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MARKT/2097: Bio ist nicht gleich Bio und zu billig (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 385 - Februar 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bio ist nicht gleich Bio und zu billig
Sinkende Erzeugerpreise in einem wachsenden Markt setzen Bauern unter Druck

Von Claudia Schiefelbein


Manchmal sind die Wahrheiten so simpel wie zeitlos. "Die Preise müssen rauf", konstatierte Alexander Beck von der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL) auf der Wintertagung der DLG zu den Zukunftsaussichten für den Ökolandbau. Er skizzierte die eigentlich auch längst bekannte Situation eines seit Jahren wachsenden Marktes für Ökolebensmittel und die Stagnation im Bereich mindestens der deutschen Ökoerzeugung. Die Lebensmittelverarbeiter stünden zunehmend vor der Frage, wo sie ihre Rohstoffe her kriegten und auch die, die jahrelang "um den Kirchturm herum gekauft" hätten, sähen sich mit meist billigerer Importware konfrontiert. "Da zuckt der Geschäftsführer ein paarmal" und dann greife er zu, so Beck. Die Rohstoffe seien knapp, die Gewinnspannen hoch und "der Mensch ist, wie er ist". Und "wider der ökonomischen Vernunft" habe es die Branche auch noch mit einem Absinken der Preise in den Regalen zu tun, das die Erzeugerpreise gleichfalls nach unten ziehe. Konsterniert beschreibt er den Einstieg für Verarbeiter in den Ökomarkt als zu einfach. So kontrolliert und getrennt die ökologische Landwirtschaft sei, so durchmischt und wenig reguliert sei die Lebensmittelverarbeitung. 95% der Verarbeiter seien Gemischtbetriebe, viele in Goldgräberstimmung ob des wachsenden Marktes. Da seien dann auch Unternehmen dabei, die kauften Ware, von denen man besser die Finger ließe, so entstünden die Skandale, die der ganzen Branche schadeten.

Vom Spreewald nach China

Die Inhalte des Ökolandbaus würden nicht mehr hinreichend transportiert, so Beck. Die Markenführerschaft sei dem Lebensmitteleinzelhandel überlassen, der Eigenmarkenpflege, für die er jeweils beim billigsten Anbieter einkaufe. Bio sei aber nicht gleich Bio. "Ökobuchweizen kam noch vor nicht allzu langer Zeit aus dem Spreewald, dann aus Polen, schließlich aus Russland, inzwischen zu 100 % aus China, Russland ist nicht mehr konkurrenzfähig." Ist es nun Ironie des Schicksals oder eine diffuse Sensibilisierung des Verbrauchers, wenn dieser parallel zu dieser Entwicklung immer stärker Wert auf eine regionale Erzeugung seiner Lebensmittel legt bzw. dies zumindest bekundet? Dass er nicht danach handele, ist das Totschlagargument der kostenoptimierenden Massenmarktproduzentenvertreter zum Beispiel beim deutschen Bauernverband. Öko-Ökonomieprofessor Ulrich Hamm von der Uni Kassel in Witzenhausen hat daran seine Zweifel. In aufwendiger gestalteten Verhaltensexperimenten zeige zumindest der ökosensibilisierte Verbraucher durchaus eine hohe Bereitschaft, für transparent gemachte Zusatzqualitäten von Ökolebensmitteln tiefer ins Portmonee zu greifen. Die regionale Herkunft stehe da ganz an erster Stelle, vor artgerechter Tierhaltung. Auch die Produktqualität Rückstandsfreiheit - jüngst stark debattiert im Zusammenhang mit der neuen EU-Ökoverordnung, die diese gegen den Widerstand der Branche festschreiben will - spielt als Investitionskriterium für Verbraucher eine erhebliche Rolle, nicht umsonst testet der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel Ökoprodukte darauf.

Blaupause für Agrarsystem

Auch Ulrich Hamm forderte bei der DLG aufgrund seiner Untersuchungen "Mut zu Preiserhöhungen". Man habe das Zutrauen verloren, Marktanteile zurückgewinnen zu können, dabei versuche keine andere Branche mit chinesischen Importpreisen zu konkurrieren. Er sieht ein kleines Segment - "wir reden jetzt aber auch nicht nur von den oberen Zehntausend" - der Bevölkerung als Ökokäufer, deren tatsächliche Zahlungsbereitschaft unterschätzt werde. Alexander Becks Anspruch ist, keine "Ernährung für Eliten" zu produzieren, sondern mit dem Ökolandbau tatsächlich nach wie vor "die Blaupause für das bessere Agrarsystem" zu stellen. Dass die Wettbewerbssituation im Lebensmitteleinzelhandel und in der Landwirtschaft gerade eher zu einer ökonomischen Unterlegenheit des Ökolandbaus als Agrarsystem mindestens in Deutschland geführt hat, resultiert nicht nur aus den Defiziten der Verarbeiterkontrolle, mehr oder weniger zwielichtigen Importen oder Produktionsbedingungen im Ausland sowie dem Preiskampf des konventionellen Handels. Bioland-Bauer und Getreideaufbereiter Wolf Jost schließt auf der DLG-Veranstaltung in Berlin, dass es eben immer noch auch Landwirte in Deutschland gebe, die aus Angst, Druck oder mangelnder Transparenz bereit seien, für immer geringere Preise zu verkaufen. Zuvor hatte Biolandberater Markus Wiggert bereits die immer stärker gestiegenen Qualitätsanforderungen, verbunden natürlich auch mit immer mehr Ausschuss und Preisabzügen besonders durch den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel, betont. Es gebe ein Machtgefälle zwischen Erzeugern auf der einen und Verarbeitern und Handel auf der anderen Seite. Dem müssten die Erzeuger mit Einigkeit begegnen, folgerte Jost. Mit Transparenz und Kommunikation könne man auch die krumme Möhre sogar teurer als die makellose als Objekt der Vielfalt verkaufen, gab sich Hamm überzeugt.

Grüne Hoffnung

Gleichzeitig veröffentliche Bioland eine Presseerklärung, in der die Politik endlich zum Handeln, sprich einer stärkeren finanziellen Förderung des Ökolandbaus aufgefordert wird, damit wieder mehr Betriebe umstellen. Grün ist die klassische Farbe des Ökolandbaus, grün wie die Hoffnung.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 385 - Februar 2015, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2015

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