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MARKT/1790: Molkereien bündeln ihr Geschäft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 335 - Juli/August 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Molkereien bündeln ihr Geschäft
Nordmilch und Humana verarbeiten ein Viertel der deutschen Milch.
Fusionen auch in Frankreich und Österreich

Von Ulrich Jasper


In der Molkereiwirtschaft mehrerer europäischer Länder rücken große Molkereien zusammen. In Deutschland wollen die Nordmilch AG (Bremen) und die Humana Milchindustrie GmbH (Everswinkel/NRW) zum 1. Januar 2011 fusionieren. Zusammen kommen die Unternehmen dann nach eigenen Angaben auf eine Verarbeitung von 6,6 Mio. Tonnen Milch, was 23 Prozent der Milchanlieferungen an alle deutschen Molkereien entspricht. Den gemeinsamen Umsatz, der mit zusammen 5.000 Beschäftigten in 22 Werken erzielt wird, beziffern die Unternehmen mit rund 4 Mrd. Euro. Beide Unternehmen sind selbst keine Genossenschaften, sondern aus Genossenschaften hervorgegangen. Bei der Nordmilch Aktiensgesellschaft ist die Nordmilch eG (7.000 Mitglieder) der Haupt-Gesellschafter; bei der Humana Milchindustrie GmbH sind es mittlerweile noch zwei Genossenschaften (Humana Milchunion eG mit 8.255 Mitgliedern und die Molkereigenossenschaft Bad Bibra eG). Diese Genossenschaften haben das so genannte operative Geschäft, also alles, was mit Verarbeitung der Milch, Lagerung, Logistik und Verkauf der Waren zu tun hat, an die übergeordneten Gesellschaften abgegeben.

Eine Fusion der Genossenschaften ist noch nicht geplant, sondern nur die Fusion der übergeordneten Gesellschaften. Dr. Josef Schwaiger, Vorstandsvorsitzender der Nordmilch AG, sagte gegenüber der Lebensmittel-Zeitung, dass eine Fusion der Genossenschaften zwar denkbar und möglich sei, aber viel mehr Klärungs- und Handlungsbedarf hervorrufe als die Fusion nur des operativen Geschäfts. Über diese Fusion sollen außerordentliche Vertreterversammlungen der "Muttergenossenschaften" im Herbst abstimmen. Von nennenswertem Widerstand gegen die Pläne der Molkereispitzen ist bislang nichts zu hören. Die Nordmilch betont derzeit, dass ihr durchschnittlicher Auszahlungspreis 2009 um 0,34 Ct/kg über dem Durchschnitt "norddeutscher Nachbarmolkereien" liegt. Sie beziffert ihre Auszahlungsleistung mit 22,88 Ct/kg, allerdings inklusive Staffelzuschlag für 500.000 kg und Dividende von 4 Prozent des Geschäftsguthabens. Das war also deutlich schlechter als der Auszahlungspreis der Humana mit 24,37 Ct/kg (alles bei 3,7 % Fett, 3,4 % Eiweiß). Seit November 2009 zahlen beide nun gleich viel aus.


Zweiter Anlauf

Im Jahr 2004 platzten Fusions-Verhandlungen zwischen Nordmilch und Humana. Nun soll es klappen. Beide können bereits auf einer intensiven Zusammenarbeit aufbauen. Nordmilch AG und Humana Milchindustrie GmbH (HMI) betreiben nicht nur ein großes Werk in Altentreptow zusammen (wheyco GmbH), sondern haben im Juni 2009 auch die gemeinsame Vertriebsgesellschaft "Nord-Contor Milch GmbH" gegründet. Mit der Fusion sollen laut Nordmilch-Chef Schwaiger Kosten- und Marktsynergien freigesetzt werden. "Wir erreichen eine bessere finanzielle Ausgangslage", sagte er, ohne Zahlen zu nennen. Gravierende Änderungen an Werken und Mitarbeiterzahlen seien in den nächsten zwei Jahren jedenfalls nicht geplant. Vorgenommen haben sich die Unternehmen aber die Erschließung neuer Märkte insbesondere im Ausland, mit eigenen Niederlassungen und Vertrieb. Das wirke zwar nicht in zwei bis drei Jahren und koste auch erst einmal viel Geld, langfristig sei dies aber der richtige Weg, um die steigende Nachfrage beispielsweise in Asien zu bedienen, zitiert die Lebensmittel-Zeitung den Nordmilch-Chef.


Frankreich

In Frankreich hat die größte Genossenschaftsmolkerei, Sodiaal, gerade die Übernahme der mächtig angeschlagenen Privatmolkerei Entremont Alliance in trockene Tücher gebracht und wird zusammen rund 5 Mio. Tonnen und damit rund 20 Prozent der französischen Milch verarbeiten (geplanter Jahresumsatz: 4 bis 5 Mrd. Euro). Kurz nach dieser sehr langwierigen und schwierigen Einigung kündigten die zwei anderen Genossenschaften, Eurial und Le Glac aus Westfrankreich ihre Fusion für 2011 an. Daraus entstünde dann - mit immer noch weitem Abstand zu Sodiaal - die Nummer zwei der französischen "Milch-Kooperativen" mit 1,6 Mio. Tonnen Kuhmilchverabeitung (+ 0,3 Mio. t Ziegenmilch). Marktführer in Frankreich ist die Privatmolkerei Lactalis (Gesamt-Verarbeitung 9 Mio. t), die Anfang des Jahres die Übernahme von zwei spanischen Milchverarbeitern vollzogen bzw. angekündigt hat und damit in Spanien nach Danone zum zweitgrößten Molkereikonzern würde.


Österreich

Für viel Wirbel haben in Österreich Fusionspläne der Spitzen von Berglandmilch und der angeschlagenen Tirol Milch gesorgt. Beides sind Genossenschaften, wobei die Berglandmilch mit rund 12.000 Milchlieferanten die größte Molkerei im Alpenland ist, die Tirol Milch mit 4.100 Lieferanten die Nummer 4. Zusammen würden sie mit 1,2 Mio. Tonnen 45 Prozent der österreichischen Milch verarbeiten. Die Pläne stoßen aber schon innerhalb der Tirol Milch auf Widerstand. Der Vorstand ist dafür, aber der Geschäftsführer ist dagegen und musste vorübergehend schon in den verordneten Urlaub gehen. Die Unruhe macht sich die zweitgrößte Molkerei Österreichs, die NÖM AG, Tochterunternehmen einer Genossenschaft, zunutze und hat über die Medien Interesse an einer Zusammenarbeit mit Tirol Milch bekundet. Der Tirol Milch-Vorstand wies das Angebot ebenfalls über die Medien umgehend zurück. Wie auch immer das ausgeht, Ernst Halbmayr von der österreichischen Milchbauern-Organisation IG Milch sieht die Fusionspläne sehr kritisch. Wenn eine Molkerei über 40 Prozent des Marktes beherrsche, sei das für den freien Markt katastrophal.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 335 - Juli/August 2010, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2010