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LANDWIRTSCHAFT/1510: Industrielle Landwirtschaft und der Einsatz von Antibiotika (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 352 - Februar 2012,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Industrielle Landwirtschaft und der Einsatz von Antibiotika Überlegungen zur aktuellen Diskussion und der Berichterstattung in der Bauernstimme

von Onno Poppinga


Derzeit gibt es zwei aktuelle Untersuchungen zum Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung. Die Studien aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind in der letzten Ausgabe der Bauernstimme vorgestellt worden. Bei weiterführenden Überlegungen wird deutlich, dass die beiden Untersuchungen der Landesveterinärverwaltungen zwar Agrarunternehmen mit Masthähnchen (NRW), Masthähnchen, Puten, Mastschweinen und Mastkälbern (Niedersachsen) erfassen, jedoch keine Aussagen zu Legehennen gemacht werden!


Unsichere Datengrundlage

Auch muss die Art der Datenerfassung kritisch hinterfragt werden. In beiden Untersuchungen bilden die Abgabebelege, die die Agrarunternehmer selbst ausgefüllt haben, die Grundlage für die Untersuchungsergebnisse. Es mag gehofft werden, dass damit auch die tatsächlich vorgenommenen Behandlungen realitätsgerecht wiedergegeben werden. Es darf gehofft werden - wissen ist dagegen etwas anderes! Erst eine eigenständige Untersuchung der Schlachtkörper auf Antibiotikarückstände könnte tatsächlich Klarheit bringen.


Bio besser als konventionell?

Gänzlich unzureichend wird der Frage nachgegangen, ob es Unterschiede zwischen ökologisch und konventionell wirtschaftenden Agrarbetrieben gibt. Nur bei der NRW-Untersuchung wurde bei den Betrieben, die nach Selbstangabe keine Antibiotika eingesetzt hatten, danach gefragt. Ergebnis: Von den 18 Masthähnchenbetrieben, die nach eigenen Angaben keine Antibiotika eingesetzt hatten, waren 5 Biobetriebe. Wie viele Biobetriebe aber insgesamt in die Untersuchung einbezogen waren, bleibt unerwähnt. Überhaupt kein Thema war die Frage, ob es Zusammenhänge gibt zwischen Bestandsgrößen und Behandlung mit Antibiotika. In der Niedersachsen-Untersuchung wird zwar mitgeteilt, wie groß für die jeweilige Tierart der durchschnittliche Tierbestand war, es werden auch die kleinste und die größte Bestandsgröße genannt, das war's denn aber auch schon.


Größe ohne Bedeutung

Um so erstaunlicher ist es deshalb, dass bei der Vorstellung der Niedersachsenstudie sowohl der Landwirtschaftsminister (Herr Lindemann) wie auch der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion (Herr Priestmeier) übereinstimmend behaupten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Größe der Tierbestände und dem Antibiotikaeinsatz! (nach: Landw. Wochenblatt Westfalen-Lippe, 49/2011, S. 13). Diese vorauseilende Beschwörung von etwas, was gar nicht untersucht worden ist, darf als Hinweis darauf gedeutet werden, wie sehr sich diese beiden bewährten Fürsprecher der Agrarindustrie vor dem Nachweis eines solchen Zusammenhangs zu fürchten scheinen.


Strukturelle Ursachen

Ganz anders dagegen die Stellungnahme des Präsidenten des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR), Prof. Andreas Hensel. In einem Beitrag des Nachrichtendienstes Agra-Europe weist er auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Strukturentwicklung in der Nutztierhaltung und wachsenden Hygieneproblemen hin. Neben der Bestandsgröße und den Tiergruppen in den Beständen geht er davon aus, dass auch die regionale Tierdichte von Bedeutung ist. Sie würde eine geänderte Infektionsdynamik bei den Erregern bewirken. Er forderte eine genaue Prüfung dieser wahrscheinlichen Zusammenhänge und (zumindest) eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes.


Ein etabliertes System

Im Untertitel des Beitrags zum Antibiotikaeinsatz in der Bauernstimme (1/12, S. 3) heißt es: "Ohne Antibiotika ist industrielle Tierhaltung nicht möglich". Ich befürchte, hier ist der Wunsch der Vater des Gedankens. Die industrielle Tierhaltung sitzt so fest im Sattel, dass schon Einiges mehr kommen muss als ein Verbot des regelmäßigen Antibiotikaeinsatzes! Ohne Antibiotika dürfte industrielle Tierhaltung sicher um einiges schwieriger sein - unmöglich ist sie keineswegs. Weil das so ist, dürfte es leider auch unbegründet sein zu hoffen, dass allein über die Forderung nach einem Verzicht des Antibiotikaeinsatzes eine vertretbare Form der Tierhaltung zu erreichen ist. Dazu gehört viel, viel mehr.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 352 - Februar 2012, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2012