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MARKT/2128: Artgerecht in München (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 390 - Juli/August 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Artgerecht in München
Eine Initiative will die Ernährung der Stadt verändern

Von Marcus Nürnberger


Artgerechtes München. Der Name der im Mai gegründeten Initiative ist Programm. Es geht um die bayrische Landeshauptstadt. Die Forderung: Im gesamten Wirkungskreis der Landeshauptstadt München sollen zukünftig nur noch Produkte aus nachweislich artgerechter Tierhaltung zum Einsatz kommen, also in den städtischen Kantinen, städtischen Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäusern, Kultureinrichtungen, bei allen städtischen Empfängen und bei öffentlichen Veranstaltungen, bei denen die Stadt Hausherrin ist, wie zum Beispiel dem Stadtgründungsfest, den Auer Dulten, dem Christkindlmarkt oder dem Oktoberfest.

Noch ist die Politik zögerlich. Aus dem Rathaus wird entgegnet, artgerecht produziertes Fleisch sei zu teuer. Dahinter stehen dürften aber vor allem die Angst vor Veränderung und das Wissen, dass jeder noch so kleine Schritt in diese Richtung die Lobbymaschinerie des bayrischen Bauernverbands auf Hochtouren bringen würde. Denn die Aussagen der Studien und Umfragen, die die Initiative in Auftrag gegeben hat, sind eindeutig: Sicherlich hat das Fleisch aus artgerechter Haltung einen höheren Preis. Dieser spielt, so ein Gutachten, allerdings zumindest in der Kalkulation von Kindergärten und Kantinen im Verhältnis zu den Gesamtkosten nur eine geringe Rolle und würde zu Preissteigerungen von unter zehn Prozent führen. Ganz ähnlich gestaltet sich das Bild bei Banketten, Empfängen und Großveranstaltungen. Hier schlägt allerdings aufgrund der Kalkulation nicht allein der Mehrpreis des artgerechten Fleischs zu Buche. Vielmehr wird das Fleisch in der Kalkulation durch einen Gemeinkostenzuschlag von 150 Prozent und den Gewinn (20 Prozent) übermäßig verteuert. Bei einer gerechten Kalkulation, in der alleine die Mehrkosten des Fleischs berechnet werden, liegt auch in diesem Bereich die Preissteigerung pro Gast je nach Fleischart zwischen zehn und 20 Prozent. Die Initiative wird von Umwelt- und Naturschutzverbänden und vielen namhaften Vertretern unterstützt. Einer von ihnen, der zeigt, dass ein Umdenken möglich ist, ist Karl Ludwig Schweißfurt, Metzger und ehemaliger Besitzer des Fleischunternehmens Herta Wurst: "Es läuft alles falsch. Was wir in den letzten 50 Jahren mit den industrialisierten Ställen, den hochgezüchteten Tieren und den automatisierten Schlacht-Städten entwickelt haben, das halte ich für einen der größten Fehler der jüngeren Geschichte." Dass eine andere Landwirtschaft möglich und nötig ist, davon ist auch Josef Schmid, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Bayern, überzeugt. Die AbL arbeitet eng mit der Initiative Artgerechtes München zusammen und steuert ihre fachliche Expertise bei.

Artgerechtes München ist eine Initiative des Tollwoodfestivals, das noch bis zum 19. Juli im Münchner Olympiapark Süd stattfindet. Unter dem Motto "Alles eine Frage der Haltung" finden auf zahlreichen Bühnen Musik- und Theateraufführungen statt. Unter anderem holen drei La-Strada-Bühnen Kleinkunst, Artistik und Tanz direkt auf das Festivalgelände. Die Verpflegung des gesamten Festivals ist schon seit 2003 biozertifiziert. Circa 70 Prozent der Veranstaltungen finden bei freiem Eintritt statt und werden auch über die Einnahmen aus Essen und Getränken finanziert. "Wenn das bei so einem Festival funktioniert, das sich selbst tragen muss, dann muss es einer Stadt wie München auch möglich sein", ist sich Stefanie Weigel, Mitinitiatorin von Artgerechtes München, sicher.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 390 - Juli/August 2015, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2015

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