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BERICHT/199: Hof zur bunten Kuh - In Frankenberg wird die Landwirtschaft der Zukunft erprobt (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Hof zur bunten Kuh
In Frankenberg (Sachsen) wird die Landwirtschaft der Zukunft erprobt

Von Johannes Richter



Eingebunden in einen Vier-Seiten-Fachwerkhof aus dem Jahr 1836 befindet sich der "Hof zur Bunten Kuh", einer von derzeit circa 50 Höfen in Deutschland, die eine besondere Form von Landwirtschaft betreiben, mit der simultan die Probleme von Produzenten und Konsumenten gelöst und ein Beitrag zur nachhaltigen Versorgung mit Lebensmitteln im 21. Jahrhundert sichergestellt werden. Das ist Solidarische Landwirtschaft.

Mit diesem Begriff wird eine Form des Wirtschaftens bezeichnet, in der die Beziehung zwischen Bauer und Verbraucher sehr eng ist. Im Gegensatz zum konventionellen Bio-Handel oder dem Bezug von Ökokisten im Abonnement, verpflichten sich die Verbraucher über einen längeren Zeitraum, meist ein Jahr, die Produkte des Hofes abzunehmen. Sie kaufen nicht einzelne Produkte, sondern anteilig jeweils das, was geerntet oder anderweitig erarbeitet wird; so werden die Verbraucher zu Ernteteilern. Die Bezahlung erfolgt im Voraus. Dieser Vorschuss an Vertrauen und Kapital ermöglicht den Produzenten eine entspannte und sicherere Planung des Wirtschaftsjahres, denn sie machen sich unabhängig von Zwischenhändlern und Weltmarkt, müssen sich weniger um den Vertrieb der Erzeugnisse kümmern und können sich mehr dem Wesentlichen widmen: der Herstellung von guten und gesunden Lebensmitteln.

Für die Kunden birgt die Solidarische Landwirtschaft aber ein gewisses Risiko: Ist die Ernte dank guter Witterung groß, gibt es reichhaltige Erträge in der Erntekiste, führt Schlechtwetter zu Ernteausfällen, bleibt der Ertrag dementsprechend gering. So bekommen Verbraucher unmittelbar vor Augen gehalten, was in der Region gut wächst und wann Erntesaison ist. Beim "Hof zur bunten Kuh" lernen sie zudem auch viele alte Kultursorten von Obst und Gemüse kennen, die das Angebot verbreitern und absichern sollen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die Verbraucher nicht nur ihre Kenntnisse, sondern auch den eigenen Geschmackshorizont erweitern.

Höfe und Verbrauchergemeinschaften der solidarischen Landwirtschaft in Deutschland haben verschieden lange Traditionen. Der "Hof zur Bunten Kuh" zum Beispiel befindet sich im dritten Wirtschaftsjahr. Bevor das mittlerweile zwölfköpfige Team die Arbeit aufnahm, wurde auf den 20 Hektar des Betriebes Raps in Monokultur angebaut, was zur Auslaugung des Bodens führte und die Arbeit in den ersten Jahren schwierig gestaltete. Nun wandelt sich der Hof um zu einem Demeter-Betrieb und wirtschaftet nach den strikten Regeln des biologisch-dynamischen Landbaus.

Auf dem Hof wird versucht die Arbeitsorganisation hierarchielos und basisdemokratisch zu gestalten. Wo sich vorher Agrarsteppe befand, wächst nun eine Vielzahl an Gemüsesorten in bunten Reihen, und es gibt Obstbäume. Zum Tierbestand gehören bisher vier Rinder, 25 Schafen, zwei Pferden, sowie 50 Hühner und Gänse, weitere Tiere sollen folgen. Bevorzugt werden Zweinutzungsrassen wie das Jerseyrind und alte Haustierrassen wie das Angler Sattelschwein, die alle robust und pflegearm sind. Alle Tiere kommen auf die Weide. Eine Besonderheit auf "Hof zur bunten Kuh" ist, dass die Felder zum größten Teil mit Pferdearbeit bestellt werden. Diese anspruchsvolle und zeitintensive Alternative zur bodenverdichtenden und erdölintensiven Traktornutzung wird gleichzeitig als ein Beitrag zur Bewahrung alter Arbeitsgeräte und -techniken verstanden.

Die hergestellten Lebensmittel sollen langfristig für 100 Ernteanteile ausreichen, also für 100 Menschen. Geplant ist auch die Herstellung von Molkerei- und Fleischprodukten, die die Ernteanteile bereichern sollen. Bisher werden etwa 70 Ernteanteile zu 60 Euro im Monat vergeben. Die meisten davon an Menschen aus dem zehn Kilometer entfernten Chemnitz, die wöchentlich beliefert werden. Die Waren werden zu Verteilstellen gebracht und dort von den Ernteteilern verteilt und abgeholt.

Ziel der "Bunten Kühe" ist, die Ernteteiler an den Hof zu binden und Gemeinschaft entstehen zu lassen. So haben die Verbraucher die Möglichkeit, bei Quartalstreffen ihre Meinung einzubringen und über Investitionen und Anbaupläne mitzuentscheiden. Hofmitarbeit ist erwünscht, soll Transparenz und Vertrauen schaffen und zu einem regen Wissensaustausch beitragen. Wenn die Menschen wissen, wie viel Arbeit in artgerechter und ökologischer Landwirtschaft steckt, sind sie auch bereit, faire Preise zu zahlen - so die Hoffnung. Sie setzt auf einen Bewusstseinswandel bei den Ernteteilern. Um ihn herbeizuführen, versteht sich der Hof auch als einen Ort der Bildung, so dass Seminare und Exkursionen von Bürgern, Schülern und Studenten ein Teil des Hoflebens geworden sind. Ziel ist ein kontinuierlicher Zuwachs des Wissens über ökologisch und ökonomisch nachhaltige und solidarische Landwirtschaft.


Informationen unter:
http://buntekuh.in-chemnitz.de
www.solidarische-landwirtschaft.org

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014, Seite 23-25
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2014