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INTERNATIONAL/080: Millionen von Weltbank vertrieben (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 17 vom 24. April 2015
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Millionen von Weltbank vertrieben
Bundesregierung schaut tatenlos zu

von Bernd Müller


Medien haben kürzlich weltweit über Projekte der Weltbank berichtet, die sich vor allem gegen die Ärmsten der Welt gerichtet haben. Das sei aber nur die Spitze des Eisbergs, sagt die Entwicklungsorganisation urgewald. Denn hinter der Politik der Weltbank stecke ein grundsätzlich falscher Umgang mit fundamentalen Standards wie Menschenrechte und Umweltschutz. Urgewald wirft der deutschen Bundesregierung, die viertgrößter Anteilseigner der Weltbank ist, vor, ihren Einfluss nicht geltend zu machen.

Fast ein Jahr lang hat ein Team des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalisten (ICIJ) rund 6.600 offizielle Dokumente der Weltbank untersucht, und mehr als 50 Journalisten aus 21 Ländern haben hunderte Interviews geführt und sich Projekte in Ländern wie Uganda, Äthopien, Kosovo und Indien vor Ort angesehen. Dabei stellten sie fest, dass im vergangenen Jahrzehnt etwa 3,4 Millionen Menschen in mehr als 900 Projekten ihr Land, ihr Leben oder einen Teil ihrer Lebensgrundlage verloren haben. Die Weltbank wurde 1944 in Bretton Woods gegründet und ist einer der weltweit größten Finanziers von Entwicklungsvorhaben und vergibt Kredite, damit Krankenhäuser, Schulen oder Staudämme in Entwicklungs- und Schwellenländern gebaut werden können. Die Weltbank, wie andere regionale Entwicklungsbanken auch, habe einen klaren Auftrag, heißt es bei urgewald. Sie solle durch nachhaltige Entwicklung die weltweite Entwicklung lindern.

Es seien aber vor allem Multinationale Konzerne, die von Weltbankkrediten profitieren, während die Armut in der Bevölkerung steige, heißt es bei urgewald weiter. Im Rohstoffsektor sei dies besonders deutlich: Internationale Öl- und Bergbaukonzerne wie BP, Shell, Exxon und Newmont hören zu den besten Kunden der Entwicklungsbanken. Auch im Wassersektor würde die Weltbank Privatisierungen vorantreiben.

Was fehle, sei eine demokratische Kontrolle der Weltbank, kritisiert urgewald. Die Öffentlichkeit erfahre kaum, welche Projekte die Weltbank finanziere. Dasselbe Problem gebe es allerdings auch in der Bank selbst. So würde bei der Weltbanktochter IFC nicht einmal das Management wissen, "in welche Projekte Geld fließt, das sie über Finanzdienstleister, so genannte Financial Intermediaries, ausschütten", sagt Knud Vöcking, langjähriger urgewald-Experte für die Weltbank. In über 90 Prozent der Investitionen in Private Equity Fonds oder Privatbanken gebe es zudem keine Informationen über die Unterprojekte. Die Recherchen des ICIJ haben gezeigt, dass die Weltbank oftmals nicht einmal weiß, wie viele Menschen eigentlich umgesiedelt wurden oder wie es ihnen anschließend geht. Aus einem internen Prüfbericht geht sogar hervor, dass Bankmitarbeiter in 60 Prozent der untersuchten Fälle gar nicht dokumentiert hatten, wie das Leben der Umgesiedelten weiterging.

Die Weltbank müsse sich tiefgreifend ändern, wenn sie ihren Auftrag erfüllen soll. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten ihre Kontrolle verstärken, fordert urgewald. Sowohl der Bundestag, als auch das zuständige Entwicklungsministerium (BMZ) müssen sich stärker darum kümmern, was mit deutscher Zustimmung passiert. Dazu brauche es aber politischen Willen, sagt Vöcking.

Deutschland ist nach Großbritannien, den USA und Japan der viertgrößte Geldgeber. Alle drei Jahre bezuschusst die Bundesregierung die Bank. Zuletzt zahlte sie in 2014 rund 1,6 Milliarden Euro. Aber auch auf indirektem Weg finanziert die Bundesrepublik Projekte der Weltbank.

Über die Kreditanstalt für Wiederaubau (KfW) und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) beteiligt sie sich jährlich an Projekten. Im Zeitraum 2003 bis 2013 beteiligte sich die KfW mit rund 1,85 Milliarden Euro in 126 Weltbank-Projekten. Die DEG stellte 2009-2014 eine Summe von 733 Millionen Euro für Projekte der Weltbanktocher IFC zur Verfügung. So ist die DEG beispielsweise indirekt an einem Palmölprojekt in Honduras beteiligt, das zu einem Konflikt zwischen Kleinbauern und dem Großkonzern Dinant führte. Bisher sind bei diesem Konflikt mehr als 100 Menschen ums Leben gekommen, die in den Palmölplantagen eine Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen sahen.

In dem Gremium der Weltbank, das über alle Projekte entscheidet, hat Deutschland einen von 25 Sitzen. Nach Angaben des deutschen Entwicklungsministeriums habe die Bundesrepublik allerdings eine "herausgehobene Stellung" und ein "besonderes Gewicht und Einfluss auf Entscheidungen der Weltbankgruppe". Zwar könne Deutschland allein kein Projekt verhindern, aber es sei ein "deutliches Zeichen" an das Management der Bank, wenn die Bundesrepublik ein Vorhaben ablehne. Das haben die deutschen Vertreter seit Ende 2013 aber nur ein einziges Mal getan. Das BMZ erklärte dazu, dass es Kritik in der Weltbank "im Wesentlichen in Vorgesprächen und bei informellen Beratungen" anspreche. Denn offener Widerspruch sei in der Weltbank nicht erwünscht. "Grundsätzlich streben die Gremien der Weltbank an, Entscheidungen soweit wie möglich im Konsens zu treffen, Stimmenthaltungen und ablehnende Voten zu einzelnen Projekten sind deshalb selten", heißt es in der schriftlichen Antwort des BMZ.

Deutschland halte auf dem Papier Menschenrechte hoch, sagt Vöcking. Doch wenn es konkret wird, werde es still. Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bemängelte dies ebenso.

Weltbank-Präsident Jim Yong Kim räumt schwere Fehler ein, nachdem er mit den Rechercheergebnissen konfrontiert wurde, und kündigte Reformen an. Er machte aber auch deutlich, dass sich nicht viel ändern werde. Ohne folgenreiche Großprojekte sei das Ende der Armut auf der Welt nicht zu erreichen, sagte er. Die Weltbank versuche sicherzustellen, dass der Lebensstandard der Betroffenen danach mindestens gleich oder höher ist als zuvor, beteuerte er. Aber die Weltbank finanziere komplexe, schwierige Projekte in den ärmsten Ländern der Welt, und da werde es Probleme geben.

Das sich wirklich etwas ändern wird, ist kaum zu glauben. So kritisieren Nichtregierungsorganisationen die internen Strukturen der Weltbank, weil diese auf Profit ausgelegt seien. Die Weltbank versuche auf diesem Wege sich gegen die Konkurrenz mit neuen Entwicklungsbanken wie der der BRICS-Staaten oder der Asia Investment Bank zu behaupten. Schutz der betroffenen Menschen wird da nicht groß geschrieben: In einer internen Befragung der Weltbank gaben 77 Prozent der Mitarbeiter an, dass das Management ihre Bemühungen um Schutzmaßnahmen nicht wertschätze.

Und so ist damit zu rechnen, dass alles beim Alten bleibt oder wie es bei urgewald heißt: "Auf dem Papier stehen schöne Sachen, aber in der Realität verlieren die Leute ihre Häuser, ihren Ackergrund und landen irgendwo: ohne Entschädigung, zum Teil zwangsvertrieben und von Armut in bitterste Armut gestürzt."


Bernd Müller, Dipl.-Ing., freier Journalist

Weitere Informationen unter:
www.bernd-mueller.org

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 47. Jahrgang, Nr. 17 vom 24. April 2015, Seite 4
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2015

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