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HEGEMONIE/1625: Washingtons Mann in Berlin - US-Interessen bei Guttenberg in guten Händen (SB)



Laut Medienberichten hat sich Karl-Theodor zu Guttenberg für das Verteidigungsministerium entschieden, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel ihn vor die Wahl gestellt hat, diesen Posten zu beziehen oder ins Innenministerium zu wechseln. Da Guttenberg früher vor allem als außenpolitischer Experte der CSU gehandelt wurde, lag die Entscheidung, sich mit dem Militär der Exekutive der Außenpolitik zu widmen, nahe. Dieser Posten gilt gemeinhin als undankbar, weil man bei der in der Bevölkerung nach wie vor unpopulären Kriegführung der Bundesregierung viele Fehler machen und vergleichsweise wenig Lorbeeren ernten kann. Der amtierende Verteidigungsminister Franz Josef Jung kann ein Lied davon singen, daß man auf diesem Sessel viel abbekommt, selbst wenn man Entscheidungen getroffen hat, die die Politik der Bundeskanzlerin eins zu eins abbilden.

Guttenberg ist auf dieses Amt jedoch im Unterschied zu Jung, der aus parteipolitischen Gründen von der hessischen Landespolitik an die politische Spitze der Bundeswehr gehievt wurde, gut vorbereitet. Von 2005 bis 2008 fungierte er als Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuß, in dem wesentliche Entscheidungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr abgesegnet werden. Als bekennender Transatlantiker und Außenpolitiker mit guten Karriereaussichten wurde er schon zu einer Zeit, als er hierzulande noch unbekannt war, immer wieder als repräsentative Stimme Deutschlands in der New York Times zitiert. Im November 2007, als Guttenberg hierzulande kaum jemand ein Begriff war, vertrat er die Bundesrepublik in inoffizieller Mission in New York bei einem Podiumsgespräch, in dem es um den Stand deutsch-amerikanischer Beziehungen ging. Es wurde von dem US-Außenpolitiker Richard Holbrooke moderiert und bot mit Henry Kissinger den Grandseigneur der Washingtoner Geopolitik auf. Als Teilnehmer des Young Leaders-Programms des American Council on Germany (ACG), einer der führenden Einflußorganisationen US-amerikanischer Hegemonialpolitik, ist seine Laufbahn als Politiker fest in der Tradition unaufkündbarer transatlantischer Beziehungen verankert.

Als Mitglied des European Council on Foreign Relations (ECFR) gehört Guttenberg dem europäischen Pendant des US-amerikanischen CFR an. Gemeinsames Ziel beider Organisationen ist, die Hegemonie des Westens in aller Welt insbesondere zu Lasten Rußlands und Chinas auszubauen. Es würde zu weit führen, alle Organisationen aufzulisten, die auf die feste Einbindung des CSU-Politikers in transatlantischen Netzwerke verweisen, reicht es doch aus zu wissen, das seinen Stellungnahmen niemals eine grundsätzlich US-kritische Haltung zu entnehmen war. So entsprach er der Forderung Washingtons nach Ausweitung der deutschen Kriegsaktivitäten in Afghanistan dadurch, daß er für eine weniger restriktive Auslegung der Einsatzregeln der Bundeswehr eintrat und gemeinsam mit dem SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose verlangte, daß Ausbilder der Bundeswehr die von ihnen betreuten Einheiten der afghanischen Regierungstruppen auch in andere andere Landesteile begleiten sollten.

Seiner Vasallenschaft gemäß ist Guttenberg der Linksfraktion im Bundestag in inniger Feindschaft verbunden. Weil diese "Israels Existenzrecht in Frage stellt, mit islamistischen Gruppierungen und offen mit Antisemitismus kokettiert", könne und dürfe sie "in Deutschland niemals Verantwortung übernehmen", lautet ein in der Bild-Zeitung (20.02.2009) verbreitetes Verdikt, mit dem er sich jede Kritik an der israelischen Politik verbat. Laut einem Artikel im Focus (18.08.2008), in dessen Überschrift die Linkspartei des "Flirt mit Terroristen weltweit" bezichtigt wird, sammelt Guttenbergs Bundestagsbüro "seit einigen Jahren (...) systematisch Belegmaterial für dessen Vorwurf, die Linke zeige ein 'völlig ungeklärtes Verhältnis zu Gewalt und Terrorismus'". Wo immer die Linke Kontakte mit Befreiungsbewegungen unterhält, wittert der CSU-Politiker den Terror. Ob PKK oder Hamas, ob Batasuna oder FARC, wann immer Abgeordnete der Linken erkennen ließen, daß sie die Anliegen derartiger Organisationen oder Parteien für völkerrechtlich legitim hielten oder sie zumindest aus pragmatischen Gründen forderten, sie nicht von Verhandlungen auszuschließen, werden sie von Guttenberg mit dem Terrorstigma belegt. Doch auch die die Verbindungen, die die Linke zu außerparlamentarischen Bewegungen unterhält, sind dem Erfolgspolitiker Anlaß, von "fortschreitender Radikalisierung" der Partei zu schwadronieren.

Von einem Verteidigungsminister mit derartigen Ausrichtung - den aggressiven Globalhegemon USA hofieren, auf die Kritiker imperialistischer Kriege eindreschen - ist nichts anderes als eine deutliche Ausweitung bundesrepublikanischer Kriegseinsätze zu erwarten. Wo es Jung an ideologischem Furor, aggressiver Ambition und persönlichem Karrierestreben fehlte, um ein großes geopolitisches Rad zu drehen, da wird der CSU-Politiker Versäumtes nachholen und die Bedeutung der Bundeswehr als globales Gewaltorgan und sicherheitspolitische Ordnungsmacht aufwerten. Seine große Beliebtheit als jungdynamischer Hoffnungsträger neokonservativen Politik wird das ihrige dazu tun, die skeptische Einstellung der Bundesbürger gegenüber Kriegseinsätzen zu revidieren. Kurz gesagt, eine ideale Besetzung für all diejenigen, denen der sogenannte deutsche Sonderweg kriegspolitischer Zurückhaltung eine Altlast ist, die zu überwinden seit langem überfällig ist.

23. Oktober 2009