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LANDWIRTSCHAFT/1664: Auf fruchtbaren Boden - eine Kooperations-Solawi entsteht (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Auf fruchtbaren Boden
Eine Kooperations-Solawi entsteht

Von Stephanie Wild - Netzwerk Solidarische Landwirtschaft


Drei Höfe, eine Bäckerei und eine Gruppe von Verbrauchern. Ab Oktober beginnen sie ihr erstes Jahr: die Solawi Schinkeler Höfe in der Nähe von Kiel. Nicht ganz ein Jahr ist vergangen, seitdem sich die erste Gruppe, bestehend aus fünf bis sechs Verbrauchern, zum ersten Mal getroffen hat, um für Kiel eine Solidarische Landwirtschaft (Solawi) ins Leben zu rufen.

Die Gründungsgruppe veranstaltete einen Infoabend, um weitere Mitstreiter für die Idee zu begeistern und recherchierte nach Biohöfen in der Umgebung. In der Ökoregion Schinkel, 18 km westlich von Kiel, wurden sie fündig. Dort erhielten alle potentiellen Erzeuger eine Einladung zum Bauernfrühstück, bei dem von erfahrenen Solawi-Höfen berichtet wurde, Fragen gestellt und Zweifel beseitigt werden konnten.

Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass die Initiative auf Betriebe traf, die schon seit fast 30 Jahren miteinander kooperieren.

Vier Betriebe

Der Wurzelhof von Dieter Pansegrau baut auf 10 ha eine große Vielzahl an verschiedenen Gemüsen im Freiland und unter Folie an. Ganz besonders Wert wird dort auf den Erhalt und den Aufbau der Bodenfruchtbarkeit gelegt. Der Gründung dieses Betriebes liegt selbst ein solidarischer Akt zu Grunde: Zu Beginn erwarben 30 Einzelpersonen gemeinsam als GbR die ersten Flächen und schrieben die ökologische Nutzung fest. Der Milchviehbetrieb Rzehak mit 50 Kühen erzeugt Vorzugsmilch und Fleisch. Er steht gerade vor der Hofübergabe. Der Junior greift die Idee der Solawi gerne auf, da er darin die Möglichkeit sieht, die Qualität seiner Erzeugnisse beizubehalten, den Kühen wieder ihre Hörner zurückzugeben und trotzdem den Betrieb weiterführen zu können. Auch die 200 Milchziegen vom Hof Mevs sind jetzt Teil der Solawi. Familie Zastrow, die den Hof schon in der zehnten Generation betreibt, sah sich zuvor mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit konfrontiert, den Tierbestand aufstocken zu müssen. Nun bauen sie für die Solawi-Mitglieder Getreide und Kartoffeln an und haben sich ein Hühnermobil angeschafft. Diese Diversifizierung kommt ihren Vorstellungen der Betriebsentwicklung viel mehr entgegen als eine Aufstockung der Tierzahl.

Neu für das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft ist die Einbindung eines Verarbeiters. Die Bäckerei "Kornkraft" von Dieter Schleiger verarbeitet seit 27 Jahren das Getreide von Hof Mevs. Ein erhoffter Nebeneffekt der Solawi ist die Erleichterung der Arbeitsbedingungen, da nicht mehr nachts gebacken werden müsste. Allen vier Betrieben ist gemeinsam, dass sie in räumlicher Nähe zueinander stehen, schon lange miteinander kooperieren, aber bisher wirtschaftlich eigene Wege gegangen sind. In Zukunft erhalten die Mitglieder der Solawi Schinkeler Höfe von ihnen Gemüse, Brot und Kuchen, aber auch Eier, Fleisch, Wurst, Milch und Quark von Kuh und Ziege.

In privat organisierten Depots in Kiel, in Eckernförde und in Schinkel können sich die Mitglieder ihren Anteil an den Lebensmitteln abholen. Um den Kontakt mit den LandwirtInnen zu intensivieren, sind verschiedene Veranstaltungen, u. a. auch Ernteeinsätze auf den Höfen, geplant. Jetzt geht es ins Aufbau- und Probejahr für diese Form einer Kooperation von verschiedenen Betrieben und ihren Mitgliedern, die das Potential hat, sich bis auf 300 Haushalte zu vergrößern. Die erste Kartoffelernte wurde schon gemeinsam eingebracht. Im ersten Jahr fließt nur ein kleiner Teil der Erzeugnisse der Betriebe in die Solawi. So möchte man erste Erfahrungen sammeln, sich besser kennen lernen und darauf aufbauend wachsen und wenn möglich irgendwann nur noch für die "Mit-Bauern" produzieren.

Ein Zukunftsmodell?

Wenn die Solawi-Idee sich weiter ausbreiten soll, wenn auch mehr spezialisierte Betriebe "solidarisch" werden möchten, wird dieses Modell einer Kooperations-Solawi Schule machen. Jeder macht, was er gut kann, was der Boden und die Bedingungen anbieten und Verarbeiter kommen mit ins Boot. Das erhöht die Zahl der Menschen, die über Solawi ernährt werden können und es trägt zu einer größeren Vielfalt der Nahrungsmittel bei, so dass immer weniger dazugekauft werden muss.

Doch wie ist es dann mit der Verbindung der Mit-Bauern zu "ihrem" Hof, was ist mit dem Bild einer möglichst vielfältigen, dadurch ganzheitlichen Landwirtschaft, dem "Hoforganismus", bei dem alle "Organe" - Pflanze-Tier-Mensch - zur Gesundheit des Ganzen beitragen? Wie errechnen sich die Betriebskosten und die Beiträge, wie ist es mit der Solidarität untereinander bestellt, die meist auf dem regelmäßigen persönlichen Austausch beruht? Ab wann wird eine Kooperations-Solawi zu groß und anonym, als dass Mit-Bauern noch mitarbeiten könnten oder wollten?

Entwicklungsarbeit

Viele Fragen, die sich zum Teil auch die Solawi Schinkel stellt und denen das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft auch auf seiner nächsten Herbsttagung nachgehen wird. Zum einen die Frage nach dem "gemeinsamen Grund", also dem Selbstverständnis von Solawi, zum anderen, wie kann dieses durch Entwicklung, Veränderungs- und Anpassungsprozesse beibehalten werden? Was ist unsere gemeinsame Idee von Solawi als Bauer und Bäuerin und als Mit-Bauern? Was ist noch eine Solawi und was "nur" eine Abokiste ohne direkten Bezug zwischen den Teilnehmern und zu den Betriebskosten? Wo wird noch Verantwortung mitgetragen? Wie entwickeln sich Solawis mit den Jahren, welchen Kontakt und Austausch braucht es, oder gibt es einen "Reife-Prozess"? Irgendwann wird es dann vielleicht normal sein, "Ernte" zu verteilen bzw. sich seinen Anteil an Lebensmitteln abzuholen, nach dem Motto: Einkaufen war gestern!


Die diesjährige Herbsttagung des Netzwerks wird vom 12.-15. November bei Kassel stattfinden. Die Anmeldung dafür ist ab jetzt über www.solidarische-landwirtschaft.org möglich. Mehr Informationen über die Solawi Schinkler Höfe unter www.schinkeler-hoefe.de

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2015

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