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BERICHT/023: Finanziell und logistisch am Limit - Hilfsorganisationen unter zunehmendem Druck (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. März 2015

Entwicklung:
Finanziell und logistisch am Limit - Hilfsorganisationen unter zunehmendem Druck

Von Julia Rainer


Wien, 13. März (IPS) - Angesichts der Vielzahl von Krisen, die sich zeitgleich auf der ganzen Welt ereignen, stoßen die humanitären Hilfsorganisationen immer häufiger finanziell und logistisch an ihre Grenzen. Entwicklungsexperten zufolge müssen die Einsätze besser global koordiniert werden.

"Wir haben das Gefühl, unser Limit erreicht zu haben", räumte die stellvertretende UN-Menschenrechtskommissarin Kyung-Wha Kang am 6. März auf dem Dritten Humanitären Kongress in Wien ein.

Zur Eröffnung der Veranstaltung 'Humanitäre Hilfe unter Beschuss' erklärte Annelies Vilim, Leiterin der österreichischen Entwicklungsplattform 'Globale Verantwortung - Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe': "Humanitäre Hilfe ist kein Almosen, sondern ein Menschenrecht."

In einer Welt, in der Unruhen und Kriege weiter zunehmen, stellt sich die Frage, wie die Hilfseinsätze zum besten Nutzen der Zielländer durchgeführt werden können, mit wachsender Dringlichkeit. Wie Vilim hervorhob, sind Millionen Menschen derzeit auf eine solche Unterstützung angewiesen.

Der Kongress hatte sich zudem zum Ziel gesetzt, die humanitären Hilfseinsätze stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und Entscheidungsträger auf allen Ebenen dazu zu bringen, die Bedeutung dieser Kooperation anzuerkennen. Bisher fehlt es an ausreichender Finanzierung und klaren Strukturen. Die bereits jetzt zu niedrigen Beiträge werden ständig durch weitere Budgetkürzungen gefährdet.


Erster Humanitärer Weltkongress 2016 in Istanbul

"Die Welt steht vor einschneidenden Veränderungen, und die Politik zieht nicht mit", kritisierte Yves Daccord, Generaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat UN-Generalsekretär angeregt, im Mai 2016 in Istanbul den ersten Humanitären Weltgipfel abzuhalten. Diese Initiative wird von dem UN-Nothilfekoordinator OCHA umgesetzt.

In Istanbul sollen Vertreter von Regierungen und Hilfsorganisationen, von humanitären Krisen Betroffene und neue Partner, unter anderem aus dem Privatsektor, zusammenkommen, um eine Agenda für die künftige Ausrichtung humanitärer Einsätze aufzustellen.

Einer der wichtigen Punkte auf dieser Agenda wird die Sicherheit der Mitarbeiter bei den Hilfseinsätzen sein. Da 1,5 Millionen Menschen in Konfliktgebieten lebten, müsse man leider darauf gefasst sein, dass Entwicklungshelfer bei ihrer Arbeit getötet und Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verübt würden, sagte Kang.

Allein 2013 wurden 474 Entwicklungshelfer angegriffen, verletzt oder entführt. 155 von ihnen kamen dabei ums Leben. Angesichts der schwierigen Umstände überdenken die Organisationen vor allem in Syrien und im Irak ihre Vorgehensweisen, wie Kang erklärte.

Auch wenn es auf den ersten Blick widersinnig erscheine, sollten zum Wohl von Zivilisten auch Vertreter als terroristisch betrachteter Vereinigungen in den Prozess einbezogen werden. Akteure der humanitären Arbeit rechtfertigen dies damit, dass die Grundsätze der Humanität, Neutralität, Unparteilichkeit und Nicht-Diskriminierung aufrechterhalten bleiben müssten.


Über 30 bewaffnete Konflikte weltweit

Derzeit sind auf der Welt schätzungsweise mehr als 30 bewaffnete Konflikte im Gang. 16 davon werden als Kriege eingestuft, denen jährlich jeweils mehr als 1.000 Menschen zum Opfer fallen. Laut den Vereinten Nationen ist die Notlage in Syrien, dem Irak, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik besonders gravierend.

Bei dem Kongress in Wien stand die Zentralafrikanische Republik im Fokus einer Podiumsdiskussion über Leben und Arbeit in Kriegsgebieten. Zwei Religionsführer des Landes, Erzbischof Dieudonné Nzapalainga und Imam Layama Oumar Kobine, sprachen über ihren Kampf für Frieden und Abrüstung.

Beide erklärten, dass in ihrem Land kein Glaubenskrieg im Gang sei. "Weder in der Bibel noch im Koran steht geschrieben, dass Menschen töten sollen", sagte Nzapalainga. Bereits fünf Tage nach Beginn der Krise im Dezember 2012 hätten sich Religionsführer getroffen, um auf einer interreligiösen Plattform zusammenzuarbeiten.

Das größte Problem besteht ihrer Meinung nach darin, dass 75 Prozent der Bevölkerung Analphabeten seien, die den Argumenten der militanten Gruppen wenig entgegenzusetzen hätten. Vor allem junge Menschen gelten als gefährdet. Da es in der Zentralafrikanischen Republik kein Staatsgefüge und keine Regierung mehr gibt, nehmen Mitarbeiter humanitärer Organisationen oftmals Behördenaufgaben wahr.


Folgenschwerer Angriff auf Ärzte ohne Grenzen

Karoline Kleyer, Nothilfekoordinatorin der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), berichtete, wie im Frühjahr 2014 bewaffnete Kämpfer das Feuer auf MSF-Mitarbeiter und lokale Gemeindevertreter eröffnet hatten. 20 Menschen wurden dabei getötet, darunter auch drei Mitarbeiter der Organisation.

Trotz dieses gravierenden Zwischenfalls, so Kleyer, würden die MSF weiterhin in dem Land tätig sein. Seither hätten die Mitarbeiter mehr als 10.000 Operationen durchgeführt, über 300.000 Malaria-Kranke behandelt und etwa 15.000 Kinder auf die Welt gebracht. (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/03/humanitarian-aid-under-fire-calls-for-new-strategies/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2015

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