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MARKT/2156: Schweine mit Aufpreis vermarkten (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 395 - Januar 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Schweine mit Aufpreis vermarkten
Alternativställe für mehr Tierwohl im Kommen; was hinterherhinkt, ist die Vermarktung

Von Christine Weißenberg


Das Interesse an artgerechter Tierhaltung wird größer; mittlerweile lässt sich eine leichte Marktausdehnung beobachten und im Biobereich wird bei Schweinen sogar teilweise Mangel verwaltet. Diese Feststellungen standen am Anfang der Diskussion unter den Teilnehmern des Themenforums "Tierwohl" Während der diesjährigen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Nicht nur wird gesellschaftlich über Tierwohl in der Nutztierhaltung diskutiert, sondern es tut sich auch ganz praktisch in der Landwirtschaft etwas. Dazu tragen fachliche Auseinandersetzungen wie im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik der Bundesregierung und praktische Ansätze wie verschiedene Labelprogramme, aber auch die niedrigschwellige Brancheninitiative Tierwohl bei.

Wenig erfahrene Berater

Neben den Tierhaltungsrichtlinien der ökologischen Landwirtschaft kann insbesondere Neuland als etabliertes Vermarktungsprogramm für Fleisch aus artgerechter Tierhaltung in der konventionellen Landwirtschaft Erfahrungen und Umsetzungsmöglichkeiten anbieten. Martin Schulz, Neuland-Bauer mit Schweinemast und Vorsitzender der AbL, erklärte, dass bei allen Schwierigkeiten und interner Umstrukturierung, die Neuland in letzter Zeit durchgemacht habe, der Absatzmarkt kein Problem gewesen sei. "Aber neue Betriebe umbauen ist schwierig", merkte Schulz an, "denn es gibt kaum erfahrene Berater, die da helfen können." Deutschlandweit lassen sie sich an einer Hand abzählen; als ehemalige Neuland-Berater bekannt sind Bernd Kuhn, der sich auf den individuellen Umbau von Altställen versteht, und Jan Hempler, der als Bioberater in Niedersachsen tätig ist. Dann ist da noch Rudolf Wiedmann, der Entwickler der PigPort-Außenklimastallsysteme.

Regionale Marktchance

Wiedmann ist in Baden-Württemberg an den Verhandlungen mit Edeka Süd-West beteiligt, die Programme für Bio- und so genanntes "Sternefleisch" mit Neuland-Standard einführen wollen: "Da haben wir denen die ganze Kalkulation ausgehend von den Bäuerinnen und Bauern vorgelegt, inklusive einem abgeleiteten gerechten Ferkelpreis. Das ist ein absolutes Novum und eine echte Chance für die Betriebe; im Moment bietet Edeka langfristige Abnahmeverträge über zehn Jahre an." Auch wenn Jungbäuerin Carla Prötzel stirnrunzelnd anmerkte: "Wie kann das angehen, dass der Arbeitslohn bei Bioschweinen mit 20 Euro angesetzt ist, bei Sternefleisch jedoch nur mit 15 Euro?" Das spiegele die Zahlungsbereitschaft der Handelskette wieder, erklärt Wiedmann: Bei der Biofleischer-Zeugung wird ein ganzes System vermarktet. Das konventionelle Sternefleisch wird als Preisabstand zum konventionellen Markt bewertet. Aber auch so oder sogar ohne gesonderten Vermarktungsweg: "Da sind momentan, gerade in Süddeutschland, immer mehr konventionelle Betriebe, die alternative Stallsysteme für mehr artgerechtes Verhalten nachfragen und umsetzen - weil sie das wichtig finden und sagen 'das kommt jetzt, da müssen wir uns drauf einstellen'", beschreibt Wiedmann seine Wahrnehmung der aktuellen Situation.

Märkte differenzieren

In der Diskussion wurde deutlich, dass es dabei eine große Herausforderung ist, für diese Bewegung im konventionellen Bereich aufnahmefähige Vermarktungsstrukturen anzuschieben, die eine weitere Entwicklung und Ausweitung fördern - ohne dass sich die Schweinemastbetriebe zu stark in Abhängigkeit von dem Handelspartner begeben müssen. Edeka Süd-West macht erste Schritte, weil sie ein regionales Marktpotential und ein Alleinstellungsmerkmal sehen; einfach übertragbar ist das Vorgehen nicht. "Die aktuelle Situation sieht doch eher so aus: Die Anforderungen für die Betriebe steigen, aber es gibt keine Bezahlung dafür", merkte Hugo Gödde an, Geschäftsführer von Neuland Westfalen: "Die Ware muss immer etwas knapp bleiben - nicht zu knapp, aber wir müssen die Märkte differenzieren. Das ist doch utopisch, mit unseren Standards, Qualitäten und Arbeitskosten auf dem Weltmarkt konkurrieren zu wollen - wir müssen sie hier am Markt deutlich kennzeichnen und zu dem Preis, den sie haben, vermarkten."

Ringelschwanztauglichkeit

Ulrich Jasper, Geschäftsführer der AbL, betonte: "Und die Betriebe, die voran gehen, wie schon lange bei Neuland oder diejenigen, die jetzt PigPort-Ställe bauen, zeigen die Richtung an. Wenn klar ist, dass solche Systeme bei der Frage, ob der Ringelschwanz bei den Schweinen dran bleiben kann, funktionieren, dann wird sich dieser Standard auf Dauer durchsetzen." Um die Entwicklung zu fördern und keine unzeitgemäßen Anreize zu setzen, waren sich die DiskussionsteilnehmerInnen einig, dass es als politisches Signal keine Mittel für den allgemeinen Standard mehr geben darf, z. B. als Bauförderung über die Agrarinvestitionsförderprogramme (AFP), sondern nur noch für die Erfüllung höherer Anforderungen. Um dabei bäuerliche, vielgestaltige Betriebe zu erhalten, sollten die Fördersätze für diese höher ausfallen, also entsprechend den strukturellen Bedürfnissen gestaffelt werden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 395 - Januar 2016, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2016

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