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LANDWIRTSCHAFT/1411: Ende der Impfung gegen das Blauzungenvirus (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Das Ende der Impfung
Die Pflichtimpfung gegen das Blauzungenvirus endete zum Jahreswechsel

Von Marcus Nürnberger


Noch im vergangenen Sommer kochten die Wogen hoch. Viele Bauern wollten sich nicht vom Friedrich-Löffler-Institut, der Bundesregierung und der EU bevormunden lassen. Eine verpflichtende Impfung aller Wiederkäuer gegen das Blauzungenvirus lehnten sie ab. Auf freiwilliger Basis, so die Forderung, sollte es jedem Tierhalter selbst überlassen bleiben, ob er seine Tiere impft oder nicht. Zum Ende des Jahres hat der Bundesrat jetzt ein Ende der Impfpflicht beschlossen: "Durch die Pflichtimpfung in den Jahren 2008 und 2009 konnte die Blauzungenkrankheit weitgehend zurückgedrängt werden. Das nunmehr erreichte Sicherheitsniveau erlaubt es, da zwischenzeitlich auch zugelassene Impfstoffe auf dem Markt sind, die Blauzungenimpfung primär in die Hände der Tierhalter zu geben", so die Begründung des Beschlusses. Die Empfehlungen des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) hingegen besagten, dass nur bei einer flächendeckenden Impfung über mehrere Jahre, bei der über 80 Prozent der Wiederkäuer geimpft würden, eine Chance bestünde, die Tierseuche auszurotten. Über 80 Prozent, das hieße alle wiederkäuenden Nutztiere müssten geimpft werden, da die wild lebenden Rehe, Hirschen usw. in jedem Fall für eine Impfung unerreichbar blieben. Ein zweiter Punkt sprach für die 80 Prozent. Nur in diesem Fall nämlich beteiligte sich die Europäische Union an den Impfkosten.


Erzwungene 80 Prozent Impfdichte

Auch aufgrund der bundesweit angedrohten Sanktionen von öffentlicher Seite lag die Impfquote im vergangenen Jahr nach Aussage des FLI bei über 80 Prozent. Bezahlt wurde dieses "Erfolgs"-Ergebnis unter anderem mit einem enormen Vertrauensverlust bei den Landwirten. Anfängliche Bedenken der Tierhalter wurden von Seiten der Veterinärämter ignoriert, das Auftreten von Nebenwirkungen als unbedenklich betrachtet. Veterinärmediziner Prof. Dr. Theo Mantel, Präsident des Bundestierärzteverbandes: "Die Häufigkeit der Impfkomplikationen lag vergleichbar wie bei allen anderen Impfungen, die wir durchgeführt haben: Bei der Häufigkeit von 1:30.000 oder 0,003 Prozent."

Viele Landwirte indes klagten über Komplikationen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung ihrer Tiere. Verkalbungen, Trächtigkeitsstörungen und Unfruchtbarkeit waren nur einige der von den Tierhaltern beobachteten Beeinträchtigungen. Den wissenschaftlich belastbaren Beweis über den Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung zu führen fällt den Praktikern schwer. Auch weil von offizieller Seite keinerlei Hilfestellung zu erwarten war. Unter den Bauern führte dies zu einer - regional unterschiedlich ausgeprägten - Solidarisierung und einem fachlichen Austausch. Die Interessengemeinschaft für Gesunde Tiere gründete sich. Unterdessen weigerte sich eine steigende Zahl von Bauern, ihre Tiere zu impfen. Die Veterinärämter drohten mit Bußgeldern und Zwangsimpfung. Konten wurden gesperrt und Bestände unter Polizeischutz geimpft. Das alles war im vergangenen Jahr. Sollte Teil einer langangelegten Ausrottungsstrategie sein. Diese endete jetzt mit dem Bundesratsbeschluss: Ein Gewinn der Tierhalter? Was die Selbstbestimmung angeht in jedem Fall, denn ab jetzt kann jeder Halter selbst entscheiden, ob er impft oder nicht. Das FLI sowie die Tierseuchenkassen gehen von einem deutlichen Rückgang der Impfquote aus. Schätzungen liegen bei 20 bis 40 Prozent der Betriebe. Verstärkt wird dies sicherlich durch die steigenden Impfkosten, da es in diesem Jahr keine zentrale Impfstoffbeschaffung geben wird, die im vergangenen Jahr zu niedrigen Preisen der Einzeldosen von 60 bis 70 Cent führte. Während die Tierarztkosten teilweise weiterhin von den Tierseuchenkassen bezuschusst werden, müssen die Impfstoffkosten zukünftig von den Landwirten getragen werden. Nicht abschließend geklärt ist, inwieweit die Tierhalter die Impfung selbst vornehmen können, wenn die Krankheit ihren Seuchenstatus verliert.

Erfreulich in diesem Zusammenhang ist, dass viele der Buß- und Zwangsgeldverfahren aus dem vergangenen Jahr zugunsten der Landwirte eingestellt werden. Näherer Informationen hierzu findet man auf den Seiten der Anwaltskanzlei Schneider und Collegen (www.schneider-collegen.de).


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2010