweg das anbauen wollen, was sie brauchen: Sorten, welche an ihre Böden sowie klimatische und saisonale Bedingungen angepasst sind und die Geschmack und Vorlieben ihrer Familien entsprechen. Reis gehört zu jeder philippinischen Mahlzeit. "Die Leute sind ganz verrückt nach Reis und Reis ist auch ein politisches Instrument", erklärt E. Cruzada. Den Reis, von dem E. Cruzada schwärmt, finden wir in Deutschland nicht. Dieser Reis trägt die Vielfalt von Generationen in seinen kleinen Körnern. Es gibt Reis, der macht richtig satt, und das wiederum lieben die Feldarbeiter, denn man hat nicht soviel Zeit, um ständig seinen Magen zu füllen. Diese traditionellen Reissorten sind sehr beliebt, aber in Gefahr, durch den Import von Hybrid-Saatgut weiter verdrängt zu werden. Zudem konkurrieren die Bauern mit den Reis-Importen aus anderen Ländern. "Billiger Reis aus Vietnam überschwemmt die lokalen Märkte", entrüstet sich Elizabeth Cruzada. Im Zuge der Liberalisierung der Märkte stiegen die Importe von Reis, angebaut werden stattdessen Exportfrüchte wie Ananas und Bananen. Heute sind die Philippinen weltweit der größte Importeur von Reis.


Mehr Vielfalt - mehr Sicherheit

Masipag Bauern bewirtschaften ihre Felder überwiegend ökologisch. Sie konnten ihre Vielfalt an Sorten, aber auch an Produktionssystemen deutlich erhöhen und sind heute wesentlich besser aufgestellt als konventionelle Bauern in den Philippinen. Eine Untersuchung, die unterstützt von MISEREOR im Jahr 2007/08 durchgeführt wurde, zeigt, dass die Hektarerträge von Masipag Bauern vergleichbar mit denen von konventionellen Bauern sind. Vergleicht man allerdings die Netto- Erträge, so schneiden die Masipag Bauern deutlich besser ab. Sie haben weniger Ausgaben für Pestizide und Saatgut und verkaufen zudem wöchentlich Gemüse auf den lokalen Märkten. "Aber auch die Masipag Bauern bleiben verwundbar", so Elizabeth Cruzada. Sie seien zwar selbstsicherer und weniger ängstlich, was den Klimawandel betrifft, aber dennoch leben sie am Rande der Armut. Hier sind große Veränderungen notwendig. E. Cruzada spricht von einem Paradigmenwechsel, entsprechend den Ratschlägen des Weltagrarberichts und fordert: "Wir müssen die Bauern und Menschen wieder in den Mittelpunkt der Landwirtschaft stellen".


Anpassung ist keine neue Strategie

Auch in Bangladesch sind Alternativen in der Landwirtschaft gefragt. Abu Mahmud zeigt uns seine Liste mit Gemüsesorten, die noch heute angebaut werden. "Früher war die Liste viel länger, aber zahlreiche Pflanzen vertragen die zunehmende Versalzung der Böden nicht." Auch beim Reis braucht man zunehmend Sorten, die an die veränderten Bedingungen angepasst sind. Grundlage für die Züchtung dieser neuen, toleranten Sorten, bilden, wie auch auf den Philippinen, traditionelle Reissorten. "Die Bauern verfügen über traditionelles Wissen. Anpassung ist keine neue Strategie, sondern etwas, was Bauern schon immer gemacht haben", beschreibt Abu Mahmud. "Allerdings gibt es Unwissenheit darüber, welche Methoden sich bei den heutigen veränderten Klimabedingungen eignet." Hier hilft seine Organisation Prodipan, zusammen mit Forschern, die vorhandenen Anbaumethoden mit den neuen Bedingungen zusammenzubringen und die Bauern darüber zu informieren. Bei all diesen Strategien wird jedoch auch deutlich, dass sie natürliche Grenzen haben. Je weiter wir von dem 2°C-Ziel abweichen, desto schwieriger wird jede Anpassung der Menschen an die veränderten Bedingungen sein. Wenn es ganz schlimm kommt, dann können sie sogar nutzlos sein. Der Appell von Abu Mahmud richtet sich dann auch direkt an uns in den Ländern des Nordens. "Wir in Bangladesch können uns nur an das veränderte Klima anpassen. Ihr in Deutschland und Europa habt die Verpflichtung, eure Emissionen zu senken.


Mireille Hönicke

Entwicklungspolitische Referentin, Agrar Koordination


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 339 - Dezember 2010, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2011