Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

LANDWIRTSCHAFT/1602: Milchkuhhaltung - Es geht auch ohne Soja (PROVIEH)


PROVIEH Ausgabe 01/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Es geht auch ohne Soja
Weidegang und einheimische Leguminosen rechnen sich in der Milchkuhhaltung

von Susanne Aigner



Soja gilt als hochwertiges und eiweißreiches Kraftfutter. Die ökologischen Folgekosten bleiben in den meisten Futtermittelbilanzen jedoch unberücksichtigt. Dabei kann Tierfütterung mit einheimischen Leguminosen gekoppelt mit Weidegang wirtschaftlich sinnvoll sein.

In Deutschland gibt es rund fünf Millionen Milchkühe. Die meisten von ihnen stehen das ganze Jahr über in Ställen auf Beton- und Spaltenböden. Sie bekommen Kraftfutter, das fast immer eiweißhaltiges Sojaschrot enthält. Der Sojaanbau, für den der Amazonas-Urwald auf riesigen Flächen vernichtet wird, und der Import gigantischer Sojamengen hinterlassen eine katastrophale Ökobilanz mit unabsehbaren Folgen für Mensch und Natur.

Viele Futterbeispiele zeigen, dass der Eiweißbedarf der Milchkühe auch anders als mit Soja gedeckt werden kann. Zum Beispiel deckt eine Tagesration mit 54 Kilogramm Rotklee, 2 Kilogramm Wiesenheu und 150 Gramm Mineralfutter den Rohproteinbedarf einer Kuh mit einer Jahresmilchleistung von rund 7.300 Kilogramm. Alternative hochwertige Eiweißquellen sind Bierhefe und -treber (fallen bei der Bierherstellung an), Rapsextraktionsschrot (fällt bei der Rapsölgewinnung an), Grünmehl (getrocknetes und gepresstes Gras, Klee, Luzerne), und - besonders wichtig - auch heimische Leguminosen (Hülsenfrüchtlern oder Schmetterlingsblütlern) wie Erbse, Bohne, Luzerne, Lupine, Klee, Esparsette, Linse und Wicke.

Ein Argument gegen den hiesigen Anbau von Hülsenfrüchtlern war lange Zeit, Witterung, Krankheiten oder Schädlingsbefall würden die Ernteerträge stark beeinflussen. Doch leiden die südamerikanischen Sojafelder nicht weniger unter Wetterextremen: Wegen globaler Ernteausfälle war der Soja-Preis im Sommer 2012 stark gestiegen, und in Brasilien breiten sich immer mehr Schädlinge aus, gegen die selbst massiver Pestizideinsatz kaum noch hilft. Der Eigenanbau von Leguminosen ist also attraktiv, und das aus verschiedenen Gründen: Die Leguminosen produzieren mit Hilfe ihrer symbiotischen Bakterien Dünger aus Luftstickstoff, durchwurzeln tief den Boden, fördern die Bodengare (den optimalen Zustand des Bodens) und das Bodenleben, und ihre Blüten ziehen bestäubende Insekten an. All das ist gut für die Umwelt.


Weidekühe haben bessere Bilanzen

In einer Schweizer Studie wurden von 2008 bis 2011 die Wirtschafts- und Ökobilanzen verschiedener Formen der Milchproduktion untersucht. Getestet wurden eine Kuhherde mit Tag- und Nacht-Weidegang sowie eine Herde mit Stallhaltung und nur drei Stunden täglichem Weidegang. Jeder Herde standen 13 Hektar zur Verfügung. Es wurden Leistungen, Wirtschaftlichkeit und Öko-Bilanzen beider Herden miteinander verglichen.

Bei der Stallherde lag die jährliche Milchleistung bei 9.500 Kilogramm, bei der Weideherde bei rund 6.000 Kilogramm. Doch mit 1.100 Kilogramm Soja-Kraftfutter je Kuh und Laktation verbrauchte die Stallherde nahezu viermal so viel wie die Weideherde (290 Kilogramm je Kuh und Laktation), die Kraftfutter nur im Winter (Januar bis März im Stall) bekam. Die saisonale Vollweide mit Tag- und Nacht-Weidegang erwies sich aus drei Gründen als wirtschaftlich rentabler als die Stallhaltung: Erstens wurden immense Kosten an Soja eingespart. Zweitens wirkte sich die Weidehaltung positiv auf die Fruchtbarkeit aus, denn die Weidekühe bekamen mehr Kälber als die Stallkühe, was zu einem Mehr an Verkaufserlösen führte. Drittens waren die Weidekühe gesünder als die Stallkühe, was Tierarztkosten einsparte.

Bei der Weidehaltung war die Milchleistung naturgemäß schwankend: Von März bis Juli, in der Zeit des höchsten Graswuchses, gaben die Weidekühe signifikant mehr Milch als die Stallkühe, in den anderen Monaten weniger. Allein von Mitte April bis Anfang Juni wächst auf einem Hektar Wirtschaftsweide täglich so viel Pflanzenmasse, dass sie getrocknet um die 95 Kilogramm wiegt. Bei einem täglichen Bedarf von 18 Kilogramm Trockenmasse je Kuh, werden im Sommer also rund fünf Kühe je Hektar Wirtschaftsweide satt.

Für jede Herde wurde auch eine Ökobilanz erstellt: Für das Futter der Stallherde wurden jenseits des Atlantiks mehr Wald abgeholzt, mehr fossile Energie verbraucht und mehr Pestizide eingesetzt als für die Weideherde. Im Gegenzug hatte die Weideherde einen höheren Flächenbedarf, wodurch aber gleichzeitig Gülleprobleme vermieden wurden. Weidehaltung ist also nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch sinnvoller als Stallhaltung.

Für die Weidehaltung besonders gut geeignet sind robuste Rinderrassen, die an ihre Verbreitungsgebiete im Mittelgebirge oder im Tiefland angepasst sind und allein aus Gras und Heu beachtliche Milchleistungen erzielen. Auf der Weide fressen die Tiere schmackhafte Gräser und Kräuter, weshalb ihre Milch auch mehr hochwertige Inhaltsstoffe enthält.

Unterstützen wir also die artgerechte Weidehaltung, indem wir nur Produkte von Rindern kaufen, die garantiert auf die Weide gehen.

*

Quelle:
PROVIEH Ausgabe 01/2014, Seite 32-33
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Tel.: 0431/248 28-0, Fax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2014