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MARKT/2141: Milch - Exportmärkte sind nicht die Lösung (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Exportmärkte sind nicht die Lösung
Vor allem Milchprodukte mit geringen Qualitäten werden aus der EU ausgeführt

Von Marcus Nürnberger


Nicht erst in der aktuellen Milchkrise werden vom Deutschen Bauernverband und der Molkereiindustrie Drittlandsexporte von Molkereiprodukten als ein zentrales Instrument angeführt, wenn es darum geht, die Wirtschaftlichkeit der Molkereien, aber auch der Milchproduzenten zu sichern. Immer wieder wird diese Exportausrichtung kritisiert, weil, so ein Argument, die Qualitäten der auf dem Weltmarkt gehandelten Produkte niedrig und leicht austauschbar sind. Sobald also andere Länder - Neuseeland, USA, Brasilien - ebenfalls ihre Milchüberschüsse auf diesen Markt bringen, sinken die Preise. Entgegen der Aussage der Molkereibranche, bei den Drittlandsexporten handle es sich hauptsächlich um qualitativ hochwertige, nicht austauschbare Produktgruppen wie beispielsweise europäische Käsespezialitäten, belegt eine Untersuchung von Prof. Onno Poppinga und Dipl-Ing. Michael Wohlgemuth, dass genau dies nicht der Fall ist. Die beiden Wissenschaftler analysieren hierfür die Daten der Außenhandelsdatenbank der EU (Easy Comext). Im Kern befassen sie sich mit den Exportzahlen des Zeitraums zwischen 2005 und 2014. Allerdings erwähnen sie, dass es schon mit der Verabschiedung des Absatzförderungsgesetzes 1968 ein klares Ziel der Mitgliedsstaaten der damaligen EWG war, Exportmärkte zu erschließen. Für den Milchsektor blieben diese jedoch beschränkt. Als Beispiel nennen die Autoren den Export von Kondensmilch nach Nigeria und Algerien und von Feta-Käse in den Iran. Erst mit Beginn des 21. Jahrhunderts, so das Resümee, wuchs die Bedeutung der Drittlandsexporte auch real deutlich. So stiegen die Exportmengen im Untersuchungszeitraum 2005 bis 2014 um 52 Prozent. Dabei steigerte sich der Export zu Beginn langsamer: um 13 Prozent 2010 gegenüber 2005 und dann deutlich um 31 Prozent 2014 gegenüber 2010. Dieser mengenmäßige Zuwachs ging allerdings zulasten der Erlöse. Anders als zu erwarten blieben deren Steigerungen mit 44 Prozent in beiden Fünfjahreszeiträumen gleich.

Massenprodukte überwiegen

In der weiteren Untersuchung wenden sich Poppinga und Wohlgemuth der Verteilung der unterschiedlichen Produktgruppen zu. Im Jahr 2014 kam der Produktklasse Magermilchpulver mit einem Anteil von 19 Prozent die zweitgrößte Bedeutung zu. Mit einem Zuwachs von 1,260 Mrd. Euro 2013 auf 1,969 Mrd. Euro 2014 erfuhr diese Produktgruppe besonders in jüngster Zeit eine außergewöhnliche Nachfrage auf den Drittlandsmärkten. Noch deutlicher wird die gegenwärtige außergewöhnliche Bedeutung der Produktklasse Magermilchpulver, wenn die der Produktion zugrunde liegende Milchmenge in die Betrachtung mit eingeschlossen wird: Mit 4,834 Mio. Tonnen Milch wurden 2014 fast 25 Prozent der in den Drittlandsexport geflossenen Milchmenge für die Produktion von Magermilchpulver verwendet und weitere 23 Prozent für die Produktion von Molke und Molkepulver. Die bezüglich ihres Anteils am Gesamtwert der Drittlandsexporte 2014 mit 15 Prozent Anteil drittplatzierte Produktgruppe Vollmilchpulver weist mit einem Umsatzzuwachs von 1,072 Mrd. Euro 2005 auf 1,512 Mrd. Euro 2014 in absoluten Zahlen einen deutlichen Zuwachs auf. Ihre relative Bedeutung in Bezug auf den Gesamtwert an exportierten Molkereiprodukten schwindet jedoch angesichts der Anteile von 22 Prozent 2005, 25 Prozent 2008, aber dann 2014 nur noch 15 Prozent.

Alles Käse

Käse, also die nach den Befürwortern aufgrund seiner Qualität besonders hochpreisige Verwertungsschiene von Milch, führt mit 35 Prozent die Liste der Exporte von Milcherzeugnissen in der Einzelbetrachtung deutlich an. Im Vergleich zu den Massenprodukten kommt diesen mit 65 Prozent jedoch eine deutlich höhere Bedeutung zu. Bei der Frage nach der Bedeutung von Käse als "Export von Qualitätsprodukten" interessierte die beiden Wissenschaftler noch, welche Käsesorten exportiert wurden. Dabei stellte sich heraus, dass keinesfalls besondere Käsespezialitäten das Gros des Exportes ausmachten. Vielmehr wurden im Jahr 2014 68 Prozent des Gesamtumsatzes mit Käse von geringer Qualität, nämlich Schmelzkäse mit unterschiedlichen Fettgehalten, gemacht. Der Anteil der Käse in der Gruppe sechs ("hohe Qualität") betrug 2014 dagegen nur acht Prozent. Es handelte sich hierbei vor allem um Käseexporte aus Italien (Grana Padano) und Frankreich (Gorgonzola). Die Untersuchung zeigt, dass im Molkereisektor vor allem Massenprodukte exportiert werden. Dies würde sich aller Voraussicht nach auch bei einer aktuell vom Deutschen Bauernverband immer wieder geforderten Exportoffensive für Milchprodukte nicht deutlich änderst. Diesbezüglich mahnen die beiden Autoren: "Da sie in vielen Staaten der Erde erzeugt werden, sind sie bei Mengen- oder Preisschwankungen überaus leicht austauschbar." Damit dürfte ein weiterer Ausbau dieser Exporttätigkeit wenig geeignet sein, um Milcherzeugerpreise innerhalb der EU zu sichern und langfristig auf einem für die Bauern auskömmlichen Niveau zu halten.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Ende August will Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) mit seinen zwei Amtskollegen nur schnell vorbei an der protestierenden Milchbauern vor seiner Haustür. Franzose Stephane Le Foll riskiert immerhin einen Blick, Marek Sawicki aus Polen huscht auch lieber durch. Passend dazu die Aussagen der drei: Exporte, Durchhalten. Draußen fordert die AbL mit der Superabgabe eine Milch-Mengenreduzierung der Bauern und Bäuerinnen zu honorieren, Trecker umfahren das Ministerium, eine Kuh steht im Eingang.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 392 - Oktober 2015, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2015

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