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INTERNATIONAL/034: IWF-Reform im Schneckentempo - Einhaltung von Oktobertermin unwahrscheinlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. September 2012

Finanzen: IWF-Reform im Schneckentempo - Einhaltung von Oktobertermin unwahrscheinlich

von Carey L. Biron



Washington, 12. September (IPS) - Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat mitgeteilt, dass die Mitgliedstaaten bei den Bemühungen um eine fairere Verteilung der IWF-Stimmenanteile dem Zeitplan hinterherhinken. Vor allem die USA, die zu den vehementesten Verfechtern der IWF-Reformen gehören, machen keine Anstalten, die erforderliche Zustimmung des Kongresses einzuholen.

Die IWF-Chefin Christine Lagarde hat die Länder zwar aufgefordert, die für die Reformen notwendigen Schritte zügig einzuleiten. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die erforderliche Rückendeckung bis zu den Herbsttagungen von IWF und Weltbank in Tokio Mitte Oktober nicht vorhanden sein wird.

Die Reformen zielen unter anderem darauf ab, aufstrebenden Volkswirtschaften und Entwicklungsländern ein größeres Stimmrecht und mehr Mitsprache innerhalb des IWF zu ermöglichen. Die Zeit drängt. Bis Januar 2013 sollte das Verfahren eigentlich abgeschlossen sein.

Hatten die USA die Reformen angestoßen und vehement unterstützt, fehlt es an dem offiziellen Rückhalt durch den US-Kongress. Da sich das Land derzeit mitten im Wahlkampf befindet, hat US-Präsident Barack Obama bereits durchblicken lassen, dass er dem Kongress das IWF-Projekt zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorlegen werde.

Dazu meinte Marie Griesgraber von der 'New Rules for Global Finance Coalition', einem internationalen Netzwerk in Washington, das sich für die IWF-Reformen stark macht: "Die Frage, die sich stellt, lautet doch, ob es in dieser handlungslosen Legislaturperiode - selbst im Fall einer Wiederwahl Obamas - doch noch zu einer solchen Entscheidung kommen wird."


IWF-Kapitaleinlage verdoppelt

Der IWF teilte am 11. September mit, dass zumindest eine Komponente des Reformpakets die erforderliche Unterstützung erhalten habe. So werden die IWF-Kapitaleinlagen auf etwa 767 Milliarden US-Dollar verdoppelt werden. Für den Beschluss reichte die Unterstützung von 70 Prozent aller IWF-Mitglieder. Bis zum 10. September hatten 73 Prozent der Mitgliedsländer - 124 der 188 Staaten - dem Reformvorschlag ihre Unterstützung zugesagt. Die USA gehörten nicht dazu.

Schwieriger gestaltet sich die Reform des IWF-Quotensystems, das die Kapitaleinlagen der Mitgliedsländer festlegt. Quote und Stimmrechte hängen von der Finanzkraft der Staaten ab. Die Umsetzung dieser Reform würde die Zusammensetzung des 24 Mitglieder zählenden Verwaltungsrats erheblich verändern, weil etliche Entwicklungsländer und insbesondere die aufstrebenden Schwellenländer ein größeres Mitsprachrecht in der Finanzorganisation erlangten.

Der Beschluss bedarf einer Stimmrechtsmehrheit von 85 Prozent. Bis zum 10. September hatten es 105 Länder jedoch erst auf 66 Prozent gebracht. Die USA allein verfügen über einen Stimmrechtsanteil von 17 Prozent.

Die IWF-Reform des hoch komplexen Quotensystems war auf einem Treffen der G20-Staaten in Seoul beschlossen worden. Nach Ansicht vieler Analysten ist das bisherige Quotensystem angesichts der finanziellen Verschiebungen hoffnungslos veraltet. China zum Beispiel hat es zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt gebracht, verfügt aber über den gleichen Stimmrechtsanteil wie Italien. Nach dem neuen Modell würde sich das Gewicht der Volksrepublik und anderer Schwellenländer innerhalb des IWF verdoppeln, während sich die Stimmrechte etlicher Industriestaaten verkleinern würden.

Die USA zählen zwar zu den vehementesten Unterstützern des Reformpakets. Doch in der Gruppe der 20 (G20) wichtigsten Volkswirtschaften der Welt treiben vor allem die größten Schwellenländer die Umsetzung des Vorhabens voran. Diese fordern die fristgerechte Rückendeckung bis zu den Herbsttagungen der Weltfinanzorganisationen.

Bereits vor dem G20-Gipfel in Mexiko Ende Juni hatten etliche G20-Vertreter Druck gemacht und sogar angedroht, zusätzliche Hilfsgelder für die angeschlagenen europäischen Volkswirtschaften einzubehalten. Die Speerspitze der Bewegung bildete Brasilien, das von China, Indien, Russland und dem Gipfelgastgeber unterstützt wird. Doch die Krise in der Eurozone stellte die IWF-Agenda und andere Themen in den Schatten.


Von Machtverlust betroffene Staaten mauern

Die Wahlen in den USA sind nicht das einzige Hindernis für das Vorankommen des Reformpakets. Nach den ersten formellen Gesprächen des IWF über die Reformen im Juli hieß es in einer Zusammenfassung der Veranstaltung, dass die verschiedenen Länderdirektoren "weit auseinander gehende Vorstellungen" hätten. "Der IWF-Verwaltungsrat selbst ist zutiefst gespalten", hieß es in dem Papier.

Auf der einen Seite gebe es die EU-Länder, die durch die Reform schlechter gestellt würden und somit alles daransetzten, ihre Sitze und Stimmen zu behalten, meinte Griesgraber. "Widerstand kommt aber auch von den Ländern mittlerer Einkommen, die bereits durch die Reformen von 2010 substanzielle Stimmenanteile verloren haben." Dazu gehörten beispielsweise Nigeria, Südafrika und Argentinien.

Es gibt eine Reihe von Experten, die das Reformpaket generell für wirkungslos halten. "China ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Und was bieten wir dem Land? Sehr wenig", sagte beispielsweise Mark Weisbrot, Kodirektor der Washingtoner Denkfabrik 'Center for Economic and Policy Research' im Juli gegenüber IPS. "Diese Staaten einschließlich China sind durch das Durcheinander in Europa angeschlagen. Und der IWF ist einer der drei Akteure, die dieses Durcheinander veranstalten. So gesehen werden diese Reformen nichts bewirken." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2012