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FRIEDEN/1044: Auf halbem Wege kehrtgemacht ... Käßmann bei Guttenberg (SB)



Indem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Ratsvorsitzende der EKD bei sich einbestellt hat, erwies er sich einmal mehr als überlegener PR-Stratege. Nachdem Bischöfin Margot Käßmann insbesondere ihre zu Neujahr getroffene Feststellung "Nichts ist gut in Afghanistan" von den Schreibtischkriegern in Politik und Medien um die Ohren geschlagen worden war, hätte sie es schon auf eine Machtprobe ankommen lassen müssen, um die damit bezogene Position zum Afghanistankrieg durchhalten zu können. Die Bischöfin hatte mit dieser Aussage wie der zuvor getroffenen Feststellung, daß dieser Krieg "auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland (...) so nicht zu rechtfertigen" sei, ein klares Werturteil getroffen. Sie hat es nicht dabei bewenden lassen, sich mit wachsweichen Formeln für einen baldigen Abzug der Bundeswehr auszusprechen, sondern das Kreuz über ein militärisches Unterfangen gebrochen, dessen Legitimation so fadenscheinig ist, daß die öffentliche Diskussion seiner relevanten Beweggründe seit langem überfällig ist.

Im Ergebnis der Unterredung im Berliner Bendlerblock hat Käßmann ihr Versäumnis nun pflichtschuldigst nachgeholt und zu einer vermittelnden, für die Ziele der Bundesregierung anschlußfähigen Sprachregelung zurückgefunden. So erklärte sie am Abend nach dem Treffen in der ARD-Sendung "Beckmann", daß sie mit Guttenberg "gar nicht so viele Meinungsverschiedenheiten" habe, habe dieser als katholischer Christ doch sehr wohl verstanden, daß es "immer einen Vorrang für zivil geben" müsse. Zudem gestand sie ein, sie "begreife schon, daß in Afghanistan im Moment Waffen auch dem zivilen Aufbau dienen können". Damit war das wesentliche gesagt und alles andere, was ihre kontroverse Position zuvor ausgezeichnet hatte, vom Tisch.

Käßmanns Einwand gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistankrieg reduziert sich nun auf die bescheidene Klage, daß die "militärische Perspektive" zu Lasten ziviler Aufbauleistungen überbetont werde. Mit einer Abwägung, die seit jeher zu den Standardargumenten ziviler Hilfsorganisationen gehört, hat sie die EKD auf den ihr gebührenden Platz der Zuständigkeit für karitative Projekte im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit gesetzt. Die entschieden negative Bewertung des Krieges, die den Eklat um die Bischöfin ausgelöst hat, konnte ohne die politische Widerlegung des angeblichen Zwecks, am Hindukusch werde Deutschland gegen den Terrorismus verteidigt, nicht bestehen. Indem Guttenberg Käßmann nun auf Truppenbesuch nach Afghanistan geladen hat und ihr von Militärgeistlichen das Angebot unterbreitet wurde, dort einen Gottesdienst mit den Bundeswehrsoldaten abzuhalten, wurde die oberste Protestantin des Landes auf geradezu klassische Weise zur Räson des Staates gebracht, mit dem ihre Kirche eben keinen kritischen Dialog führen kann, wie sie im Anschluß an das Treffen mit dessen Kriegsminister behauptete. Wenn Guttenberg und Käßmann künftig gemeinsam bei Vorträgen an der Führungsakademie der Bundeswehr oder in evangelischen Akademien auftreten, wie sie es laut einer gemeinsamen Erklärung beabsichtigen, dann hat dieser Sturm im Wasserglas einer kompromißlose Interventionen rückstandslos verdauenden medialen Öffentlichkeit ausschließlich produktive Ergebnisse für die Kriegführung der Bundesregierung gezeitigt.

Wenn die hegemonialen und geostrategischen Interessen der NATO-Staaten nicht zur Sprache kommen, ist der Begriff der Kritik fehl am Platze. Die ethische Verurteilung militärischer Gewaltanwendung steht ohne die politische Analyse der Interessen, die Kriege verursachen, nur auf einem Bein, das auch noch unter der Last der integrativen Aufgabe der Amtskirchen in der Bundesrepublik zusammenbricht. Das Duopol von Thron und Altar findet in der moralischen Moderation kapitalistischer Vergesellschaftung seine moderne Fortsetzung, geht es den Amtskirchen doch nicht darum, Ausbeutung und Unterdrückung auf eine Weise zu kritisieren, die die Frage nach diesseitiger Einlösung jenseitiger Erlösungshoffnungen aufwürfe. Käßmann wäre zweifellos damit überfordert, sich ins Abseits einer Kritik zu stellen, die notwendigerweise bei der eigenen Verstrickung in die systemischen Erfordernisse modernen Herrschaftsmanagements nicht aufhörte. So wird die Kriegführung der Bundesrepublik des Segens der guten Absichten teilhaftig, die ihr angeblich zugrundliegen.

12. Januar 2009