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VERBRAUCHERSCHUTZ/983: Spurensuche in Lebens- und Futtermitteln (ForschungsReport)


ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz 1/2009
Die Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten

Mehr Sicherheit für die Verbraucher
Arbeitsgruppe Analytik betreibt Spurensuche in Lebens- undFuttermitteln

Von Iris Lehmann (Karlsruhe) und Fredi Schwägele (Kulmbach)


Wieviel Ziegenfleisch steckt in der Schweinswurst? Nimmt die Dioxin-Belastung in Lebensmitteln zu oder schon ab? Stammt das leuchtende Rot der Paprika-Lyoner vom Gewürz oder ist ein verbotener Azofarbstoff die Ursache? Wo Politik und Verbraucher unsicher sind, kann die Arbeitsgruppe Analytik im Max Rubner-Institut (MRI) weiterhelfen. Mit modernstem hochempfindlichem Gerät ausgestattet, spüren die Wissenschaftler am Standort Kulmbach wertvollen wie unerwünschten Inhaltsstoffen in der ganzen Palette der Lebens- wie auch der Futtermittel nach.


Die Technik in der Analytik schreitet ständig fort. Längst ist es möglich, Spuren der verschiedensten Substanzen in Materialien aller Art nachzuweisen. Doch trivial ist diese Suche nicht. Für Außenstehende sehen die grauen Kästen in modernen Analytik-Laboren alle gleich aus, und auch die Gerätebezeichnung hilft nicht wirklich weiter, gleichgültig, ob die Profis dabei vom ICP-MS (Inductively Coupled Plasma - Mass Spectrometer) oder - vergleichsweise verständlich - vom GC (Gaschromatografen) sprechen. Damit aus dem wilden Zick-Zack der Kurven, die die Geräte ausspucken, der zweifelfreie und selektive Nachweis einer bestimmten Substanz wird, womöglich sogar eine eindeutige Aussage über deren Menge im Produkt, sind viel Erfahrung und Geduld nötig.

Am Standort Kulmbach des Max Rubner-Instituts widmet sich ein festes Team aus erfahrenen Wissenschaftlern, fallweise und projektbezogen ergänzt durch wechselnde Projektmitarbeiter und junge Nachwuchskräfte aus den Universitäten, in der Arbeitsgruppe Analytik einer ganzen Reihe unterschiedlichster Analytik-Herausforderungen. Aufgabe der im Frühjahr 2008 eingerichteten Gemeinschaftseinrichtung des MRI ist es, produktübergreifend spezielle analytische Fragestellungen bei Lebensmitteln zu bearbeiten, die von den Instituten des MRI mangels entsprechender apparativer Voraussetzungen nicht gelöst werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass sich aus einer produktübergreifenden Behandlung der Fragestellungen wertvolle Synergie-Effekte für das gesamte MRI ergeben.


Ein wichtiges Ziel der Analytik-Arbeitsgruppe ist es, Referenzmaterialien zu erarbeiten und bereitzustellen. So etwa die Referenzmaterialien, mit denen überprüft werden kann, ob das Lebens- und Futtermittelrecht in der Europäischen Union in Hinblick auf die Belastung mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) und Dioxinen eingehalten wird. Am Kulmbacher MRI-Standort wurden dafür Brühwurstkonserven auf zwei Kontaminationsniveaus angefertigt. Auf mit PCB- und Dioxin-Standardverbindungen dotierte Materialien verzichteten die Wissenschaftler, sondern verwendeten durch Umwelteinflüsse belastetes Fleisch. Das Wissen über die Belastungssituation für die Vorauswahl des hierfür verwendeten Fleisches bezogen sie aus dem ebenfalls am Standort durchgeführten Forschungsprojekt "Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln". Ein anschließender Test ergab eine sehr gute Homogenität der Referenzmaterialien und stellt belastbare Ergebnisse bei Laborvergleichsuntersuchungen in Aussicht. Grundsätzlich besteht am MRI die Möglichkeit, Referenzmaterialien für unterschiedlichste Kontaminanten, Rückstände und Allergene herzustellen.


Risiken finden und ausschalten

Ein weiteres zentrales Untersuchungsziel der Arbeitsgruppe Analytik ist der Übergang unerwünschter Stoffe innerhalb der Lebensmittelketten, der sogenannte "Carry-over". Erst wenn detailliert bekannt ist, an welchen Stellen einer Futter- oder Lebensmittelkette ein Kontaminations-Risiko etwa mit Umweltchemikalien besteht, können Wege gefunden werden, diesen Eintrag zu vermeiden.

Ebenfalls die ganze Lebensmittelkette im Blick haben die Wissenschaftler bei dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Projekt "FreshScan". Hauptziel von FreshScan ist die Entwicklung innovativer Konzepte zur prozessbegleitenden Charakterisierung von Lebensmitteln. Am MRI Kulmbach werden die Referenzanalysen zur Bestimmung der Fleischbeschaffenheit durchgeführt. Immerhin kann sich die Beschaffenheit von Fleischerzeugnissen auf dem Weg von der Produktion über die Lagerung und den Transport bis zum Verbraucher stark verändern. Interessant sind hier die Temperatur während des ganzen Prozesses, die Art der Verpackung und die Lagerzeit. Das MRI arbeitet im Rahmen dieses Projekts mit mehreren Partnern zusammen und führt vor allem (bio)chemische und physikalische Referenzmessungen am Produkt durch. Unter anderem werden biogene Amine mit Hilfe der HPLC-Technik (Hochdruck-Flüssigkeitschromatografie) analysiert. Am Ende soll die Entwicklung schneller, nicht invasiver optischer Messverfahren in Kombination mit einem Mikrochip zur Online-Aufnahme von Lagerungs-Parametern wie Zeit und Temperatur stehen.


Azofarbstoffe: längst verboten, nicht verschwunden

Die Suche nach konkret benannten Schadstoffen in Lebensmitteln gehört zu den ständigen Aufgaben der AG Analytik. Ein Problem sind etwa die sogenannten Sudanfarbstoffe, auch als Azofarbstoffe bekannt. Es handelt sich dabei um Farbstoffe ausschließlich synthetischer Herkunft. Obwohl Sudanfarbstoffe keine Zulassung als Zusatzstoffe haben, wurden sie immer wieder in bestimmen Lebensmitteln festgestellt, etwa in scharfem Chilipulver, das von Ländern außerhalb der Europäischen Union eingeführt wurde. Diese Substanzen mit einem breiten Spektrum an ansprechenden Farben stehen im Verdacht, Mutationen auszulösen und krebserregend zu sein. Zwar lassen sich die Substanzen in Gewürzen, Soßen oder auch Palmöl bis zu einer sehr geringen Nachweisgrenze aufspüren, doch für eiweißreiche erhitzte Produkte war dies bisher weit problematischer. Im Rahmen eines Forschungsprojektes ist es der AG Analytik jedoch gelungen, eine adäquate Analytik für die gefährlichen Substanzen zu entwickeln. Nachdem eine Modell-Lyoner hergestellt war, versuchten die Wissenschaftler mit Hilfe der Hochdruckflüssigkeitschromatografie in Verbindung mit einem UV/VIS-Spektrometer, das wiederum einem Massenspektrometer vorgeschaltet war, sowohl

den qualitativen Nachweis der Farbstoffe als auch eine quantitaive Bestimmung durchzuführen. Der qualitative Nachweis gelang, allerdings war die Wiederfindungsrate in der Wurst nicht optimal. Aber da Sudanfarbstoffe selbst in kleinsten Mengen in Lebensmitteln verboten sind, ist dies letztlich nicht von Belang.


Ziege in der Schweinswurst

Angesichts der BSE-Problematik stellte sich den Kulmbacher Wissenschaftlern schon vor Jahren eine weitere Aufgabe: die exakte Zuordnung der verwendeten tierischen und pflanzlichen Inhaltsstoffe zu der jeweiligen Spezies. Wieviel Ziegenfleisch ist in der als Ziegenprodukt ausgelobten Salami, stammt der Rehbraten vom afrikanischen Springbock, wie viel Rind ist im Rinderhack und wie viel Erbsenmehl findet sich im Fleischprodukt? Zum Einsatz kommen hier DNA-analytische Methoden. Mit Hilfe der PCR (Polymerase-Kettenreaktion) gelang den Wissenschaftlern eine eindeutige und zuverlässige Identifizierung von zum Beispiel bis einem Prozent Ziegenfleischanteil in den Fleischerzeugnissen aller Erhitzungsstufen einschließlich von Tropenkonserven. Es konnte Tierart-übergreifend festgestellt werden, dass das PCR-Verfahren ein hochspezifisches, sensitives und - wenn es mit der erforderlichen Erfahrung eingesetzt wird - auch robustes Instrument darstellt, die Tierspezies von Fleisch zu identifizieren und gegebenenfalls Verfälschungen in Fleischerzeugnissen nachzuweisen. Mit einem Primersystem gelang es sogar, das Fleisch des Bisons vom nah verwandten Rind zu unterscheiden. Und theoretisch - aber wegen fehlendem Referenzmaterial noch nicht geprüft - scheint das System sogar in der Lage zu sein, das Fleisch des europäischen Bisons, dem Wisent, von dem der amerikanischen Form, dem Bison, zu unterscheiden.


Jodzufuhr per Kuh und Huhn

Doch das MRI ist nicht nur Fälschern auf der Spur: Die Analytik leistet auch einen wichtigen Beitrag für die gesunde Ernährung der Bevölkerung. So stellte sich dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) die Frage, ob es möglich ist, die Jod-Versorgung der Menschen auch über tierische Produkte zu verbessern, wenn die Tiere eine entsprechende Jod-Zufuhr bekommen würden. Oder ob eventuell - bei hohen Jodzulagen im Futter - sogar unerwünscht hohe Jodkonzentrationen in Lebensmitteln die Folge sein könnten. Bei einem Fütterungsversuch, der vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Braunschweig durchgeführt wurde, zeigte sich, dass insbesondere die Jod-Konzentration in Milch und Eiern beeinflussbar war. Für das Projekt wurden am MRI Jodanalysen an mehr als 7.000 Proben (Futter, Milch, Eier, Fleisch, Organe, Blutserum, Kot, Harn) mit Hilfe des ICP-MS und (bei einem Teil der Milchproben) zusätzlich mit einer jodselektiven Elektrode durchgeführt.


Iris Lehmann, Max Rubner-Institut, Haid-und-Neu-Str. 9, 76131 Karlsruhe. E-Mail: iris.lehmann@mri.bund.de Dir. u. Prof. Dr. Fredi Schwägele, Max Rubner-Institut, E.-C.-Baumann-Str. 20, 95326 Kulmbach.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Instrumentelle Analytik auf engem Raum

Die Arbeitsgruppe Analytik (v.l.n.r.): Dr. Sabine Andrée, Direktor und Professor Dr. Fredi Schwägele (Leiter der Arbeitsgruppe), Dr. Wolfgang Jira, Joanna Bestry (nicht mehr am Institut), Dr. Rainer Scheuer, Dr. Manfred Gensler, Dr. Karl-Heinz Schwind

Der Proteinaufschluss nach Kjeldahl hat ein breites Anwendungsfeld

Der automatische Probengeber der GC-MS wird gestartet

Azofarbstoffe in roter Paprikawurst? Diese Substanzen stehen im Verdacht, Mutationen auszulösen und krebserregend zu sein.


Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


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Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
1/2009,
Heft 39 - Seite 36-38
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL)
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016, Fax: 0531/596-1099
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2009