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ENTWICKLUNGSHILFE/414: Entwicklungshilfe für die Wirtschaftsmacht China - Kritik nimmt zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. September 2010

China: Entwicklungshilfe für die Wirtschaftsmacht - Kritik nimmt zu

Von Antoaneta Becker


London, 24. September (IPS) - Frisch aufgestiegen zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht nach einem 30-jährigen Transformationsprozess, bekommt China von allen Seiten Lob für die Leistungen, die es in den Bereichen Armutsbekämpfung und Entwicklung vorweisen kann. Doch zugleich wächst die Kritik an der Pekinger Praxis, Hilfsgelder einzustreichen, die eigentlich den ärmsten Staaten in Afrika zukommen sollten.

Im abgelaufenen Wirtschaftsquartal ist es der Volksrepublik gelungen, was Experten schon seit langen prognostizierten: China verdrängte Japan als zweitgrößte Wirtschaftsnation. Damit hat China den vorläufigen Höhepunkt in seinem 30-jährigen Aufstieg erreicht und wird voraussichtlich 2030 auch die USA überholen.

2008 war China der Motor, der die Weltwirtschaft aus der Rezession zog und die Welt zollt Beifall. Allen voran Weltbank-Präsident Robert Zoellick, der am 15. September anlässlich der 30-jährigen Beziehungen zwischen Peking und der internationalen Finanzorganisation in der chinesischen Hauptstadt sprach.


Noch ein "großer Sprung"?

Seit der Abkehr Chinas von der kommunistischen Planwirtschaft habe die chinesische Führung über eine halbe Milliarde Menschen aus extremer Armut geführt, sagte Zoellick. "Das ist mit Sicherheit der größte Sprung zur Überwindung der Armut in der Geschichte. (...) Wir und der Rest der Welt können daraus viel lernen."

Aber nicht alle sind so voll des Lobes. Parallel zu seinem immensen Wirtschaftswachstum habe China aggressiv Hilfsgelder für den Kampf gegen AIDS, Malaria, TBC und andere Seuchen akquiriert, die eigentlich in die armen Staaten Afrikas hätten gehen sollen, sagen Kritiker.

Einem früheren Mitarbeiter des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zufolge hat China mehr als dreimal soviel Gelder bekommen wie etwa Südafrika, eines der am schwersten von AIDS und Malaria betroffenen Länder. Gerade einmal 38 Chinesen seien 2009 an Malaria gestorben, so Jack Chow. Dennoch habe Peking 149 Millionen US-Dollar mehr zur Bekämpfung der Krankheit erhalten als die Demokratische Republik Kongo, wo 25.000 Menschen an der Krankheit starben.

"Wir hätten uns gewünscht, dass der Löwenanteil der Gelder in Staaten wie Lesotho, Haiti oder Uganda gehe, wo die Krankheit Krisenausmaße erreicht hat", schreibt Chow, der für die US-Regierung an der Gründung des Fonds mitgearbeitet hatte, in der Fachpublikation 'Foreign Policy'. "Daher mag es Sie überraschen und zum Nachdenken anregen - wie auch mich nach wie vor -, dass einer der Hauptleistungsempfänger nicht im subsaharischen Afrika, in Lateinamerika oder im armen Zentralasien zu finden ist. Es ist ein Land mit 2,5 Billionen Dollar Devisenreserven: China."


Wenig zahlen, viel bekommen

Das ist aber nicht allein die Schuld Chinas, sondern ist auch den Statuten des Fonds geschuldet. Die sehen nämlich Bevölkerungszahlen und Pro-Kopf-Einkommen als Bemessungsgrundlage vor. Und letzteres setzt China auf eine Stufe mit Bolivien und Kamerun. China habe sich diese Bestimmungen lediglich zunutze gemacht, sagte Chow.

Peking zahlt zwar in den Fonds ein, der Betrag ist aber nicht seiner Wirtschaftskraft angemessen. In den acht Jahren seit Gründung hat China 16 Millionen Dollar beigesteuert, aber eine Milliarde herausbekommen. Die USA haben im Vergleich 6,5 Milliarden eingezahlt.

Das Missverhältnis spricht sich herum. Verschiedene europäische Staaten haben China aufgefordert, sich international stärker zu engagieren. Die britische Regierung ging voran und strich ihre Entwicklungshilfe an Peking und forderte ihre Partner in der Europäischen Union auf, dem Beispiel zu folgen. "Britische Gelder sollten dafür ausgegeben werden, den Ärmsten in den ärmsten Staaten zu helfen", so der britische Minister für Entwicklungshilfe, Andrew Mitchell.


EU in der Kritik

Der Politologe Ding Xueliang von der Universität für Wissenschaft und Technik in Hongkong hat volles Verständnis für diese Haltung. "In den letzten Jahren hat China der Welt deutlich gezeigt, wie viel Geld die Regierung hat. Hintereinander wurden die Olympischen Spiele und die Expo in Schanghai ausgerichtet. Ich gehe davon aus, dass sich viele Geberländer dem britischen Beispiel anschließen werden."

Brüssel hat insgesamt 224 Millionen Euro für Infrastruktur- und Umweltprojekte in China zwischen 2007 und 2013 vorgesehen. Immer wieder wird die EU für ihre Unterstützung von Staaten kritisiert, die inzwischen ihren Mitgliedern wirtschaftliche Konkurrenz machen, anstatt den wirklich bedürftigen zu helfen.

Das große Empfängerland China hat in den letzten Jahren die Weltöffentlichkeit mit seinen eigenen extensiven Hilfsleistungen und großangelegten Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern in Erstaunen versetzt, mit denen es sich dort Einfluss und Rohstoffe sichert.


Investment-Macht in Afrika

Allein in Afrika stiegen die chinesischen Investitionen nach Angaben der Weltbank zwischen 2003 und 2007 von weniger als einer Milliarde auf sieben Milliarden Dollar. Ende 2009 sprach die chinesische Führung von über acht Milliarden. Kein anderes Entwicklungs- oder Schwellenland leitet so viel Geld nach Afrika.

Professor Ding will diese Rechnungen aber relativiert sehen. "Es gibt in China eine viel gebrauchte Redewendung: 'Guofu Minqiong', das bedeutet 'Reiche Regierung - armes Volk'. Denken Sie nur an den 'Großen Sprung nach vorn' in den 1960er Jahren. Damals verhungerten Millionen Chinesen, während Mao Zedong gleichzeitig riesige Summen Militär- und Wirtschaftshilfe in viele Länder der Welt überwies." (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010