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DEMOSKOPIE/799: BR-BayernTrend zur Europawahl (BR)


Bayerischer Rundfunk - Pressemitteilung vom 20. März 2019

BR-BayernTrend zur Europawahl

CSU über 40 Prozent, SPD zweistellig, Grüne mit 19 Prozent weiter stark


Wenn in Bayern am kommenden Sonntag Europawahl wäre, käme die CSU auf 41 Prozent und die SPD auf 12 Prozent. Dies ergibt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im Auftrag des Bayerischen Rundfunks. Die Grünen würden 19 Prozent erreichen, die AfD 10 Prozent. Die Freien Wähler liegen im BR-BayernTrend bei 5 Prozent, ebenso die FDP. Die Linke kommt auf 3 Prozent.

Die Christsozialen würden mit 41 Prozent der Wählerstimmen aktuell im Freistaat ähnlich abschneiden wie bei der letzten Europawahl (2014: 40,5 Prozent) und zugleich deutlich besser liegen als die Union bundesweit (Sonntagsfrage Europawahl DeutschlandTrend März, CDU/CSU: 32 Prozent). Anders die Sozialdemokraten. Sie haben gegenwärtig 12 Prozent (2014: 20,1 Prozent) in Aussicht und wären erstmals bei einer Europawahl im Freistaat nicht mehr zweitstärkste Partei. Den zweiten Platz würden in Bayern bei der Europawahl die Grünen einnehmen, die zum jetzigen Zeitpunkt auf 19 Prozent (2014: 12,1 Prozent) kämen.

Viertstärkste Kraft bliebe die AfD, die gegenüber 2014 leicht auf 10 Prozent (2014: 8,1 Prozent) zulegen würde. Leicht verbessern könnten sich mit momentan jeweils 5 Prozent auch Freie Wähler (2014: 4,3 Prozent) und die FDP (2014: 3,1 Prozent). Die Linke würde derzeit ähnlich wie vor fünf Jahren 3 Prozent erzielen. Alle anderen Parteien kämen zusammen auf 5 Prozent.


Veränderte Stimmung im Vergleich zur Landtagswahl

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass CSU und SPD bei der Umfrage zur Europawahl besser abschneiden als bei der Landtagswahl 2018. Die CSU kommt wieder über 40 Prozent und die Sozialdemokraten sind - wenn auch auf niedrigem Niveau - wieder im zweistelligen Bereich. Sie bleiben damit zwar deutlich hinter den Grünen, aber anders als bei der Landtagswahl liegen sie vor AfD und Freien Wählern. Letzteren trauen die Bayern in der Europapolitik offenbar weniger zu als in der Landespolitik: Bei der Landtagswahl kamen die Freien Wähler auf 11,6 Prozent, in der aktuellen Umfrage sprechen sich 5 Prozent für sie aus. Die Grünen können sich mit 19 Prozent gegenüber der Landtagswahl 2018 (17,6 Prozent) leicht verbessern, AfD und FDP bleiben bei diesem Vergleich auf gleichem Niveau.

Die Sonntagsfrage zur Europawahl misst aktuelle Neigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten. Sie ermittelt einen Zwischenstand im Meinungsbildungsprozess der Wahlbevölkerung, der erst am Wahlsonntag abgeschlossen ist. Rückschlüsse auf den Wahlausgang sind damit nur bedingt möglich. Viele Wähler legen sich kurzfristig fest. Eine große Bedeutung hat zudem der Wahlkampf mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern.hrheit der Bayern an Europawahl interessiert

Sechs von zehn bayerischen Wahlberechtigten blicken der neunten Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai mit Interesse entgegen. Sie geben an, sehr stark (19 Prozent) bzw. stark (40 Prozent) an der Europawahl interessiert zu sein. Vier von zehn signalisieren, weniger (34 Prozent) oder gar nicht (6 Prozent) interessiert zu sein. Damit fällt das Interesse an der Europawahl größer aus als unmittelbar vor dem letzten Wahlgang 2014.

Das Interesse an der Europawahl ist im Freistaat insbesondere bei den älteren und formal besser gebildeten Bürgerinnen und Bürgern (71 Prozent) ausgeprägt. Weniger starkes Interesse bringen dagegen die jüngeren Bayern (46 Prozent) sowie Wahlberechtigte mit einfacher Schulbildung (51 Prozent) der Europawahl entgegen.


Starke Europabindung, aber Eingeständnis von Informationsdefiziten

Grundsätzlich förderlich für das Interesse an der bevorstehenden Europawahl ist eine ausgeprägte Europabindung. Drei von vier Bayern (74 Prozent) fühlen sich laut der Umfrage Europa sehr stark bzw. stark verbunden. Eine besonders starke Europabindung legen insbesondere die Anhänger von SPD und Grünen an den Tag. Aber auch in den Reihen von Freien Wählern, FDP und CSU überwiegt eine starke Bindung. Größere Identifikationsprobleme haben dagegen die Anhänger der AfD. Die Hälfte von ihnen (52 Prozent) fühlt sich mit Europa weniger oder gar nicht verbunden.

Der Europabindung der meisten Bayern steht allerdings auch 40 Jahre nach der ersten Direktwahl des Europaparlaments eine nur geringe Vertrautheit mit der Politik in Brüssel und Straßburg gegenüber: Fast zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat geben an, fast nichts (14 Prozent) bzw. nur wenig (53 Prozent) über die europapolitischen Verfahren und Institutionen zu wissen. 29 Prozent im Freistaat signalisieren, über ganz gute, nur wenige jedoch über sehr gute Kenntnisse (4 Prozent) zu verfügen. Europapolitische Informationsdefizite bekunden im Freistaat alle Bevölkerungsgruppen, vor allem aber jüngere Bayern sowie Bürgerinnen und Bürger mit formal niedrigem Schulabschluss.


Nächster EU-Kommissionspräsident: Weber mit Heimvorteil

Wie vor fünf Jahren treten die großen europäischen Parteienbündnisse zur Europawahl mit Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten an: die Europäische Volkspartei (EVP) mit Fraktionschef Manfred Weber, die Europäischen Sozialdemokraten mit EU-Kommissar Frans Timmermans. Die Bayern ziehen laut der Umfrage für das Amt des Kommissionspräsidenten den CSU-Politiker dem niederländischen Sozialdemokraten eindeutig vor: 50 Prozent sprechen sich für Weber, 16 Prozent für Timmermans aus.

2014, als der Luxemburger Jean-Claude Juncker (EVP) und der Europaparlamentspräsident Martin Schulz (SPE) gegeneinander kandidierten, hatten die Bayern keinen eindeutigen Favoriten: 22 Prozent im Freistaat setzten damals auf den späteren EVP- Kommissionspräsidenten Juncker, 25 Prozent auf den deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz.


Parteipräferenz: Europa nur für jeden Dritten im Vordergrund

In den aktuellen Parteipräferenzen spiegeln sich nur zum Teil europapolitische Erwägungen wider. Innenpolitische Aspekte sind für viele Wähler wichtiger. Nach eigenem Bekunden orientieren sich 35 Prozent bei ihrer aktuellen Parteipräferenz an Fragen der Europapolitik, 51 Prozent dagegen an der Bundespolitik. Europapolitisch geprägte Präferenzen bestehen im Freistaat noch am ehesten bei den Wählern von SPD (39 zu 45 Prozent), CSU (37 zu 49 Prozent) und Grünen (37 zu 54 Prozent), am wenigsten dagegen bei den AfD-Anhängern (21 zu 64 Prozent) sowie den Freien Wählern (14 zu 77 Prozent).


Beunruhigung über aktuelle EU-Verhältnisse

Die diesjährige Europawahl findet aus Sicht der Bayern in europapolitisch bewegten Zeiten statt: Für drei von vier Wahlberechtigten (75 Prozent) im Freistaat liefern die aktuellen Verhältnisse in der Europäischen Union Anlass zur Beunruhigung. Nur jeder Fünfte (22 Prozent) blickt zuversichtlich auf die Situation der europäischen Staatengemeinschaft. Eine überwiegend skeptische Sicht eint im Freistaat sowohl die europafreundlichen Anhängerschaften von CSU, SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern als auch die Europakritiker in den AfD-Reihen. Allerdings wird der aktuelle Zustand der Europäischen Union nirgendwo so geschlossen kritisiert wie von den AfD-Anhängern.


Brexit: nur knappe Mehrheit für Frist-Verlängerung

Für die aktuell skeptische Sicht der Bayern auf die Verhältnisse in der Europäischen Union dürften verschiedene innenpolitische Entwicklungen in einzelnen Mitgliedstaaten eine Rolle spielen - darunter auch das Brexit-Referendum in Großbritannien vom Juni 2016. Nach aktuellem Stand müsste das Vereinigte Königreich die Europäische Union Ende des Monats verlassen, auch wenn sich beide Seiten bis dahin nicht auf einen Vertrag einigen sollten. Allerdings hat Großbritannien angekündigt, eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen.

Eine Fristverlängerung durch die EU fände bei gut der Hälfte der Bayern (53 Prozent) Anklang. Vier von zehn (43 Prozent) sähen es dagegen lieber, wenn die EU auf einem Austritt zum Monatsende bestehen würde. Der Zuspruch für eine verlängerte Austrittsfrist überwiegt aber in den Reihen von allen Anhängerschaften deutlich - mit Ausnahme der AfD (20 zu 76 Prozent).


Wenig Zweifel an Bayerns Vorteilen durch die EU- Mitgliedschaft

Die kritische Sicht auf den aktuellen Zustand der Europäischen Union bedeutet nicht, dass es im Freistaat wachsende Vorbehalte gegenüber der EU-Mitgliedschaft Deutschlands gäbe. Im Gegenteil: Leitete vor der letzten Europawahl ein Drittel (33 Prozent) überwiegend Vorteile für Bayern aus der deutschen EU-Mitgliedschaft ab, sind es aktuell 45 Prozent. Nur 12 Prozent der Bayern sehen dezidiert Nachteile für den Freistaat, für 40 Prozent halten sich Vor- und Nachteile der EU-Mitgliedschaft die Waage. Der Eindruck, dass Bayern Nutznießer der deutschen EU-Mitgliedschaft ist, besteht in fast allen Anhängerschaften, am deutlichsten in den Reihen der Grünen (68 Prozent), am wenigsten unter den AfD-Anhängern (21 Prozent). EU: Garant für Frieden und Personenfreizügigkeit auf dem Kontinent

Gut die Hälfte der Bayern (54 Prozent; +14) und damit mehr als in 2014 betrachten die EU in erster Linie als Garant für Frieden und Verständigung auf dem europäischen Kontinent. Mit 50 Prozent (+11) ist ebenso die Zahl der Bayern gewachsen, die die Staatengemeinschaft vor allem mit der Möglichkeit in Verbindung bringen, innereuropäisch ohne Grenzkontrollen zu reisen.

Die Bedeutung der Europäischen Union als Wohlstandsprojekt wird dagegen trotz abgebauter Handelshemmnisse im gemeinsamen Binnenmarkt weitgehend unverändert von nur jedem sechsten Bayern (17 Prozent; -3) hervorgehoben. Eher wird die Europäische Union im Freistaat nach wie vor mit Bürokratie und Dirigismus (27 Prozent; -5) in Verbindung gebracht. Soziale Probleme assoziiert mittlerweile fast jeder Vierte (23 Prozent; +5) mit der Staatengemeinschaft.


Aufgaben für Europäische Union: Soziales, Wirtschaft, Umwelt

Worum sollte sich die Europäische Union aber aktuell am ehesten kümmern? Im EU-Aufgabenverständnis der Bayern sticht kein Politikfeld besonders hervor: 38 Prozent der Wahlberechtigten sehen in einer sozial gerechten Union eine Aufgabe, um die sich vordringlich gekümmert werden sollte, jeweils 33 Prozent in einer wirtschaftlich dynamischen bzw. ökologischen Staatengemeinschaft. Drei von zehn Bayern betrachten wiederum Migration und den Schutz der Außengrenzen (30 Prozent) als derzeit drängendste Aufgabe der Europäischen Union, ebenso viele die Stabilisierung von Währungen und Finanzen (28 Prozent). Verteidigungs- und Sicherheitsfragen priorisiert im Freistaat demgegenüber nur jeder Fünfte (21 Prozent).

Ähnlich wie in der Bundespolitik besteht auch im europapolitischen Aufgabenverständnis keine Einigkeit zwischen den einzelnen Wählergruppen. Während die Grünen-Anhänger den größten europapolitischen Handlungsdruck beim Umwelt- und Verbraucherschutz (56 Prozent) ausmachen, steht eine sozialere Europäische Union bei SPD-Anhängern (52 Prozent), aber auch bei den Freien Wählern (47 Prozent) ganz oben. Identifizieren die AfD-Anhänger in der Zuwanderung und im Schutz der Außengrenzen (72 Prozent) die wichtigste europäische Aufgabe dieser Tage, sind den FDP-Anhängern wiederum Fragen von Wirtschaft und Arbeitsmarkt (56 Prozent) am wichtigsten. Die CSU-Anhänger sind vergleichsweise am wenigsten auf ein bestimmtes europapolitisches Aufgabenfeld fokussiert. Ihre Agenda wird noch am ehesten von Währungs- (35 Prozent) sowie Wirtschafts- und Arbeitsmarktfragen (34 Prozent) angeführt.


Frankreich: für acht von zehn vertrauenswürdiger Partner Deutschlands

Nach dem voraussichtlichen Brexit dürfte das Verhältnis zwischen den beiden großen EU-Mitgliedern Frankreich und Deutschland für die Entwicklung der Europäischen Union eine noch entscheidendere Rolle spielen als bislang. In ihrer Haltung zu Frankreich sind sich die Bayern weitgehend einig. Acht von zehn (79 Prozent) sehen im Nachbarland einen Partner der Bundesrepublik, dem man vertrauen kann. Nur jeder siebte Bayer (15 Prozent) stellt dies in Zweifel. Ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Frankreich besteht allein bei den AfD-Anhängern.


Studieninformationen

Für die Umfrage wurden von Infratest dimap im Zeitraum von 14. bis 18. März 2019 1001 Wahlberechtigte in Bayern telefonisch interviewt.

Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/Randomstichprobe.
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte.

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Quelle:
Presseinformation vom 20. März 2019
Herausgeber:
Bayerischer Rundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts
Rundfunkplatz 1, 80335 München
Pressestelle
Telefon: 089 / 59 00-01, Telefax: 089 / 59 00-18 59 00
E-Mail: info@br.de
Internet: www.br.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2019

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