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INTERNATIONAL/117: Puerto Rico - Biobauern wollen Agrarwirtschaft aus der Krise führen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Mai 2014

Puerto Rico: Blühende Landschaften - Biobauern wollen Agrarwirtschaft aus der Krise führen

von Carmelo Ruiz-Marrero


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Tillie Castellano

Bio-Obsthändler in der puertoricanischen Hauptstadt San Juan
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Tillie Castellano

San Juan, 26. Mai (IPS) - Der Agrarsektor in Puerto Rico steckt tief in der Krise. Vor 100 Jahren hatte er zu 71 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt dieses US-amerikanischen Außengebietes beigetragen. Inzwischen liegt der Anteil bei nur noch einem Prozent. Die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten ist von mehr als 260.000 Menschen im Jahr 1914 auf derzeit etwa 19.000 gesunken.

Wie die lokale Presse berichtet, gibt Puerto Rico rund drei Milliarden US-Dollar für Nahrungsmittelimporte aus. Initiativen von Bio-Bauern wollen diesen Trend nun umkehren und mehr Nahrung direkt vor Ort produzieren.

Nach Angaben der Agrarministerin Myrna Comas importiert Puerto Rico mehr als die Hälfte seiner Milchprodukte, etwa 70 Prozent seines Kaffees, rund 80 Prozent seines Fleisches und über 90 Prozent seiner Früchte. Zucker und Getreide werden überhaupt nicht auf der Insel angebaut. 76 Prozent aller Nahrungsmitteleinfuhren kommen aus den USA, wobei drei Viertel von Florida aus verschifft werden. Die durchschnittliche Transportstrecke beträgt etwa 2.100 Kilometer.

Comas zufolge kauft der Inselarchipel aus 57 weiteren Ländern Lebensmittel ein, etwa aus China (vier Prozent), Kanada (drei Prozent) und der Dominikanischen Republik (zwei Prozent). Weitere Nahrungsmittel kommen aus entfernten Ländern wie Kenia, Tansania, Vietnam, Thailand, Malaysia und Polen.


Lange Transportwege

Waren, die aus Asien nach Puerto Rico kommen, sind mehr als 16.000 Kilometer weit unterwegs. Die Beförderung kann bis zu 47 Tage dauern, weil sie an der Westküste der USA ausgeladen und auf dem Landweg bis zur Ostküste transportiert werden. Dort werden sie dann in Verteilungszentren sortiert und per Schiff an ihr Ziel gebracht.

Comas sieht ihre Aufgabe nun darin, die inländische Agrarproduktion zu steigern, um Puerto Rico weniger abhängig von Einfuhren zu machen. Die lokalen Biobauern werfen der Ministerin allerdings vor, dass sie das vorherrschende Modell der industriellen Landwirtschaft nicht in Frage stellt. Kritikern zufolge ist die Agroindustrie nicht in der Lage, die Ernährungssicherheit zu garantieren, sondern trägt mit ihren Agrarchemikalien zum Klimawandel bei und schädigt die Gesundheit von Landarbeitern und Verbrauchern.

Der im April 2008 in Johannesburg vorgestellte Weltagrarbericht IAASTD kommt zu dem Schluss, dass das vorherrschende Modell moderner Landwirtschaft die Öko- und Sozialsysteme der Erde und somit die Zukunft der Menschheit gefährdet. An dem Report waren mehr als 400 Wissenschaftler beteiligt.

"Die moderne Landwirtschaft, wie sie derzeit praktiziert wird, verschlingt unser Kapital. Sie beutet die Böden, unsere wichtigste natürliche Ressourcenquelle, aus. Sie ist nicht nachhaltig, weil sie viel fossile Energie und Kapital braucht", sagte der IAASTD-Co-Vorsitzende Hans Herren. Bei fortgesetzter Entwicklung würden sich die Ressourcen und die Lebensgrundlagen für kommende Generationen erschöpfen.


Kleinbäuerliche Landwirtschaft als Alternative

Der Report befürwortet als Alternative die nachhaltige kleinbäuerliche Landwirtschaft. Der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, und ein kürzlich verbreiteter Bericht der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Der puertoricanische Agrarwissenschaftler Ian C. Pagán leitet ein Projekt für ökologische Landwirtschaft in der Gemeinde Toa Alta. "Die alternative Agrarproduktion ist mythenumwoben", sagt der Experte für Bodensanierung. "Diese Mythen werden von multinationalen Konzernen verbreitet, die von Anbausystemen profitieren, die stark auf externe Ressourcen angewiesen sind", erklärt er. Dabei liege die Hälfte der globalen Agrarproduktion in den Händen von Kleinbauern, von denen die meisten ökologischen Anbau betrieben.

Auf Pagáns Farm werden unter anderem Tomaten, grüne Bohnen, Kopfsalat, Yautia-Knollen, Obst und Kohl geerntet. "Der ökologische Anbau hat außerdem den Vorteil, dass er sich dem Klimawandel besser anpassen kann und energieeffizienter ist", sagt Pagán. "Diese beiden Aspekte sind wichtiger denn je in einer Welt, die Umwelt- und Energiekrisen ausgesetzt ist."


Neue Vertriebswege

Die Biobauern in Puerto Rico nutzen innovative Wege, um ihre Erzeugnisse auf die lokalen Märkte zu bringen. Dazu zählt der lokale Einzelhändler 'El Departamento de Comida' ('die Nahrungsmittelabteilung') mit Sitz in Tras Talleres, einem Arbeiterviertel in San Juan. Die Umwandlung in eine Non-Profit-Organisation versucht El Departamento derzeit mit Hilfe von Crowdfunding zu bewerkstelligen.

"Wir wollen den ersten Umschlageplatz für ökologisch produzierte Lebensmittel in Puerto Rico schaffen", sagt Tara Rodriguez, die Eigentümerin von El Departamento. "Wir werden mit der gesamten Nahrungsproduktionskette zusammenarbeiten, die Verbraucher sensibilisieren und die Bauern unterstützen."

El Departamento bietet unter anderem Kürbisse, Avocados, Auberginen, Bananen, Tomaten, Gurken und Mandarinen an, außerdem Setzlinge, hausgemachte Marmelade, Brot und Seife. Wöchentlich werden Bio-Kisten an Restaurants und andere Käufer geliefert. "Wir machen den Verbrauchern klar, dass alles, was wir verkaufen, aus dem biologischem Anbau in der Region stammt", erklärt Rodriguez. "Und wir erklären ihnen, warum es so wichtig ist, den Bauern faire Preise zu zahlen." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/05/agroecology-movement-addresses-challenges-food-security/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2014