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INTERNATIONAL/089: Private Fonds zur Renaturierung von Land nicht ohne Risiken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2015

Entwicklung: Private Fonds zur Renaturierung von Land nicht ohne Risiken

von Manipadma Jena


Bild: © Manipadma Jena/IPS

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ANKARA (IPS) - In jeder Minute gehen weltweit 23 Hektar Ackerland durch Bodendegradation verloren. Insgesamt zwölf Millionen Hektar Land, was einer Fläche von der Hälfte der Größe Großbritanniens entspricht, sind auf diese Weise bereits unbenutzbar geworden. Die wirtschaftlichen Einbußen lassen sich auf jährlich etwa 400 Milliarden US-Dollar beziffern, einschließlich der Ernteverluste im Umfang von 1,2 Milliarden Dollar.

Rund zwei Milliarden Hektar Agrarland - ein Gebiet, das größer ist als ganz Südamerika - könnten allerdings zurückgewonnen werden. Die Renaturierung dieser Anbauflächen würde bis zu 2,3 Milliarden Tonnen zusätzliche Nahrung liefern. Laut dem UN-Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) könnte die Wiederherstellung der CO2-Speicherkapazität des Landes zudem den globalen Temperaturanstieg bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 0,5 Grad Celsius reduzieren.

Alle 195 UNCCD-Mitgliedsstaaten vereinbarten auf der zwölften Vertragsstaatenkonferenz im Oktober eine freiwillige Anpassung ihrer Klimaziele, um den Anteil gesunder und produktiver Agrarflächen zu stabilisieren. Diese Doppelstrategie zur Prävention und Renaturierung ist auch unter dem Namen Landdegradationsneutralität (LDN) bekannt.

Gemäß dem UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG) 15 soll die Landdegradationsneutralität bis zum Jahr 2030 weltweit erreicht werden.


Privater Fonds soll Anbauflächen retten

Auf globaler Ebene soll der ehrgeizige Übergang zu einer produktiven Bodenwirtschaft mit Hilfe einer vom UNCCD unterstützten und privat verwalteten Finanzierungsplattform vollzogen werden, dem 'Impact Investment Fund for Land Degradation Neutrality' oder LDN-Fonds. Vorgesehen ist, dass der private Sektor dafür jährlich zwei Milliarden Dollar bereitstellt. Die Finanzierung soll über Darlehen, auch für Kleinbauern, und Ko-Investitionen erfolgen. Der Fonds, der im Dezember auf der Jahreskonferenz der Vertragsstaaten in Paris offiziell angekündigt wird, soll Ende 2016 seine Arbeit aufnehmen.

"Wir müssen uns über die Tausenden mit öffentlichen Geldern finanzierten Pilotprojekte zur Renaturierung von Land hinausbewegen", sagt Markus Repnik, Leiter der neuen UNCCD-Unterorganisation 'Global Mechanism', die den LDN-Fonds verwalten soll. "Finanzmittel des Privatsektors sind verfügbar. Pensionsfonds, die von schmutzigen Investitionen Abstand nehmen, Firmen auf Erneuerungskurs und sogar große Unternehmen, die von Nichtregierungsorganisationen unter hohen Druck gesetzt werden, sehen ein, dass sie bald gegen eine Wand rennen, solange sie nicht ihre jetzigen Praktiken aufgeben. Der LDN-Fonds kann ein mächtiger Motor der Veränderung sein."

Aus dem Weißbuch des LDN-Fonds für 2015 geht hervor, dass tragfähige Geschäftsmodelle gefördert werden können, die Profite generieren und zugleich die Ernährungs-, Wasser und Energiesicherheit stärken. So genannte Landschaftsansätze ('landscape approaches') sollen Kompromisse zwischen allen Bereichen der Landnutzung ermöglichen, wie etwa nachhaltiger Landwirtschaft, Viehzucht, Forstwirtschaft, Agro-Forstwirtschaft, Erzeugung erneuerbarer Energien, Infrastrukturentwicklung oder Ökotourismus.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Umfeld von UNCCD sehen jedoch auch die Staaten in der Pflicht. "Alle Regierungen haben Geld. Es ist eher eine Frage des politischen Willens", meint Noel Oettle von der 'Environmental Monitoring Group'.


Kleinbauern sollen von Landrückgewinnung profitieren

"Im Weißbuch des 'Global Mechanism' vom Juni 2015 wird ein Modell vorgeschlagen, dem zufolge Regierungen Unternehmen durch die Gewährung von Konzessionen für zehn bis 20 Jahre Zugang zu so genanntem degradiertem Land geben sollen", erklärt Oettle. "Auf diese Weise sollen die Böden für eine gewinnbringende Landwirtschaft zurückgewonnen werden."

Die Profite sollten den Kleinbauern zukommen, die das Land bestellten, und nicht den Investoren, fordert der Aktivist. In der äthiopischen Gambela-Region hätten jedoch selbst diejenigen Bauern, die Landtitel besäßen, vor einflussreichen Unternehmen und dem Militär fliehen müssen.

Der LDN-Fonds sei ein wichtiger Vorstoß, müsse aber mit Vorsicht betrachtet werden, meint Akambi Is Deen, ein Aktivist aus Benin. "Einerseits soll dadurch die illegale Landnahme bekämpft werden. Auf der anderen Seite ist die Initiative in der gegenwärtigen Phase eine Bedrohung für alle Landnutzer, die keine offiziellen Besitztitel haben."

Für eine erfolgreiche Umsetzung des neuen Finanzmechanismus für Landneutralität sei es wichtig, Kapazitäten aufzubauen und Aufmerksamkeit zu schaffen, sagt Karen van Boxtel von der in Amsterdam ansässigen zivilgesellschaftlichen Organisation 'Both ENDS'. Die Bauern müssten darüber informiert werden, wie sie ihr Recht auf Landbesitz ausüben könnten. Unabhängige Organisationen sollten auf eine konstruktivere Art und Weise an der Implementierung des Fonds beteiligt werden.

"Wenn Staaten private Finanzmittel annehmen, müssen sie einen strikten Rahmen mit Sicherheitsklauseln schaffen", erklärt Repnik. In dem Weißbuch seien bereits Standards und Sicherheitsgarantien erwähnt, so Oettle. Es müsse jedoch auch ein System geben, das die Einhaltung dieser Klauseln gewährleiste. Der LDN-Fonds erfordere wirksame Überwachungsmechanismen. (Ende/IPS/ck/18.11.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/11/bringing-private-funds-into-land-restoration-is-risky/

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IPS-Tagesdienst vom 18. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2015

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