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MILITÄR/875: Südostasien - Tückisches Kriegserbe, Beim Abräumen von Blindgängern liegt Laos vorn (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2010

Südostasien: Tückisches Kriegserbe - Beim Abräumen von Blindgängern liegt Laos vorn

Von Irwin Loy


Sekong, Laos, 17. November (IPS) - Tag für Tag entschärft im südöstlichen Sekong, einer der ärmsten Provinzen von Laos, ein professionelles Sprengkommando Blindgänger, damit die einheimischen Kleinbauern wieder ein Feld mehr bewirtschaften können. Von den zwei Millionen Tonnen Bomben der US-amerikanischen Luftwaffe, die im Vietnamkrieg (1964-1973) allein über das politisch neutrale Laos niedergingen, verseuchen nach UN-Schätzungen immer noch 30 Prozent weite Landstriche der Demokratischen Volksrepublik Laos.

Die US-Bomber hatten den so genannten Ho-Chi-Minh-Pfad im Visier. Die Verbindungslinie zwischen Nord- und Südvietnam führte streckenweise auch durch die Nachbarländer Kambodscha und Laos. Jede der zahllosen Clusterbomben, die über Dörfern, Straßen und Feldern abgeworfen wurden, verstreuten beim Aufprall hunderte kleiner Sprengkörper im Gelände und machten schätzungsweise 80 Prozent der Agrarflächen unbenutzbar. Laos ist das am schwersten bombardierte Land der Welt.

Das kleine südostasiatische Land gehörte denn auch zu den eifrigsten Befürwortern einer internationalen Konvention gegen Streumunition. Sie wurde am 30. Mai 2008 von 107 Staaten angenommen und trat am 1. August 2010 in Kraft. Vertreter der Vertragsstaaten trafen sich vom 9. bis 12. November zu ihrer ersten Konferenz in Vientiane, der Hauptstadt von Laos.

Unterdessen sind die Minenräumer in Sekong bei der Arbeit. Mit jeder Explosion, deren Echo in den umliegenden Tälern verhallt, verringert sich die Gefahr, dass einer dieser nicht explodierten Geschosse ('Unexploded Explosive Ordnance - UXO) einen Menschen zerfetzt oder tötet. In Laos sind 98 Prozent der auf bis zu 100.000 geschätzten Opfer von Streubomben Zivilisten, überwiegend Kinder.

In Sekong koordiniert Somphong Chanthavong im Auftrag der norwegischen Hilfsorganisation 'Norwegians People's Aid' die Räumung der Blindgänger. "Es sind die armen Leute, denen wir helfen. Wenn sie Land besitzen, können sie darauf Reis und andere Produkte anbauen. Auf verseuchtem Land wird Feldarbeit zur Sprengfalle", erklärte er.

Unterstützt von Norwegen und norwegischen zivilen Gruppen hat Laos mit seinem Engagement beim Munitionsräumen seine Nachbarn Kambodscha und Vietnam weit hinter sich gelassen. Obwohl die drei Länder dem US-Bombenhagel gleichermaßen ausgesetzt und durch den Ho-Chi-Minh-Pfad miteinander verbunden waren, haben die vietnamesische und die kambodschanische Regierung es bislang abgelehnt, die Konvention gegen Streubomben zu ratifizieren, die deren Verwendung, Produktion, Lagerung und Weitergabe verbietet.


Warnung an Kambodscha und Vietnam

Abrüstungsaktivisten wie Thomas Nash von der 'Cluster Munition Coalition' (CMC), die die Zivilgesellschaft dazu gebracht hat, sich hinter das Verbot von Clustermunition zu stellen, betonte: "In Vietnam und Kambodscha leiden Menschen immer noch unter diesem Kriegserbe. Gerade ihnen wollen wir mit dieser Konvention helfen, denn sie beschränkt sich nicht auf ein Verbot."

Anfangs hatte Kambodscha die Initiative zum Verbot von Streumunition unterstützt, doch als die Konvention unterzeichnet werden sollte, machte die Regierung einen Rückzieher. Ihre Vertreter versicherten, man unterstütze sie weiterhin und werde diese internationale Vereinbarung später unterzeichnen. Doch nach einem jahrzehntelangen Konflikt mit Thailand und anhaltender Spannungen im Grenzgebiet müsse man die eigenen Bestände an Streumunition vorläufig behalten.

Auch Vietnam will die Konvention unterstützen. Von einer Ratifizierung sieht die Regierung dennoch ab und erklärte, sie könne die darin für die Munitionsräumung verlangte Frist nicht einhalten.

Nach Ansicht des Aktivisten Nash riskieren beide Länder mit ihrer Weigerung, bei der Verteilung einschlägiger internationaler Hilfsgelder außen vor zu bleiben. Alle drei Länder halten schon jetzt entsprechende Hilfen für nicht ausreichend. Nash betonte, Staaten, die eine solche internationale Konvention frühzeitig ratifizieren, hätten größere Aussichten, beim Räumen der Blindgänger finanziell unterstützt zu werden.


Zusätzliche finanzielle Hilfe angekündigt

"In den ersten Jahren ist das politische Engagement groß, das Problem unübersehbar und die Bereitschaft der Geberländer, den betroffenen Ländern Geld und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, am größten", erklärte Nash. "Kambodscha und Vietnam hätten also allen Grund, der Konvention gegen Streumunition beizutreten."

Seine Prognose scheint sich zu bewahrheiten. Zum Ende der Konferenz der Unterzeichnerstaaten in Vientiane kündigten Australien, Belgien, Luxemburg, Neuseeland und die Schweiz an, für die Räumung von Blindgängern in Laos neue Mittel anzuweisen. Nach Angaben der CMC soll es sich dabei um insgesamt mehr als 6,7 Millionen US-Dollar handeln. Keine geringe Hilfe für ein armes Land, in dem das Auffinden und Unschädlichmachen von Streumunition jährlich zwölf bis 14 Millionen Dollar kostet.

Die Konferenz in Vientiane einigte sich auf eine genauere Planung der in der Konvention geforderten Umsetzung. Den Vertragsländern bleiben acht Jahre, um ihre Bestände an Streumunition zu vernichten. Innerhalb eines Jahres sollen die Länder individuelle Zeitvorgaben aushandeln, Angaben über die erforderliche Finanzierung machen, die gesamten betroffenen Gebiete identifizieren und den Zeitraum für die Vernichtung aller Blindgänger festlegen. (Ende/IPS/mp/2010)

Links:
http://www.npaid.org
http://www.stopclustermunitions.org/
http://www.legaciesofwar.org
http://www.unicef.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53569


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010