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FRIEDEN/1009: G8-Staaten sagen mal wieder mehr Entwicklungshilfe zu (SB)



Die G8-Staaten haben zugesagt, ihre gebrochenen Zusagen vom Treffen 2005 in Gleneagles einzuhalten - glauben die führenden Wirtschaftsnationen ernsthaft, daß ihnen das irgend jemand abnimmt? Von der versprochenen Erhöhung der Entwicklungshilfe in Höhe von 21,8 Milliarden Dollar (ursprünglich sogar 25 Mrd.) bis 2010 wurden nur sieben Milliarden Dollar gezahlt, rechnete die Organisation ONE in ihrem am Donnerstag präsentierten DATA-Bericht vor. Niemand glaubt, daß die wenigen verbliebenen Monate der Frist dazu genutzt werden, um die restlichen 70 Prozent an zusätzlicher Entwicklungshilfe zu leisten. Zumal sich die weltwirtschaftliche Lage inzwischen dramatisch verschlechtert hat.

2007/2008 gab es global einen gewaltigen Preisanstieg bei Lebensmitteln, so daß laut der Weltbank 100 Millionen Menschen zusätzlich hungern mußten, 2008/2009 war durch das Platzen der Finanzblase und anschließenden wirtschaftlichen Einbrüchen größten Ausmaßes gekennzeichnet. Die Industriestaaten und Schwellenländer haben viele hundert Milliarden Euro hinterhergeschoben, um den Anschein aufrechtzuerhalten, der systemisch bedingte Kollaps sei in den Griff zu bekommen. Und da das Wirtschaftssystem an sich auf ein pures Versprechen gründet, nämlich daß Geld einen Wert besitzt, der jederzeit eingelöst werden kann, liegt es auf der gleichen Linie, daß die Apologeten in Berlin, Paris, London und Washington schon mal das Ende der Krise verkünden. Es wird sich zeigen, daß das Licht am Ende des Tunnels, das jene Experten bereits zu erspähen glauben, der Blick der Motte ist, die aus dem dunklen Wald kommend sich ins Feuer stürzt.

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat ihren roten Anspruch schon vor langer Zeit zu Grabe getragen. Sie wird nicht einmal mehr rot, wenn sie Märchen erzählt. Auch sie gehört zu den großen "ZusagerInnen". Denn sie sagte zu, daß die Bundesregierung die Entwicklungshilfe bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) erhöhen wird. Was sie verschweigt: Die Entwicklungshilfe muß gar nicht gesteigert werden, da das BNE in Zeiten der Rezession sinkt, was umgekehrt den Prozentanteil der gleichbleibend niedrigen Entwicklungshilfe erhöhen würde, nicht jedoch den absoluten Wert.

Sollte der wirtschaftliche Niedergang Deutschlands nicht ausreichen, um auf jene 0,51 Prozent zu kommen, so sollte es mit dem Teufel zugehen, wenn nicht der eine oder andere Posten im Haushalt durch eine phantasievolle buchungstechnische Umdeklarierung wundersamerweise zur Entwicklungshilfe geriete. Beispielsweise durch den Erlaß von Zinsschuld. Oder, wie jetzt Italiens Außenminister Franco Frattini (dessen Gesicht vermutlich noch niemals die Erfahrung von Schamesröte gemacht hat) ernsthaft vorschlug: Wir könnten den Ausländern, die Geld in ihre Heimat überweisen, künftig weniger Gebühren abknöpfen, das würde zwischen zwölf und fünfzehn Milliarden Dollar im Jahr bringen. "Private Mittel mobilisieren" nennt er das euphemistisch und fordert im gleichen Atemzug eine neue Entwicklungshilfepolitik, die den menschlichen Bedürfnissen mehr Rechnung trägt. Was bedeutet, daß er die Bedürfnisse neu definieren will.

Neudefinitionen von Bedürfnissen sind zur Zeit ziemlich angesagt. Irgendwie muß ja das Problem der weltweit wachsenden Zahl der Armen und Hungernden in Angriff genommen werden ...

15. Juni 2009