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INTERNATIONAL/065: Korruption und Steuerflucht töten - Vor allem in den armen Ländern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. September 2014

Entwicklung:
Korruption und Steuerflucht töten - Vor allem in den armen Ländern

von Carey L. Biron



Washington, 8. September (IPS) - Neuen Untersuchungen zufolge gehen den Entwicklungsländern jedes Jahr eine Billion US-Dollar durch laxe Gesetze der westlichen Welt wegen Steuerflucht und Korruption verloren. Der Druck auf die Staats- und Regierungschefs, sich auf einem internationalen Gipfeltreffen im November auf umfangreiche Reformen zu verständigen, um dem gegenzusteuern, nimmt zu.

Jahr für Jahr wird durch die massiven finanziellen Verluste das Leben von mehr als 3,6 Millionen Menschen gefährdet, wie die Untersuchung von 'ONE Campaign', einer auf Armutsbekämpfung in Afrika fokussierten Entwicklungsorganisation, ergab. Würden die Länder südlich der Sahara nur einen Teil von diesen versickerten Geldern erhalten, könnten zusätzlich zehn Millionen Kinder eine Schulbildung genießen oder 165 Millionen Extra-Impfdosen finanziert werden.

"Immer wenn die Korruption ungehindert wuchern kann, werden private Investitionen und Wirtschaftswachstum blockiert, während die Kosten, unternehmerisch tätig zu werden, in die Höhe schnellen, was wiederum zu politischer Instabilität führt. Doch in Entwicklungsländern ist Korruption ein Killer", heißt es in dem Anfang des Monats veröffentlichten Report.

"Wenn Regierungen um ihre eigenen Ressourcen geprellt werden, die sie brauchen, um in Gesundheitsversorgung, Ernährungssicherheit oder in wesentliche Infrastrukturen zu investieren, kostet das Menschenleben. Besonders gefährdet sind die Kinder."


Vielfalt krimineller Aktivitäten

Die neue Analyse setzt sich mit einem ganzen Spektrum illegaler Aktivitäten wie Geldwäsche, Bestechung und Steuerflucht durch Kriminelle und Regierungsvertreter auseinander. Beim Großteil der Einbußen handelt es sich um Steuereinsparungen für Unternehmen, was die Regierungen der armen Länder um die Mittel bringt, die notwendig sind, um entscheidende Versorgungsdienste anbieten zu können.

Der internationale Handel insbesondere mit Rohstoffen bietet beste Manipulationsmöglichkeiten. Allein in Afrika haben sich die Rohstoffexporte im Jahrzehnt bis 2012 verfünffacht, wodurch der Korruption im großen Umfang Tür und Tor geöffnet wurden. "Zwischen 2002 und 2011 erlebten wir einen exponentiellen Anstieg illegaler Finanzflüsse rund um den Globus", bestätigt Joseph Kraus, ein Transparenzexperte bei ONE Campaign.

"Auch wenn wir uns meist auf die Korruption in Entwicklungsländern konzentrieren - um Tango tanzen zu können, bedarf es immer zwei. Die Gelder landen meist in den Finanzzentren des globalen Nordens. Die dortigen Banken, Juristen und Buchhalter sind die Faszilatoren dieser Korruption. Um also bis zur Wurzel des Übels vorzudringen, müssen wir dort nach den Problemen suchen."

Entwicklungsaktivisten erhöhen derzeit ihren Druck auf die Industriestaaten, damit diese eine Serie flächendeckender Transparenz-Maßnahmen ergreifen. Einige zielen auf die Korruption in den Entwicklungsländern und beinhalten Forderungen nach Transparenzgesetzen für die Rohstoffindustrie, die den Bürgern Einblick in die Verträge zwischen Unternehmen und Regierungen geben.

Doch fehlt es auch in den Industriestaaten und vor allem in den Finanzzentren USA und Großbritannien an Bestimmungen, die Regierungen zur automatischen Offenlegung ihrer Steuerinformationen verpflichten, die Veröffentlichung umfassender Informationen über Gesellschafterverhältnisse ermöglichen und die multinationale Unternehmen zwingen, auf einer Land-für-Land-Basis über ihre Einnahmen zu berichten.

In gewissen Kreisen werden diese Forderungen seit Jahren erhoben. Doch die derzeitigen Umstände bieten die Chance für einen Wandel. "In den letzten zwei Jahren beobachten wir eine Beschleunigung der Agenda", meint Kraus. "Vor 18 Monaten hatte noch niemand von Phantomfirmen oder anonymen Briefkastenfirmen gesprochen. Doch diese Fragen haben in einem sehr kurzen Zeitraum an internationaler Aufmerksamkeit zugelegt und die damit verbundenen Chancen, hier anzuknüpfen, sind groß."

Diese neue Entwicklung wurde durch die Sorge der Industriestaaten im Zusammenhang mit schrumpfenden Budgets infolge der internationalen Finanzkrise in Gang gesetzt. Doch könnten die Entwicklungsländer am stärksten von solchen substanziellen Reformen profitieren, vorausgesetzt sie würden strukturiert durchgeführt.


Hoffen auf Gipfeltreffen

Die Befürworter solcher Veränderungen hoffen nun auf das Gipfeltreffen der G20-Industrie- und Schwellenländer, das vom 15. bis 16. November in Australien stattfindet, sowie auf zwei größere Treffen der Finanzminister, die der Großveranstaltung vorangehen werden.

In den G20-Ländern leben zwei Drittel der Weltbevölkerung, werden 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts generiert und mehr als 75 Prozent des Welthandels abgewickelt.

Die Mitglieder der G20 sind Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei, USA und die Europäische Union. Die G20 nimmt inzwischen eine Führungsrolle in Fragen der globalen Finanzstabilität ein. So hat sie kürzlich den automatischen Steuerinformationsaustausch zwischen den Staaten vorangebracht. Ein neuer globaler Standard könnte von den G20-Ministern im November beschlossen werden.

"Viel zu lange haben die G20-Länder den Finanzabflüssen aus den Entwicklungsländern durch Offshore-Bankkonten und geheime Unternehmen tatenlos zugesehen", kritisiert John Githongo, ein kenianischer Anti-Korruptionsaktivist. "Die Einführung kluger Strategien könnte dazu beitragen, diesen Billionen-Dollar-Skandal zu beenden und unseren Leuten quasi zum Nullpreis erheblichen Nutzen bringen."

Tatsächlich haben bereits etliche G20-Staaten von sich aus Reformen angestoßen. Die britische Regierung beispielsweise hat unilaterale Maßnahmen ergriffen, die Einblick in Gesellschafterverhältnisse ermöglichen. Die USA waren das erste Land, das multinationalen Rohstoffunternehmen starke Transparenzregeln abverlangt.

Während solche Gesetze andere Länder zum Handeln verleiten könnten, ist immer häufiger der Ruf nach einem koordinierten und übergreifenden Ansatz im Sinne einer wirksamen Strategie zu hören.

"Illegale Finanzflüsse sind ein gutes Bespiel für ein transnationales Problem, das sich durch die Existenz zweier unterschiedlicher Rechtssysteme zeigt, die Schlupfwinkel ermöglichen, die dann auch weidlich ausgenutzt werden", erläutert Josh Simmons von der 'Global Financial Integrity', einer Transparenzkontrollorganisation mit Sitz in Washington, die ONE Campaign mit Daten versorgt hatte. "Wenn also ein internationales Organ in der Lage ist, diese Schlupflöcher zu finden, kann es die Mitgliedstaaten dazu bringen, geeint diese Schwachstelle auszumerzen. Doch wird dies nur von einem einzigen Land getan, ist es wahrscheinlich, dass ein Unternehmen einfach woanders hingeht."

Es gibt sogar Stimmen, die der Meinung sind, dass die Strategien mehr als nur die G20 umfassen sollten. Ein im letzten Monat von Wissenschaftlern der Denkfabrik 'Center for Global Development' veröffentlichtes Papier fordert, dass die künftigen Nachhaltigkeitsziele, die derzeit unter Federführung der Vereinten Nationen festgezurrt werden, Maßnahmen gegen die globale Steuerflucht beinhalten sollten.

"Wir müssen die Entwicklungsländer dazu bringen, dass sie ihre für Finanzinformationen zuständigen Stellen stärken und ihre Geldwäsche-Bestimmungen einhalten", geht aus dem Dokument hervor. "Noch immer gibt es Menschen, die die Hauptlast dieses Problems tragen. Steuervermeidungsmanöver in den USA tragen zu nationalen Schulden bei, doch in den Entwicklungsländern tragen sie dazu bei, dass Menschen hungern." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/09/global-summit-to-focus-on-eradication-of-trillion-dollar-corruption/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2014