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MARKT/1903: USA - Wie Haferbrei zur Kalorienbombe wird, die Tricks der Fastfood-Konzerne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2012

USA: Wie Haferbrei zur Kalorienbombe wird - Die Tricks der Fastfood-Konzerne

von Elizabeth Whitman


New York, 9. Januar (IPS) - Als McDonald's vor einem Jahr bekanntgab, in allen US-Filialen Haferbrei auf seine Speisekarte zu setzen, warb der Buletten-Brater damit, seinen Kunden ein "preiswertes und ausgewogenes" Frühstück zum Mitnehmen anzubieten. Die Gäste sollten auf diese Weise animiert werden, mehr Vollkorngetreide und Obst zu essen, hieß es.

Doch die Wahrheit sieht anders aus. Eine normale Portion Haferbrei (253 Gramm) enthält lediglich ein Gramm Zucker. Bei McDonald's bringt es eine Portion Haferbrei mit Früchten und Ahornsirup auf 18 Gramm, mit braunem Zucker sogar auf 32 Gramm.

"Warum macht McDonald's aus gesundem Haferbrei teures Junkfood?" fragte sich Mark Bittman, ein Kolumnist der 'New York Times'. Der Haferbrei der Burgerkette beinhalte mehr Zucker als ein Snickers-Riegel und habe nur zehn Kalorien weniger als ein Cheeseburger oder ein 'Egg Muffin'.

Kritikern zufolge haben große Unternehmen eine Menge Tricks auf Lager, wenn es darum geht, ihre Erzeugnisse an die Verbraucher zu bringen. Im vergangenen Juni befuhr ein Nestlé-Supermarktschiff den Amazonas, um neue Kunden zu gewinnen, die bislang keinen Zugang zu den Fertigprodukten der Schweizer Firma hatten.

Auch wenn die Verbraucher zunächst nicht viel für die Erzeugnisse hinblättern müssten, die Kosten entstehen zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Folgen der ungesunden Ernährung medizinisch behandelt und die Umweltschäden beseitigt werden müssten, warnte Bittman.

Ernährungsexperten in den USA kritisieren nicht nur die aggressiven Marketingstrategien von Konzernen, sondern auch die Regierung, die den Unternehmen keine Grenzen setze. Dabei gehen die Krankheitskontrollzentren des Landes davon aus, dass 33,8 Prozent aller Erwachsenen in den USA übergewichtig sind.

Als übergewichtig gelten alle Personen, deren Körpermaßindex höher liegt als 30. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden bis 2015 etwa 2,3 Milliarden Menschen zu dick sein. Bewegungsarmut sowie eine fett- und zuckerreiche Ernährung werden für verschiedene Gesundheitsbeschwerden wie Herzkrankheiten, Diabetes vom Typ 2 und einige Krebsformen verantwortlich gemacht.

Im vergangenen Dezember trat in San Francisco ein Gesetz in Kraft, das Herstellern von Kindernahrungsmitteln, die ihren Produkten Spielzeuge beifügen, die Einhaltung von Nährwertstandards abverlangt.

Nach Angaben der unabhängigen Organisation 'Corporate Accountability International' drohte McDonald's der Stadt San Francisco vor der Verabschiedung des Gesetzes mit einer Klage. Seit Inkrafttreten der neuen Regelungen werden die Spielwaren, die bisher kostenlos mit den 'Happy Meals' abgegeben wurden, für jeweils zehn US-Cent verkauft.


Zahl neuer Fastfood-Lokale im Süden von Los Angeles begrenzt

"Das Gesetz hatte dennoch eine enorme Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit, bevor es eingeführt wurde", berichtete Sara Deon, Leiterin der Kampagne 'Value (the) Meal'. Im Süden von Los Angeles trat ein Moratorium in Kraft, das die Eröffnung neuer Fast-Food-Lokale begrenzt. Die Kette 'Jack-in-the-box' bietet inzwischen gar kein Spielzeug mehr an.

Auch wenn Verbote die Zusammensetzung der Gerichte nicht beeinflussen, können sie durchaus das Kaufverhalten der Kunden beeinflussen. "Durch aggressives Marketing erzeugen große Unternehmen für ihre Produkte eine hohe Nachfrage", warnte Deon. Wenn kein Spielzeug mehr angeboten werde, sinke zumindest der Einfluss auf die Kinder.

2007 gab McDonald's schätzungsweise 1,74 Milliarden Dollar weltweit für Werbemaßnahmen aus, wie aus einem Bericht der Organisation 'Consumers International' hervorgeht. 'Yum Brands', der Mutterkonzern von 'Taco Bell', 'Pizza Hut' und 'Kentucky Fried Chicken', steckte 1,23 Milliarden Dollar in Werbung.

Der Gesundheitsaktivistin Michele Simon zufolge können die US-Bundesbehörden Einfluss auf das Konsumverhalten und die Informationen über Ernährung nehmen, die den Bürgern zugänglich würden. In ihrem Blog hob sie hervor, dass der Staat schließlich Standards vorgebe, Ernährungsberatungen anbiete und die Landwirtschaft subventioniere. Die Lobbyisten der mächtigen Industriekonzerne setzten jedoch gezielt Volksvertreter unter Druck, die aus Gebieten stammten, deren Bewohner mehrheitlich für Nahrungsunternehmen arbeiteten, kritisierte Simon.


Gesetzgeber wird mangelnder Wille vorgeworfen

Viele Aktivisten haben Zweifel daran, dass der Gesetzgeber tatsächlich daran interessiert ist, den Menschen Zugang zu gesunden und zugleich erschwinglichen Lebensmitteln zu geben. Schuld daran seien Interessenskonflikte, denn der Schutz der Industrie habe meist höhere Priorität als der der Bürger, bemängeln sie.

Der Energie- und Handelsausschuss des US-Repräsentantenhauses beschwerte sich im vergangenen Frühjahr bei der Ressortübergreifenden Arbeitsgruppe (IWG), die Empfehlungen für den Nährwertgehalt von Nahrungsmitteln für Kinder und Teenager ausgearbeitet hatte. In einem Schreiben an die IWG, der unter anderem die US-Bundeskommission für Handel und die Lebensmittelaufsichtsbehörde angehören, erklärte der Ausschuss, Fettleibigkeit bei Kindern sei vor allem auf mangelnde Bewegung und eine zu hohe Kalorienaufnahme zurückzuführen. Die Werbestrategien der Industrie hätten damit weniger zu tun. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://nutrition.mcdonalds.com/getnutrition/nutritionfacts.pdf
http://www.cdc.gov/
http://www.who.int/en/
http://www.stopcorporateabuse.org/
http://www.stopcorporateabuse.org/value-meal
http://www.ftc.gov/os/2011/04/110428foodmarketproposedguide.pdf
http://republicans.energycommerce.house.gov/Media/file/Letters/112th/091211IWG.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106298

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2012