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ASYL/1271: Geplante AnKER-Zentren verletzen elementare Rechte von Minderjährigen (Flüchtlingsrat SH)


Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. - 29. Mai 2018

Geplante AnKER-Zentren verletzen elementare Rechte von Minderjährigen

Zum Weltkindertag am 1. Juni 2018: Gemeinsame Presseerklärung von Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, lifeline - Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Schleswig-Holstein e.V., Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein e.V., Die Landesflüchtlingsräte, Jugendliche ohne Grenzen, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. und PRO ASYL e.V.


Anlässlich des Internationalen Kindertages wenden sich Landesflüchtlingsräte, Jugendliche ohne Grenzen, der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, PRO ASYL sowie Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, lifeline-Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und der Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein gegen die Errichtung sogenannter AnKER-Einrichtungen.

Studien von Verbänden und Fachorganisationen und die Erfahrungen aus der Arbeits- und Beratungspraxis der Flüchtlingsräte zeichnen bundesweit ein klares Bild: Die Unterbringung von Kindern in großen Sammelunterkünften gefährdet das Wohl der dort lebenden Kinder und verletzt elementare Rechte von Minderjährigen.

Die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz, wie es CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, ist zu begrüßen. "Überzeugen kann der Ansatz allerdings nur", mahnt Hanan Kadri, Geschäftsführerin beim Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein, "wenn dieser auch diskriminierungsfrei für alle Kinder gilt - unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus."

Bereits jetzt ist der Alltag der Kinder und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen und Transitzentren, die als Vorbild der AnKER-Zentren dienen sollen, jedoch oft geprägt von beengten Wohnverhassen, fehlender Privatsphäre, dem Ausschluss von der Regelschule, unzureichender gesundheitlicher Versorgung sowie vom Nichtstun, vom Warten und dem Miterleben von Gewalt. Abschiebungen, die zum Teil mitten in der Nacht durchgeführt werden, sorgen für eine Situation der Schutzlosigkeit und Angst. Sachleistungsversorgung, fehlende Therapieangebote und mangelnde Hygiene in überlasteten Sanitärbereichen verschärfen vielerorts die Situation.

"Das Bundesinnenministerium (BMI) verweigert beständig Klartext über die geplante Ausgestaltung der sogenannten AnKER-Zentren", kritisiert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass Bundesinnen- und Heimatminister Horst Seehofer offenbar die Isolation und Diskriminierung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen durch das Sondersystem der AnKER-Zentren weiter vorantreiben will. Der Kieler Flüchtlingsrat begrüßt daher die deutliche Absage der Landesregierung [1] an eine Beteiligung an der vom BMI geplanten Pilotphase.

In den AnKER-Einrichtungen sollen die Aufnahme, die Alterseinschätzung von unbegleiteten Minderjährigen, Asylverfahren und die Abschiebung nach Ablehnung eines Asylantrages gebündelt werden. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge droht damit eine Unterbringung in Einrichtungen für und mit (fremden) Erwachsenen bis zu ihrer Inobhutnahme durch die Jugendämter. Dies widerspricht dem Minderjährigenschutz sowie dem Primat der Kinder- und Jugendhilfe und ist mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus sollen unbegleitete Minderjährige, deren Minderjährigkeit nicht anerkannt wird, und begleitete Kinder und Jugendliche bis zu 18 Monaten oder länger in den AnKER-Einrichtungen verbleiben müssen. (Schutz)Standards, die in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelten, werden nicht berücksichtigt.

"Der Aufenthalt in der Erstaufnahme macht Kinder krank. Viele von ihnen haben ihre Kindheit in Lagern verbracht - in der Türkei, im Sudan, in Libyen, in Griechenland, im Libanon. Sie hoffen auf Schule, ein Zuhause und Sicherheit. Was sie dann aber in Deutschland erwartet, sind neue Lager mit Stacheldraht", berichtet Jibran Khalil, Mitglied der Initiative Jugendliche ohne Grenzen, der eigene Erfahrungen im Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt (Brandenburg) gemacht hat.

"Die geplanten AnKER-Zentren, die die Kasernierung von Kindern und ihre Diskriminierung durch Sondergesetzgebung auf die Spitze treiben, sind das Zeichen einer absoluten Verrohung der Politik", so Khalil weiter.

Die sich hier gemeinsam an Politik und Öffentlichkeit wendenden Fachdienste fordern die Rechte von Kindern und Jugendlichen sowie ihr Wohl in allen politischen Erwägungen diskriminierungsfrei zu gewährleisten und die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen zu forcieren.

Die Organisationen fordern daher alle Bundesländer auf, es Schleswig-Holstein [2] gleich zu tun, und sich nicht am Pilot-Projekt der AnKER-Zentren zu beteiligen.


Anmerkungen:
[1] https://www.frsh.de/artikel/innenminister-grote-keine-beteiligung-schleswig-holsteins-an-anker-zentren/
[2] https://www.frsh.de/artikel/innenminister-grote-keine-beteiligung-schleswig-holsteins-an-anker-zentren/

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Quelle:
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V.
Sophienblatt 82-86, 24114 Kiel
Telefon: ++49 431 735 000, Fax: ++49 431 736 077
E-Mail: office(at)frsh.de
Internet: www.frsh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2018

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