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REDE/895: Thomas de Maizière zum Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz, 30.09.11 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, zum Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag am 30. September 2011 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Der Deutsche Bundestag hat allein in diesem Jahr siebenmal über die Entsendung von Streitkräften debattiert und abgestimmt. Dabei stehen naturgemäß die Sicherheitspolitik und die Sinnhaftigkeit eines solchen Einsatzes im Mittelpunkt. Das ist verständlich und gut so. Wir dürfen aber niemals vergessen, dass es bei diesen Entscheidungen um Menschen geht, um Soldaten, manchmal auch um zivile Mitarbeiter, die wir in die Welt schicken, um Menschen, die uns anvertraut sind. Deswegen debattieren wir heute über den vorliegenden Gesetzentwurf.

Die Soldatinnen und Soldaten und ebenso die zivilen Mitarbeiter werden, wenn auch in unterschiedlicher Form, durch unsere Entscheidung Gefährdungen ausgesetzt. Die Soldatinnen und Soldaten wissen das. Sie kennen die Gefährdungen. Sie haben durch Ablegung ihres Diensteids zugesagt, sich diesen Gefährdungen auszusetzen. Viele sind stolz darauf.

Loyalität und Pflichterfüllung sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber keine Einbahnstraße. Für Staat und Politik folgt vielmehr im Gegenzug die Verpflichtung, Verletzte und Hinterbliebene so gut wie möglich abzusichern. Pflichterfüllung der Soldaten und Fürsorgepflicht des Dienstherrn sind zwei Seiten derselben Medaille.

Die Art und Weise, wie unser Land mit den Veteranen der Bundeswehr umgeht, wie es sie nach dem Einsatz wieder aufnimmt, wie ihre Versorgung gestaltet wird, ist ein zentraler Gradmesser der gesellschaftlichen Anerkennung des soldatischen Dienstes. Hier setzt der Gesetzentwurf an, den ich heute hier einbringen darf.

Es ist nicht das erste Gesetz zu diesem Thema. Wir haben bereits 2004 und 2007 entsprechende Gesetze beraten. Vieles ist besser geworden. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Initiative zu diesem Gesetzentwurf, die vom Parlament und nicht von der Regierung ausgegangen ist. Ich freue mich, dass wir uns darüber einig sind, weitere Verbesserungen vorzunehmen. Ich nenne einmal fünf:

Erstens. Die einmalige Entschädigungszahlung bei schweren Einsatzunfällen wird deutlich erhöht.

Zweitens. Einsatzzeiten werden bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit in Zukunft doppelt berücksichtigt. Das ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt.

Drittens. Das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz wirkt rückwirkend. Diese Änderung ist vielleicht noch wichtiger als die vorige. Wir führen einen Stichtag ein, den 1. Juli 1992. Das war, wenn ich das richtig weiß, der Kambodscha-Einsatz. Das heißt, es gilt für alle, die seit 1992 gefallen sind oder verwundet worden sind. Es wird also niemand benachteiligt.

Viertens. Hinterbliebene von im Einsatz gefallenen Zeitsoldaten werden genauso behandelt, als wenn der Angehörige - meist ist es der Ehemann - Berufssoldat gewesen wäre. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Aus guten Gründen werden Dienstverhältnisse auf Zeit anders behandelt als unbefristete Dienstverhältnisse. Hier, wenn es um das Beklagen eines gefallenen Soldaten geht, wird die Versorgung gleich gestaltet.

Fünftens. Wir schließen eine Lücke bei den sogenannten Kriegsklauseln. Auch bei Lebensversicherungen zur Finanzierung von Immobilien tritt künftig der Bund mit einem Schadensausgleich ein.

Ich will das zum Anlass für eine Bemerkung nehmen. Wir schaffen diese Regelung gern, und wir halten sie auch für richtig. Aber ich möchte von hier aus an unsere Versicherungen appellieren. Wenn es eine Kriegsklausel in einem Lebensversicherungsvertrag gibt und der Soldat etwa in Afghanistan gefallen ist, dann ist es für die Versicherung nicht nur eine Frage der Kulanz, sondern der selbstverständlichen Ehre, sich in diesem Fall gegenüber den Hinterbliebenen nicht auf die Kriegsklausel zu berufen. Wenn man sich doch auf die Klausel beruft, steht der Bund dafür ein. Das wird hier geregelt.

Einzelne Zielvorstellungen, die in dem Beschluss dieses Hauses niedergelegt waren, sind in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht umgesetzt worden; dazu werden wir in der Debatte gleich noch etwas hören. Dabei geht es um die Frage, ab wann eine dauerhafte Wehrdienstbeschädigung vorliegt, ab einem Schädigungsgrad von 30 Prozent oder von 50 Prozent, und wie die Beweislast ist. Im Rahmen der Ressortabstimmung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, das nicht in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Es wird jetzt versucht - das habe ich gehört; die Koalitionsfraktionen werden das sicher gleich näher begründen -, das noch nachzubessern. Wenn es dazu kommt, freut mich das sehr.

Ich will, auch in Richtung der Opposition, noch sagen: Egal, wie diese Debatte ausgeht - es sind ja hoffentlich wenige Fälle, in denen der Schädigungsgrad zwischen 30 und 50 Prozent beträgt -: Wir sollten nicht vergessen, dass die großen Maßnahmen, die auf Ihre gemeinsame Initiative hin jetzt eine gesetzliche Grundlage finden, als Erfolg bleiben. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.

Ich will abschließend darauf hinweisen, dass diese gesetzlichen Regelungen nicht nur für Soldatinnen und Soldaten gelten, sondern auch für alle zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Polizistinnen und Polizisten in Einsätzen. Wir haben in dem Bereich weniger Opfer zu beklagen, aber es gibt Opfer. Wer weiß, vielleicht werden es mehr. Für diesen Personenkreis wird in gleicher Weise gesorgt.

Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung. Ich bin sicher, dass dieses Gesetz in zweiter und dritter Lesung in diesem Haus mit einer breiten Mehrheit verabschiedet wird. Das wäre insbesondere für die Soldatinnen und Soldaten gut.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 100-1 vom 30.10.2011
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière,
zum Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz vor dem Deutschen Bundestag
am 30. September 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2011