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INTERNATIONAL/045: USA - Unternehmen verstecken Milliarden in Steueroasen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Februar 2013

USA: Unternehmen verstecken Milliarden in Steueroasen

von Carey L. Biron



Washington, 5. Februar (IPS) - Der Forschungsarm des US-Kongresses schlägt Alarm: US-Unternehmen machen zunehmend von Steueroasen Gebrauch, um den US-amerikanischen Fiskus zu umgehen. Demnach weisen sie in ihren Geschäftsberichten unrealistisch hohe Gewinne für Aktivitäten aus, die sie in diesen kleinen Ländern angeblich getätigt haben.

"Es gibt genügend Beweise dafür, dass in großem Stil Profite verschoben werden. Die Einkommensschätzungen schwanken zwischen etwa zehn Milliarden und 60 Milliarden US-Dollar jährlich", warnt Jane G. Gravelle, eine führende Wirtschaftsexpertin, in einem neuen Bericht des überparteilichen Forschungsdienstes des US-Kongresses (CRS). Sie schätzt die damit für den US-Staat verbundenen Verluste auf jährlich bis zu 90 Milliarden Dollar. Steuerhinterziehungen durch Einzelpersonen schlagen laut CRS mit 70 Milliarden Dollar zu Buche.

Hochrechnungen auf Grundlage der neuen CRS-Daten legen ferner nahe, dass sich US-Unternehmensgewinne, die etwa von den Bermudas berichtet werden, zwischen 1998 und 2008 sogar verfünffacht haben. Die neuesten Zahlen stammen aus dem Jahr 2008.

Am meisten überraschte die Wissenschaftler die Dreistigkeit, mit der US-Firmen ihre Gewinne im Ausland verfälscht darstellen. Für ihre Analyse hat Gravelle fünf relativ kleine, aber gut bekannte Steueroasen ausgewählt: Bermuda, Irland, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz. Sie untersuchte daraufhin den Anteil der Gewinne, den US-Firmen 2008 aus diesen Staaten gemeldet hatten.


Gigantische Gewinne trotz niedriger Investitionen

Die Organisation 'Citizens for Tax Justice' (CTJ) in Washington berichtete, dass in den fünf Ländern angeblich 43 Prozent der von den Unternehmen gemeldeten Gewinne in Übersee im Umfang von insgesamt 940 Milliarden Dollar erwirtschaftet worden seien. Dabei hatten die Multis angegeben, dort lediglich sieben Prozent ihrer Auslandsinvestitionen getätigt zu haben. In Ländern wie Deutschland und Großbritannien, in denen US-Unternehmen viel investieren, wurden hingegen nur 14 Prozent aller ausländischen Gewinne erzielt, wie den Steuerbehörden in den USA gemeldet wurde.

"Es ist offensichtlich, dass US-amerikanische Konzerne ihr Geld nicht in diesen Ländern verdienen, denn deren Volkswirtschaften haben nicht annähernd die erforderliche Größe", sagt CTJ-Direktor Robert McIntyre bezüglich der Steueroasen. US-Unternehmen würden beispielsweise Gewinne aus Bermuda melden, die 1.000 Prozent der Wirtschaftsleistung des Karibikstaates entsprächen. "Das ist ein weiterer wichtiger Beweis dafür, dass wir ein ernsthaftes Problem haben, sowohl in den USA als auch in Westeuropa", erklärt McIntyre. Dieser Trend habe sich mit großer Wahrscheinlichkeit seit 2008 sogar verstärkt.

Laut einem im vergangenen Dezember veröffentlichten Bericht von 'Global Financial Integrity', einer unabhängigen Organisation in Washington, haben Entwicklungsländer im Jahr 2010 fast eine Billion Dollar durch Steuerhinterziehung, Korruption und andere Formen von Finanzkriminalität verloren. Diese Beträge übersteigen bei weitem die jährliche Entwicklungshilfe an diese Staaten in Höhe von 88 Milliarden Dollar. Und Experten gehen sogar davon aus, dass sie tatsächlich noch höher sind.

"Ganz gleich, ob es sich um eine große Industrienation wie die USA oder um ein kleineres Entwicklungsland in Afrika handelt - wenn die im Land arbeitenden Firmen nicht genügend Steuern zahlen, wie sollen dann Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildung und andere Bereiche finanziert werden, die eine Wirtschaft wachsen lassen?" fragt McIntyre.

Die britische Hilfsorganisation 'Oxfam' appellierte am 30. Januar an führende Politiker in aller Welt, die Schlupflöcher in den Gesetzen zu schließen, die der Steuerhinterziehung in jüngster Zeit Tür und Tor geöffnet haben. Bereits ein Viertel der Einkünfte durch eine Besteuerung falsch gemeldeter Gewinne würden ausreichen, um "den Grundstein für eine Beendigung des Hungers in der Welt" zu legen.

"Die Regierungen sollten sich darauf verständigen, den Hunger in der Welt bis 2025 zu beseitigen und auch den Steueroasen ein Ende zu setzen", meinte Stephen Hale von 'Oxfam'. "Steuerhinterziehung nimmt den Hungernden die Nahrung weg."


Geschätzte 32 Billionen Dollar weltweit in Steueroasen

Nach Schätzungen der Gruppe ruhen zurzeit etwa 32 Billionen Dollar weltweit in Steueroasen. Würden auf diese Gelder Steuern erhoben, kämen jährlich etwa 190 Milliarden Dollar zusammen. Wie Oxfam ausführte, reichten 50,2 Milliarden Dollar im Jahr bereits aus, um zusammen mit weiteren politischen Strategien den Hunger global zu beenden.

Die USA sind zwar in der Lage, weltweit Steuern zu erheben. Doch gibt es eine entscheidende Ausnahme: Im Ausland erwirtschaftete Gewinne werden erst dann besteuert, wenn die Unternehmen das Geld in ihr Land gebracht haben. Daher belassen die Firmen ihre Gewinne möglichst in Übersee oder erklären, dass sie das Geld in Staaten verdient haben, die entweder strenge Datenschutzrichtlinien haben oder keine genauen Angaben verlangen.

So sind die Niederlande ein wichtiges Transitland für nicht deklarierte Einkünfte von transnationalen Unternehmen geworden. Neueren Schätzungen zufolge können in dem Land etwa 13 Milliarden Dollar legal durch das Finanzsystem in bekannte Steueroasen wie die Cayman-Inseln geschafft werden.

Angesichts der Finanzkrise in Europa haben diese Zahlen politische Entscheidungsträger in der Europäischen Union hellhörig gemacht. Im Dezember kritisierte die Europäische Kommission, dass Steuerhinterziehung die Staatengemeinschaft jährlich mehrere Billionen Euro koste. Die EU bemüht sich derzeit um die Einführung von Regelungen, die Unternehmensgewinne unter den Mitgliedsstaaten aufteilen, bevor diese in den Niederlanden ankommen und von dort aus den Kontinent verlassen.

Der britische Premierminister David Cameron kündigte kürzlich an, er werde dem Thema Steuerhinterziehung durch Unternehmen höchste Priorität einräumen, wenn sein Land die turnusmäßige Präsidentschaft der Gruppe der acht größten Industriestaaten (G8) übernimmt. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.loc.gov/crsinfo/
http://iff.gfintegrity.org/documents/dec2012Update/Illicit_Financial_Flows_from_Developing_Countries_2001-2010-HighRes.pdf
http://www.ctj.org/
http://www.oxfam.org.uk/
http://www.ipsnews.net/2013/01/u-s-firms-stash-tens-of-billions-in-tax-havens-govt-says/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2013