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SICHERHEIT/138: Abrüstung - Augenzeuge von Atomexplosion fordert Weltmächte heraus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Mai 2014

Abrüstung: Augenzeuge von Atomexplosion fordert Weltmächte heraus

von Thalif Deen


Bild: © Christopher Michel/cc by 2.0

Zwischen 1946 und 1958 hatten die USA 67 Atomtests im Umfeld der Marshall-Inseln durchgeführt. Die dortige Bevölkerung leidet bis heute unter den Folgen
Bild: © Christopher Michel/cc by 2.0

New York, 13. Mai (IPS) - Als der Außenminister der Marshall-Inseln, Tony de Brun, auf dem dritten Treffen zur Vorbereitung (PrepCom) der Konferenz für die Revision des Atomwaffensperrvertrags (NPT) im nächsten Jahr die Teilnehmer fragte, ob einer von ihnen schon mal eine nukleare Sprengung miterlebt habe, folgte Schweigen.

Der Minister kann sich noch gut an den weißen Blitz nach der Zündung der Wasserstoffbombe 'Bravo' über dem Bikini-Atoll vor 60 Jahren erinnern. Damals war de Brun neun Jahre alt gewesen. Die Detonation sei um das 1.000-Fache größer als die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe gewesen, berichtete er seinen Zuhörern, in der Mehrheit Abrüstungsbefürworter.

Das PrepCom-Treffen vom 28. April bis 9. Mai endete weitgehend ergebnislos. John Burroughs, Direktor des 'Lawyers Committee on Nuclear Policy' und des UN-Büros der 'Internationalen Vereinigung von Rechtsanwälten gegen Atomwaffen' (IALANA), erklärte gegenüber IPS, dass es dem PrepCom lediglich gelungen sei, einen Fahrplan für die Konferenz im nächsten Jahr abzustimmen.


Washington "schändliches Versagen" vorgeworfen

In einem offenen Brief an US-Präsident Barack Obama kritisierten mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Anti-Atomwaffen-Aktivisten die USA für das "schändliche Versagen" bei der nuklearen Abrüstung. Sie warfen Washington vor, mindestens inaktiv, wenn nicht gar hinderlich gewesen zu sein.

Die Unterzeichner des Schreibens, darunter die 'Western States Legal Foundation', das 'Lawyers Committee on Nuclear Policy', 'Peace Action', 'Nuclear Age Peace Foundation', 'American Friends Service Committee' und 'Peace Action New York', forderten die Obama-Regierung auf, "ihre negative Haltung abzulegen und konstruktiv an den Beratungen und Verhandlungen zugunsten eines multilateralen Prozesses für eine kernwaffenfreie Welt mitzuwirken".

Solange Washington keine positivere Rolle bei der atomaren Abrüstung spiele, werde sich der Konflikt spätestens auf der Konferenz für eine Revision des Atomwaffensperrvertrags im nächsten Jahr zuspitzen, warnte der Brief.

Konkret vorgeworfen wird den USA, eine 2010 einstimmig erzielte Übereinkunft zugunsten einer Konferenz über eine massenvernichtungsfreie Region Nahost 2012 unterlaufen zu haben. So erklärte das US-Außenministerium im November des gleichen Jahres, dass eine solche Konferenz auf unbestimmte Zeit verschoben werde.

Etwa zeitgleich richtete die UN-Vollversammlung eine unbefristete Arbeitsgruppe ein, die Vorschläge für Abrüstungsverhandlungen erarbeiten sollte. Darüber hinaus setzte sie ein hochrangiges Treffen über nukleare Abrüstung fest, das erste überhaupt zu diesem Thema. Doch Washington stimmte gegen beide Resolutionen und weigerte sich, in der Arbeitsgruppe mitzuwirken geschweige denn, deren Ergebnisse anzuerkennen.

Im März 2013 und Februar 2014 richteten Norwegen und Mexiko zwei Konferenzen aus, die sich mit den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen befassten. Beide Veranstaltungen wurden von Washington boykottiert.

Am 24. April verklagten die Marschall-Inseln die neun Atomwaffenstaaten wegen ihres Versagens, ihren im NPT und anderen Abkommen eingegangenen Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung nachzukommen und ein weiteres Wettrüsten zu verhindern. Die Klage richtet sich gegen die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (P5) USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland sowie die vier inoffiziellen Atomstaaten Israel, Indien, Nordkorea und Pakistan.

Burroughs ist Mitglied des Teams aus Rechtsanwälten, das den Inselstaat vor dem Internationalen Gerichtshof in New York vertritt. Zwischen 1946 und 1958 hatten die USA 67 Atomtests auf den Marshall-Inseln durchgeführt und dadurch Gesundheits- und Umweltprobleme ausgelöst, unter denen das 68.000 Einwohner zählende Land bis heute leidet.

Der 1970 in Kraft getretene Atomwaffensperrvertrag verbietet den Mitgliedstaaten die Weitergabe von Atomwaffen. Auch untersagt er den Atomstaaten, Nichtatomstaaten zur Herstellung oder Beschaffung von Atomwaffen anzuregen. Ferner sieht er die Durchführung von Revisionskonferenzen alle fünf Jahre vor. Die letzte fand 2010 statt. Indien, Pakistan und Israel verweigern ihren Beitritt zum NPT. Nordkorea gehörte dem Abkommen nur vorübergehend an.


Atomtestgefahr durch Nordkorea

Südkoreas Außenminister Yun Byung-Se, Vorsitzender eines Treffens des UN-Sicherheitsrats über Massenvernichtungswaffen, erklärte Anfang Mai, dass Nordkorea das einzige Land der Welt sei, das im 21. Jahrhundert Atomtests durchgeführt habe. Trotz gegenläufiger Bemühungen der internationalen Gemeinschaft habe Nordkorea in den letzten zwei Jahrzehnten an der Weiterentwicklung seiner Kernwaffen festgehalten und drohe mit der Durchführung eines vierten Tests, warnte er. Sollte Nordkorea in den Besitz von Atomwaffen gelangen, würde dies eine Unterminierung des NPT bedeuten und die Spannungen und Instabilität in Nordostasien verschärfen.

Der PrepCom-Vorsitzende, Perus UN-Botschafter Enrique Roman-Morey, räumte ein, dass es auf dem PrepCom-Treffen bei den Vereinten Nationen in New York zu keiner Übereinkunft hinsichtlich eines NPT-Aktionsplans gekommen sei. "Doch das hatte mehr mit Zeitmangel als mit einem fehlenden politischen Willens zu tun", meinte er. Angesprochen auf die Verhandlungsschwierigkeiten erklärte er, dass es bei der Diskussion um ein Verhandlungspapier in Nuklearfragen "vom ersten bis zum letzten Buchstaben" Probleme gab.

Eine Reihe von Staaten hat sich den Bemühungen des PrepCom-Vorsitzenden um einen Kompromiss widersetzt. Die NPT-Atomwaffenländer beharrten auf der weiteren Umsetzung der auf der Revisionskonferenz 2010 erreichten Verpflichtungen. Doch vertraten die Blockfreien-Bewegung (NAM) und andere die Meinung, dass der Aktionsplan der NPT-Revisionskonferenz 2015 weitreichender sein sollte, damit eine überprüfbare und zeitnahe Eliminierung von Atomwaffen stattfinden kann.

Viele Nicht-Atomwaffenstaaten vertraten ferner die Meinung, dass die Empfehlungen in einem viel größeren Ausmaß Bezug auf die Konferenzen über die Folgen nuklearer Explosionen für die Menschheit sowie auf das erste Hochrangige Treffen über nukleare Abrüstung in der UN-Vollversammlung im September 2013 nehmen müssten.


USA wollen auf Aktionsplan 2014 aufbauen

Thomas M. Countryman, beigeordneter US-Sekretär im Büro für Internationale Sicherheit und Nichtverbreitung, erklärte gegenüber den PrepCom-Delegierten, dass Washington im nächsten Jahr auf den Erfolg der 2010-NPT-Revisionskonferenz aufbauen werde, die einen umfassenden 64-Punkte-Aktionsplan zuwege brachte. Demnach werden die USA einen nationalen Bericht über ihre bisher vorgenommenen Maßnahmen zur Umsetzung der Schlüsselelemente des Aktionsplans veröffentlichen, die einem gemeinsamen Rahmenwerk der fünf Atomwaffenstaaten entnommen worden waren.

"Wir werden zudem unsere Beiträge zu den Programmen der Internationalen Atomenergiebehörde hervorheben, die eine friedliche Nutzung der Kernenergie zur Bekämpfung von Krankheiten, zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und zum Management der Wasserreserven zulassen", fügte er hinzu. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/05/eyewitness-to-nuke-explosion-challenges-world-powers/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2014