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FRIEDEN/1012: Steinmeiers Auftreten in Nahost beleidigt Araber (SB)



Selbst die um ausgeglichene Kommentare und pluralistische Positionen bemühte Beiruter Tageszeitung The Daily Star kommt in ihrem heutigen Editorial (08.07.2009) nicht umhin, sich über die Bezichtigung des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier an die Adresse der libanesischen Hisbollah und palästinensischen Hamas zu beschweren. "Wäre das destruktive Element nicht der eine Staat, der sich dem Frieden in Nahost widersetzt?" fragt der Autor rhetorisch anläßlich der Behauptung Steinmeiers, die genannten Organisationen, die er als "destruktive Elemente" titulierte, hätten kein Interesse an erfolgreichen Friedensgesprächen.

Der Daily Star verweist darauf, daß dies bereits die 14. Reise des deutschen Außenministers in die Region gewesen sei. Könne man bei diesem "beträchtlichen Erfahrungsschatz" nicht erwarten, daß Steinmeier konstruktiver zu Werke geht, fragt der Daily Star und konstatiert, daß seine in Damaskus abgegebene Stellungnahme "nicht die Art von Rhetorik ist, die wir von Regierungsbeamten einflußreicher Staaten wie Deutschland brauchen". Daraufhin stellt der Autor klar, daß die diversen Friedensinitiativen arabischer Staaten an Israel gescheitert seien, das sich mit allen Kräften einer Friedenslösung widersetze.

Demgegenüber die alte Leier zu drehen, daß die Araber "nicht bereit zum Frieden" seien, wie der Daily Star beklagt, ist nicht nur ein Affront gegen die Regierungen arabischer Staaten, die unter anderem 2002 das von Saudi-Arabien formulierte Angebot, bei Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels gegenüber den Palästinensern einen umfassenden Friedensvertrag mit dem jüdischen Staat abzuschließen, gutgeheißen haben. Steinmeier ignoriert auch die Tatsache, daß Hisbollah wie Hamas ihrerseits Angebote gemacht haben, über die man hätte reden können, wenn die israelische Regierung nicht eine prinzipielle Politik der Negation legitimer arabischer Forderungen verfolgte.

Steinmeiers Nahostreise war nicht nur ein Wahlkampfauftritt, wie er im Buche des politischen Opportunismus steht, sondern seine dort unterbreiteten Vorschläge entstammen allesamt der längst als wirkungslos erwiesenen Rezeptur, Israel keine Zugeständnisse substantieller Art abzuverlangen. Die von ihm erhobene Forderung nach Stopp des Ausbaus jüdischer Siedlungen im Westjordanland ist symbolischer Minimalkonsens aller mit Israel verbündeter Staaten. Sie erfüllt vor allem die Funktion, sich nicht sagen lassen zu müssen, daß man den Friedensprozeß ausschließlich zu Lasten der Palästinenser in Gang bringen wolle.

Unausgesprochen bleiben die essentiellen Forderungen nach Rückzug Israels auf die Grenzen vor 1967, nach Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines palästinensischen Staats und nach dem Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge. Nur wenn diese am Beginn eines Verhandlungsprozesses stünden und von der EU wie den USA unterstützt würden, bestände Aussicht auf ein auch für die Palästinenser akzeptables Ergebnis. Statt dessen werden diesen mit Unterstützung der USA und Vorleistungen abverlangt, die Israel nicht bereit ist, reziprok zu erfüllen.

Daß sich Steinmeier mit seinem einseitigen Eintreten für die Interessen der israelischen Regierungspolitik viel Freunde unter den Bundesbürgern gemacht hätte, ist seit dem Überfall Israels auf Gaza keineswegs mehr gesichert. Eine wachsende Zahl derjenigen Wahlberechtigten, die sich überhaupt für außenpolitische Themen interessieren, sieht nicht mehr ein, daß die Bundesregierung ein Besatzungsregime unterstützt, das immer wieder Massaker - zuletzt 2006 im Libanon und 2008/2009 in Gaza - an Zivilisten begeht. Die den Kritikern der deutschen Nahostpolitik entgegengehaltene Behauptung, sie wollten das Existenzrecht Israels in Frage stellen, trifft zudem, wie auch der Kommentar des Daily Star zeigt, auf gegenteilige Weise zu. Nur wer sich auf rationale und nachvollziehbare Weise für einen Frieden in Nahost einsetzt, der nicht zum Vorteil Israels mit demagogischen Bezichtigungen erzwungen werden soll, sichert die Existenz dieses Landes dauerhaft. Wer meint, einer rechtszionistischen Regierung nach dem Mund reden zu müssen, verstetigt und vertieft eine Feindseligkeit, die immer wieder zu Kriegen führen wird. Dieser Leistungsnachweis des deutschen Chefdiplomaten läßt hoffen, daß die schlechten Wahlprognosen der SPD noch ein wenig katastrophaler ausfallen.

8. Juli 2009