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SICHERHEIT/112: Mexiko - Viele US-Gewehre in privater Hand, Waffenbesitz weitgehend unkontrolliert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2013

Mexiko:
Viele US-Gewehre in privater Hand, Waffenbesitz weitgehend unkontrolliert

Von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 11. Januar (IPS) - Waffen aus den USA befinden sich in Mexiko längst nicht nur in den Händen krimineller Banden. Darüber, dass auch viele normale Bürger Gewehre und Pistolen zu Hause haben und dies kaum kontrolliert wird, herrscht jedoch eher Schweigen. Dabei lehnen die meisten Mexikaner den privaten Waffenbesitz ab.

Gemäß der Staatsverfassung haben die Mexikaner das Recht auf eigene Schusswaffen, um sich zu schützen und selbst zu verteidigen. Ausgenommen sind großkalibrige Waffen. In dem 1972 in Kraft getretenen Bundesgesetz über Feuerwaffen und Sprengstoffe sind die Voraussetzungen für eine Aufnahme in das staatliche Waffenregister festgelegt.

Experten sind geteilter Meinung darüber, ob die verbreitete Gewalt in der mexikanischen Gesellschaft eine Gesetzesreform erfordert oder ob es ausreichen würde, geltende Bestimmungen anzuwenden.

"Mexiko hat eines der strengsten Gesetze. Ich denke, das eigentliche Problem besteht in der Anwendung", meint Magda Coss, die Autorin des Buches 'Tráfico de armas en México. Corrupción, armamentismo y cultura de la violencia" (Waffenhandel in Mexiko. Korruption, Bewaffnung und Kultur der Gewalt).

"Bei der Anwendung des Gesetzes treten viele Mängel zutage. Viele Bürger sind sich dessen nicht bewusst", erklärt Coss, deren Buch 2010 veröffentlicht wurde. Andererseits gebe es auch Korruption innerhalb der Behörden. Die Aufbewahrung beschlagnahmter Waffen werde nicht kontrolliert. Somit könnten diese Waffen schnell auf dem Schwarzmarkt landen.

Unabhängige Beobachter sind davon überzeugt, dass der private Besitz von Waffen, die auf den Straßen in Umlauf kommen, die Gewalt in Mexiko verschlimmert hat. Die Drogenkartelle werden durch den Waffenschmuggel versorgt, den Banden in großem Stil betreiben. 2011 waren beim mexikanischen Verteidigungsministerium 2,45 Millionen Waffen registriert, vor allem Gewehre und Jagdgewehre, gefolgt von halbautomatischen Pistolen.


Großteil der Waffen illegal

Wie das Ministerium einräumte, befindet sich allerdings nur jede 300. Waffe rechtmäßig in den Händen ihres Eigentümers, der alle notwendigen Auflagen erfüllt. In dem Land mit rund 117 Millionen Einwohnern gebe es etwa 15 Millionen Waffen, die aus illegalen Quellen stammten, geht aus der 'Schätzung der Schusswaffen im Besitz der Bürger' von 2011 hervor. Der Report ist Teil des jährlichen 'Small Arms Survey' des Genfer Hochschulinstituts für Internationale Studien.

Experten wie Luis Gutierrez, Präsident des nichtstaatlichen Lateinamerikanischen Zirkels für Internationale Studien, empfiehlt die Einführung eines neuen Waffengesetzes, das strenge Regelungen für Kauf, Besitz und Transfer enthalten soll. "Das bestehende Gesetz ist überholt, und eine effiziente Anwendung lässt sich nicht garantieren", kritisiert der Aktivist, dessen Organisation dem Internationalen Aktionsnetzwerk für Kleinwaffen (IANSA) angehört. "In diesem Land kann man heimlich alle Arten von Waffen erwerben, auch Sturmgewehre und Granaten."

Im Kampf gegen den Drogenhandel, den der frühere mexikanische Präsident Felipe Calderón bei seinem Amtsantritt 2006 begann, wurden etwa 100.000 Menschen getötet. 240.000 Menschen wurden vertrieben, und 25.000 werden noch vermisst, wie Daten der unabhängigen Organisation 'Mexiko wertet aus' des nationalen Statistikamts und der Generalstaatsanwaltschaft belegen.

Seit der Vereidigung des ebenso konservativen Calderón-Nachfolgers Enrique Peña Nieto im vergangenen Dezember ist die Zahl der Toten im Anti-Drogen-Krieg nach mexikanischen Presseberichten auf 850 gestiegen. Die mexikanischen Drogenkartelle erhöhen ihre Schlagkraft durch schwere Waffen, die aus den USA eingeschmuggelt werden. Leichtgewehre kommen dagegen illegal über die südliche Grenze aus Zentralamerika nach Mexiko. Im Nachbarstaat USA befinden sich Schätzungen zufolge etwa 270 Millionen Waffen in den Händen von 313 Millionen Bürgern.

In Mexiko hat die Regierung nach Angaben des Verteidigungsministeriums zwischen 2007 und 2012 etwa 140.000 Waffen konfisziert, zumeist Gewehre vom Typ AK-47, AR 15 und M-16. Da sich die Mexikaner im eigenen Land offenbar nicht mehr sicher fühlen, erwerben sie privat Waffen, auch wenn dieser Trend in der mexikanischen Gesellschaft weitgehend auf Widerstand stößt.


Mehr als die Hälfte der Mexikaner lehnen privaten Waffenbesitz ab

Aus einer 2011 durchgeführten Untersuchung der Beratungsfirma 'Parametria' geht hervor, dass immerhin 51 Prozent der Mexikaner den persönlichen Besitz von Waffen ablehnen. 38 Prozent befürworten demnach ein vollständiges Verbot. Nach Erkenntnissen des Small Arms Survey liegt Mexiko von 170 untersuchten Ländern in Bezug auf den privaten Waffenbesitz auf Platz 42.

Wie Magda Coss kritisiert, wird die Bevölkerung nicht ausreichend für die Risiken sensibilisiert. Durch die von der Regierung und den Stadtverwaltungen jährlich durchgeführten Kampagnen werde niemand richtig über die Konsequenzen informiert, die die Aufbewahrung von Waffen zu Hause haben könnten. Gesetzlich ist allerdings vorgeschrieben, dass die Behörden durch ständige Aufklärung dazu beitragen sollen, dass der private Waffenbesitz zurückgeht.

Mexiko ist zwar einer der größten Unterstützer des Vertrags über den internationalen Handel mit konventionellen Waffen, der derzeit von den Vereinten Nationen ausgehandelt wird. Im Juli 2012 gelang es jedoch China, den USA und Russland, das Vorhaben zu blockieren. Die Vertragsparteien wollen sich erneut im März dieses Jahres in New York treffen, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen. (Ende/IPS/ck/2013)

Links:
http://www.claei.org.mx/
http://www.iansa.org/
http://graduateinstitute.ch/corporate/executive/training-workshops/uniautomne/herbstuniversitaet_fr.html
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102212
http://www.ipsnews.net/2013/01/mexicos-gun-problems-go-beyond-drug-wars/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2013