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AUSSEN/592: Transatlantische Konkurrenten, Teil 2 (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 16. März 2018
german-foreign-policy.com

Transatlantische Konkurrenten (II)


BERLIN/WASHINGTON - Mit den aktuellen Personalwechseln in der US-Regierung zeichnet sich eine Verschärfung der Spannungen zwischen Berlin und Washington ab. Der neue Außenminister Mike Pompeo gilt als erbitterter Gegner Irans; war es der Bundesrepublik und der EU zunächst noch gelungen, in Kooperation mit dem scheidenden Minister Rex Tillerson den Bruch des Atomabkommens mit Teheran durch die USA zu verhindern, so könnte der Vertrag nun vor dem Ende stehen. Er hat einen zentralen Stellenwert in der deutschen Mittelostpolitik. Darüber hinaus hat mit Gary Cohn einer der letzten Gegner von US-Strafzöllen, die in Kürze auch die EU treffen dürften, seinen Rücktritt angekündigt. Brüssel versucht verzweifelt, die Einführung neuer Handelsbarrieren zu verhindern, scheitert bislang aber damit. Der Streit eskaliert zu einer Zeit, zu der Berlin offen Weltmachtansprüche äußert und, so hat es etwa der nun aus dem Amt geschiedene Außenminister Sigmar Gabriel ausgedrückt, "auf Augenhöhe" mit Washington auftreten will. Gegen den deutschen Machtanspruch geht Trump vor.

Streit um Iran

Eine Verschärfung der Spannungen zwischen Berlin und Washington zeichnet sich zum einen mit dem Wechsel von CIA-Chef Mike Pompeo ins State Department ab. Der scheidende Außenminister Rex Tillerson hatte etwa versucht, den Streit um die Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran einvernehmlich mit der EU zu regeln. Der Vertrag besitzt für Berlin erhebliche Bedeutung: Sein Abschluss kann als einer der wenigen Erfolge in der Nah- und Mittelost in der jüngeren Vergangenheit gelten, an dem die Bundesrepublik beteiligt war; zudem öffnet er deutschen Unternehmen einen Markt, der Milliardengeschäfte verspricht.[1] Entsprechend setzt die Bundesregierung alles daran, den von Trump gewünschten Bruch des Abkommens zu verhindern. Unter Tillerson hatte das State Department, so heißt es, "den Europäern zuletzt signalisiert, dass sie Trumps ultimative Forderungen nach einem gegen Iran gerichteten 'Zusatzabkommen' bis Mai nicht wörtlich zu nehmen hätten".[2] Dass Pompeo bereit sein könnte, das Atomabkommen zu bewahren, gilt hingegen als wenig wahrscheinlich. Der neue US-Außenminister hat bereits in seiner Amtszeit als CIA-Direktor alles daran gesetzt, antiiranische Kräfte zu stärken [3]; er vergleicht Iran mit dem IS und hat bereits kurz nach Trumps Wahlsieg im November 2016 erklärt: "Ich freue mich darauf, dieses desaströse Abkommen mit dem weltgrößten staatlichen Terrorunterstützer zu kippen."[4]

Streit um die Strafzölle

Eine Zuspitzung des transatlantischen Einflusskampfs steht darüber hinaus mit dem Wechsel im Vorsitz des National Economic Council bevor, der den US-Präsidenten in Wirtschaftsfragen berät. Der scheidende Vorsitzende Gary Cohn galt als entschiedener Gegner von Strafzöllen auf den Import von Stahl und Aluminium in die Vereinigten Staaten; sein kürzlich angekündigter Rücktritt wird mit Trumps Entscheidung für jene Strafzölle in Verbindung gebracht. Sein designierter Nachfolger Larry Kudlow, ein ehemaliger Mitarbeiter der Reagan-Administration, der zuletzt als konservativer Fernsehmoderator tätig war, hat sich noch vor einigen Tagen ebenfalls gegen die Handelsbarrieren ausgesprochen, die bereits nächste Woche eingeführt werden sollen. Beobachter bezweifeln allerdings, dass er Trump "wirklich nachhaltig beeinflussen kann"; möglicherweise sei Trump daran gelegen, ihn lediglich als medienwirksames "Deckblatt für protektionistische eigene Ziele" zu nutzen.[5] Tatsächlich hat Kudlow gestern öffentlich erklärt, die EU betreibe eine "sehr schlechte protektionistische Politik"; damit befindet er sich ganz in Einklang mit Trump.[6]

Die Zölle der EU

Die EU kämpft gegenwärtig dafür, von den US-Strafzöllen ausgenommen zu werden. Dies ist bislang Kanada, Mexiko und Australien gelungen, wobei die Ausnahmen für Kanada und Mexiko befristet sind; Trump hat ihre Entfristung mit einer für die Vereinigten Staaten günstigen Reform des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA verknüpft. Zuletzt hat EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwoch an Trump appelliert, auf Handelsbarrieren zu verzichten - vergeblich: Der US-Präsident fordert von der EU, im Gegenzug ihre Einfuhrzölle auf US-Produkte zu senken. Die EU-Einfuhrzölle übersteigen mit einem Durchschnitt von 3,0 Prozent die US-amerikanischen (2,4 Prozent) um ein Viertel. Vor allem aber liegen sie bei wichtigen Waren - etwa bei Pkw - mit zehn Prozent deutlich höher als diejenigen der Vereinigten Staaten (2,5 Prozent). Damit verhelfen sie nicht zuletzt der deutschen Autoindustrie zu ihrem überaus lukrativen US-Geschäft: Die deutschen Ausfuhren von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen in die USA überstiegen im vergangenen Jahr die entsprechenden Einfuhren von dort um über 22 Milliarden US-Dollar (german-foreign-policy.com berichtete [7]) und trugen damit maßgeblich zu dem exzessiven deutschen Exportplus von zuletzt 50,5 Milliarden Euro (2017) bei. Allein seit 2010 erzielte die Bundesrepublik im US-Handel einen Überschuss von rund 323 Milliarden Euro - fast eine Drittelbillion. Trump strebt danach, das Defizit im Geschäft mit Deutschland jetzt spürbar zu verringern, um die US-Industrie wieder zu stärken.

"Auf Augenhöhe"

Die Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Washington und Berlin zeichnet sich zu einer Zeit ab, zu der die Bundesrepublik - aufbauend auf bereits im Sommer 2016 gefällten Beschlüssen zur Militarisierung der EU [8] - ausdrücklich eine Weltmachtstellung "auf Augenhöhe" mit den Vereinigten Staaten verlangt. Der jüngst aus dem Amt geschiedene Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte bereits im Februar 2017 erklärt, "Amerika" könne "nicht die Führungsmacht bleiben"; die EU solle "eine Partnerschaft auf Augenhöhe" beanspruchen, "mit gemeinsamer Verantwortung statt bloßer Gefolgschaft".[9] In einer Rede im Dezember äußerte er, es gelte, "ein strategisches Verhältnis Europas zu den USA zu finden"; man müsse künftig "kühler analysieren", wo die EU, "möglicherweise auf Dauer, mit den USA über Kreuz" liege.[10] Im November hatte Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, verlangt, es sei nun endlich "ein international handlungsfähiges Europa" zu schaffen, das "auf Augenhöhe mit den USA und Russland" auftreten könne.[11] Ähnlich äußern sich deutsche Außenpolitiker in jüngster Zeit immer wieder.

Zweckbündnisse

Donald Trump hat schon frühzeitig erkennen lassen, dass er nicht bereit ist, sich mit dem deutsch-europäischen Weltmachtanspruch abzufinden. Kurz vor seinem Amtsantritt hat er in einem Zeitungsinterview den Austritt Großbritanniens aus der EU gelobt sowie den Austritt weiterer EU-Mitgliedstaaten prognostiziert - unter Verweis auf die deutsche Dominanz in dem Bündnis: "Sehen Sie sich die Europäische Union an. Die ist Deutschland. Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland."[12] Die aktuellen Auseinandersetzungen etwa um die Iran-Politik und die Strafzölle sind Teil dieses umfassenderen Machtkampfs zwischen Washington und Berlin. In den Hintergrund gedrängt wird der Machtkampf allerdings gelegentlich durch einen Schulterschluss der westlichen Mächte gegen Russland und in Zukunft vielleicht auch gegen China. Jüngstes Beispiel ist die gemeinsame Erklärung zu dem Doppelmordversuch in Salisbury, die die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, der Vereinigten Staaten, Deutschlands und Frankreichs am gestrigen Donnerstag abgegeben haben. Darin unterstellen sie ohne jeden Beweis eine Täterschaft staatlicher russischer Stellen und positionieren sich so Seite an Seite offen gegen Moskau. Im gemeinsamen Bemühen, Russland in die Enge zu treiben (german-foreign-policy.com berichtete [13]), treten die innerwestlichen Differenzen punktuell in den Hintergrund.


Mehr zum Thema:
Transatlantische Konkurrenten
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7530/
und Die Emanzipation der EU
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7533/


Anmerkungen:

[1] S. dazu Wettlauf ums Iran-Geschäft
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/6962/
und Mäßige Erfolge
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7264/

[2] Andreas Ross: Tillerson stürzt ins Drecksloch. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.03.2018.

[3] Kambiz Foroohar: Pompeo Gives Trump an Ally on Iran Deal, But Only in Washington. bloomberg.com 14.03.2018.

[4] Gregory Viscusi, Daniel Ten Kate: Pompeo in His Own Words on Iran, Russia and Spying on Allies. bloomberg.com 13.03.2018.

[5] Alexander Armbruster: Das ist Trumps Neuer. faz.net 15.03.2018.

[6] Künftiger Wirtschaftsberater kritisiert EU. faz.net 15.03.2018.

[7] S. dazu Glashäuser und Steine
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7552/

[8] S. dazu Die Europäische Kriegsunion
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7023/
und Strategische Autonomie
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7079/

[9] Dann müssten wir Europäer tun, was wir längst hätten tun sollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung 16.02.2017.
S. dazu Auf Augenhöhe
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7220/
und Auf Augenhöhe (II)
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7221/

[10] Rede von Außenminister Gabriel beim Forum Außenpolitik der Körber-Stiftung. Berlin, 05.12.2017.
S. dazu Gabriels Kampfansage
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7470/
und Europas Machtentfaltung
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7470/

[11] Saskia Gamradt: Nato bleibt transatlantisch, aber stärkt ihre europäischen Pfeiler. kas.de 23.11.2017.
S. dazu Die Berliner Leuchtturmpolitik
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7463/

[12] "Es wird extreme Sicherheits-Checks geben". bild.de 15.01.2017.
S. dazu Die Stunde der Europäer
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7187/

[13] S. dazu Auf dem Weg in den Weltkrieg
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7563/

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
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E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2018

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