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MENSCHENRECHTE/277: Sri Lanka - Widerstand gegen Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Januar 2014

Sri Lanka: Widerstand gegen Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen - Staaten machen Druck

von Amantha Perera



Colombo, 30. Dezember (IPS) - Als das 'American Centre' in der srilankischen Hauptstadt Colombo eine Gedenkveranstaltung zum Tod von Nelson Mandela, dem ersten Staatspräsidenten Südafrikas nach dem Ende der Apartheid, abhielt, ging es bei den Frage- und Antwort-Sitzungen zunächst nicht um den großen Freiheitskämpfer. Am 20. Dezember stand die Frage im Mittelpunkt, wie Südafrika Sri Lanka helfen könnte, die Wunden der Vergangenheit zu schließen.

Auf dem Gipfeltreffen der Commonwealth-Staatschefs (CHOGM) im November hatte sich die srilankische Regierung von Präsident Mahinda Rajapaksa an den Kapstaat gewandt, sämtliche Möglichkeiten auszuloten, wie Südafrika dem südasiatischen Land beim Aufbau einer Art srilankischer Wahrheits- und Versöhnungskommission (TRC) behilflich sein könnte.

Nach Angaben des südafrikanischen Gesandten in Colombo, Geoff Doidge, war die srilankische Regierung auf dem Gipfel an den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma herangetreten. "Die Vergangenheit wird Sie als Land ohne einen solchen TRC-Prozess selbst dann noch verfolgen, wenn sie vorankommen", mahnte Zuma auf dem Treffen.

Das Commonwealth-Treffen rückte die Menschenrechtsverletzungen, die im Zuge des fünfjährigen Bürgerkriegs zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit begangen worden waren, wieder in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Allein gegen Ende des Konflikts 2009 kamen nach UN-Angaben an die 40.000 von insgesamt 100.000 Menschen ums Leben, die sich direkt in der Schusslinie der Regierungstruppen und der Rebellenorganisation LTTE befanden. Die LTTE kämpfte im Norden des Landes für einen tamilischen Staat.


Kritik des britischen Regierungschefs

Der britische Premierminister David Cameron nahm den Gipfel zum Anlass, um das ehemalige Kriegsgebiet im Norden des Landes zusammen mit Journalisten zu besuchen und darauf hinzuweisen, dass Sri Lanka in dem Bemühen, die internationalen Bedenken gegen die Rechtsverletzungen zu zerstreuen, im Rückstand sei. Sollte sich Colombo nicht bewegen, werde man Maßnahmen gegen die Rajapaksa-Regierung unterstützen.

"Sri Lanka steht im Rampenlicht und muss zeigen, dass es sich dem Commonwealth (und dessen Werten) verpflichtet fühlt", erklärte der britische Hochkommissar für Kamerun, John Rankin, vor dem Commonwealth- Treffen.

Internationale Menschenrechtsaktivisten, die seit langem eine glaubwürdige Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka fordern, begrüßten die Äußerungen. "Sie haben auf die Notwendigkeit einer internationalen Untersuchung aufmerksam gemacht", unterstrich Steve Crashaw von 'Amnesty International'. Crashaw zufolge sollten auch andere globale Player dem Vorbild Camerons folgen. Auch die USA haben ähnliche Forderungen gestellt. Sie insistieren auf die Aufklärung des Schicksals von tausenden Verschwundenen.

Erwartet wird, dass im Neuen Jahr der Druck auf die srilankische Regierung wächst. Die US-Staatssekretärin für Süd- und Zentralasien, Nisha Desai Biswal, wird Mitte Januar in Sri Lanka erwartet. Während ihres ersten Besuchs auf der Insel Biswal wird sie voraussichtlich über Fragen bezüglich der Untersuchungen über die Fälle von Verschundenen und Ermordeten diskutieren.

Sri Lankas Präsident Rajapaksa hatte Ende November eine neue Kommission zur Zählung der Kriegsopfer eingerichtet. Bei einer ähnlichen Zählung 2011 hatte man seit 2005 4.156 Personen als vermisst gemeldet. Doch internationale Organisationen einschließlich eines Beraterausschusses des UN-Generalssekretärs gehen davon aus, dass die Zahl zehn Mal höher sein dürfte.


Verschwundenenregister

Der vor kurzem gebildete Nördliche Provinzrat, der von der oppositionellen Tamilischen Nationalallianz kontrolliert wird, hat bereits mitgeteilt, dass er ein eigenes Verschwundenenregister anlegen werde, da man die offiziellen Zahlen für unglaubwürdig halte.

Nationale Menschenrechtler erklärten gegenüber IPS, dass der Druck von Großbritannien, den USA und dem benachbarten Indien, dessen Regierungschef nicht an dem Commonwealth-Gipfel teilgenommen hatte, die Regierung in Colombo zumindest dazu zwingen werde, sich den unangenehmen Fragen stellen zu müssen.

"Zumindest stärkt er die Entschlossenheit und den Mut der Opfer, der Opferfamilien, einzelner Journalisten, Anwälte, Geistlicher und Aktivisten, auch weiterhin für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten", unterstreicht Rukshan Fernando, Vorstandsmitglied der internationalen Menschenrechtsorganisation 'Rights Now'.

Sollte die Regierung die Entscheidung in der Frage weiter hinauszögern, müsse sie mit harschen Reaktionen auf der im März stattfindenden Sitzung des UN-Menschenrechtsrats rechnen, warnte Fernando. In den vergangenen zwei Jahren hat der Rat Resolutionen angenommen, die die srilankische Regierung auffordern, auf die Menschenrechtsvorwürfe zu reagieren. Doch in keiner Resolution wurde die Möglichkeit einer internationalen Menschenrechtsprüfung thematisiert.

"Die Ratsmitglieder haben ihre Haltung gegenüber Sri Lanka von 2009 bis 2012 und 2013 verschärft, und der CHOGM-Boykott von Seiten indischer Abgeordneter zeigt, dass Indien bereit ist, strenger mit Sri Lanka zu verfahren", fügte Fernando hinzu.


Indien denkt um

Die Rolle Indiens hat sich in den letzten fünf Jahren stark geändert. Mitte 2009, als der Krieg in Sri Lanka dem Ende zuging, hatte Indien dafür gesorgt, eine von den europäischen Staaten eingebrachte Resolution zu verhindern, die die Aktivitäten der Regierung im Konflikt verurteilt hatte.

2014 könnten politische Erfordernisse Neu-Delhi zur 360-Grad-Drehung veranlassen, wie Ramani Hariharan, ein politischer Kommentator aus Indien, erklärte, der als Geheimdienstler für die indische Friedenstruppe tätig war, die von 1987 bis 1990 in Sri Lanka stationiert war.

"Der UN-Menschenrechtsrat wird im März zusammentreten, wenn die indischen Parlamentswahlen in die heiße Phase gehen. Das Schicksal des von der Regierung dominierten Kongresses steht auf dem Spiel. Es ist wahrscheinlich, dass die Partei 'Dravida Munnetra K'azhagam' (DMK) ín der Koalition verbleibt. Die DMK ist die dominierende Partei in Tamil Nadu."

Es war dem Druck des südindischen Bundesstaates zu verdanken, in dem die Tamilen in der Mehrheit sind, dass der indische Premierminister Manmohan Singh im November nicht nach Colombo gereist ist. "Die Sitzungen des Menschenrechtsrats", so auch Crashaw von Amnesty International, "können einen starken Druck auf Sri Lanka ausüben." (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/12/sri-lanka-faces-new-year-pressure-rights/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2014