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MARKT/1781: Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels führt zu uniformem Angebot (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 5. Juli 2010

Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels führt zu uniformem Angebot

Heftige Kritik bei Anhörung im Bundestag


Die Marktmacht der Discounter wird in Deutschland für einen extremen Verdrängungswettbewerb zwischen den fünf großen des Lebensmitteleinzelhandels genutzt. Die zahlreichen Preissenkungsrunden und deren Kommunikation bewiesen dies nachhaltig. Dabei sind die Bauern mit ihren Marktpartnern im Grunde nur noch Kanonenfutter. Mit dieser drastischen Formulierung beschrieb der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Helmut Born, die alarmierende Entwicklung auf einer Anhörung des Bundestagsauschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Angebots- und Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels. Born forderte den Bundestag auf, ähnlich wie auf europäischer Ebene einmal alle Regeln des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung daraufhin zu überprüfen, ob faire Praktiken in der gesamten Produktionskette für Lebensmittel gesichert seien oder einseitige Vorteile beständen. Marktbeherrschende Fusionen im Lebensmitteleinzelhandel sollten künftig besser unterbunden werden, die Schaffung von Entflechtungsmöglichkeiten ernsthafter angegangen werden, schlug Born vor. Das Verbot des Verkaufes unter Einstandspreis gehe schon in die richtige Richtung, deshalb sei die Befristung des Gesetzes bis 2012 aufzuheben. Der Einstandspreis müsse auch die Gestehungskosten in der Urproduktion, also der Landwirtschaft, berücksichtigen sowie von nachdrücklicher Preisdrückerei durch Werbekostenzuschüsse, Hochzeitsrabatte und ähnlichem im Lebensmitteleinzelhandel freigehalten werden.

Die deutschen Bauern hätten in den vergangenen 15 Jahren gelernt, mit offenen Märkten umzugehen, betonte Born. Mit den unmittelbaren Marktpartnern, wie den Mühlen, den Molkereien, der Fleischwarenwirtschaft habe man zukunftsfähige Strategien umgesetzt. Dies zahle sich bei den Auslandsmärkten auch aus, die sich gegenwärtig für Lebensmittelexporte sehr erfolgreich entwickelten. "Das kann aber nicht bedeuten, dass wir auf dem Heimmarkt einen Steinzeitkapitalismus praktizieren, der jegliche Werthaltigkeit unseres Tuns vernichtet", kritisierte Born.

Vordergründig sorge der Lebensmitteleinzelhandel zwar für niedrige Verbraucherpreise, im vergangenen Jahr sogar mit deflatorischer Wirkung für die gesamte Branche. Dies verleite manchen dazu, dies gesamtwirtschaftlich als positiv anzusehen, weil schließlich durch den Druck auf die Nahrungsmittelpreise Kaufkraft erzeugt werde. Tatsächlich habe diese Entwicklung jedoch verheerende Konsequenzen, betonte Born. Die extreme Dominanz von wenigen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels führe zu immer stromlinienförmigeren Angeboten der Ernährungsindustrie. Vielfalt und Qualität, die oftmals über kleine Chargen und Regionalität abgesichert seien, hätten an den Ladentheken nur noch selten Bedeutung, etwa bei politisch unterstützten Werbewochen für kulinarische Reisen in die Region. Die Mehrheit der Bevölkerung kaufe jedoch am Freitag und Samstag für die kommende Woche ein und müsse aus einem austauschbaren Angebot an Lebensmitteln auswählen.

Dieses anzuprangern bringe zwar noch eine gewisse Medienaufmerksamkeit, ändere aber faktisch nichts. Der DBV habe beispielsweise bei einer der Preissenkungsrunden im vergangenen Jahr dem Kartellamt exakt mitgeteilt, wann der Abschluss durch Aldi Nord bei bestimmten Milchprodukten getätigt wurde und wie am nächsten Tag sämtliche Wettbewerber wortgleich in Anzeigen dieses Ergebnis bewarben. Das Kartellamt sei jedoch nicht eingeschritten, sondern habe den Abschluss als ein "völlig transparentes Verfahren im Lebensmitteleinzelhandel" dargestellt. Damit habe das Kartellamt eine zu hohe Markttransparenz auf der Erzeuger- und Molkereiebene als Erfolgsstory des Lebensmitteleinzelhandels ausgemacht, kritisierte Born. Wenn selbst der Vorstandssprecher von Rewe den Discount als "Krankheit des Lebensmitteleinzelhandels" bezeichne, sei wohl die höchste Alarmstufe ausgelöst.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 5. Juli 2010
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2010