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HEGEMONIE/1830: Iran Medien - niemand glaubt Trump ... (SB)



Die Instrumentalisierung innerer Widersprüche zur Durchsetzung geostrategischer Interessen ist eine Spezialität dieser wie früherer US-Regierungen, die verheerende Auswirkungen für die davon betroffenen Bevölkerungen hat. Wer sollte einem Trump glauben, auf der Seite desjenigen Teils der iranischen Bevölkerung zu stehen, die gegen das herrschende Klerikalregime aufsteht, wenn er die gleichen Menschen mit Sanktionen aushungert und ihnen die Zerstörung ihrer kulturellen Stätten androht, über Staaten wie den Iran als "Scheißloch"-Länder herzieht und Menschen islamischen Glaubens den Besuch der USA fast unmöglich macht, um nur vier von zahlreichen Beispielen dafür zu nennen, daß es in der internationalen Politik Interessen, aber keine Freunde gibt? Wer sollte einer US-Regierung glauben, daß sie für die Emanzipation einer Bevölkerung von welcher Herrschaft auch immer ist, wenn die Sicherung des kapitalistischen Weltsystems mit dem Bestand und Niedergang autoritärer Regimes steht und fällt?

Gerade die Geschichte des Irans ist gepflastert mit Übergriffen kolonialistischer und imperialistischer Art. Vom Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Mossadegh über die Durchsetzung der Gewaltherrschaft des Schahs Reza Pahlavi und die Unterstützung des Aggressionskrieges Saddam Husseins gegen den Iran, in dem unter US-amerikanischer Aufsicht Giftgas eingesetzt wurde, die blutige Niederschlagung des schiitischen Aufstandes im Irak zum Ende des Golfkrieges 1991, wo die siegreichen US-Streitkräfte dem irakischen Diktator freie Hand gaben, als er mit Kampfhubschraubern und Panzern schiitische Städte erobern und dort Zehntausende ermorden ließ, bis zur jahrelangen militärischen Bedrohung des Irans im Namen der US-Hegemonie im Nahen und Mittleren Osten zieht sich eine Blutspur durch die Region am Persischen Golf, die jede Beistandserklärung eines US-Präsidenten an dort unterdrückte Menschen mit der tödlichen Wirkung einer vergifteten Frucht ausstattet.

Zweckbündnisse mit dem US-Imperialismus einzugehen ist prekär genug, wie die nordsyrischen KurdInnen erleben mußten. Das Gelingen des im Rahmen Syriens teilautonomen und selbstverwalteten Projektes Rojava muß einer US-Regierung schon deshalb suspekt sein, weil die eigene Staatlichkeit nicht immun gegen Bestrebungen ist, sich von der Zentralregierung in Washington zu distanzieren oder gar die Mitgliedschaft in den Vereinigten Staaten von Amerika aufzukündigen. Von den USA, wo sich die soziale Diskrepanz zwischen den wohlhabendsten und ärmsten Regionen des Landes in einer Differenz der durchschnittlichen Lebenserwartung von 20 Jahren niederschlägt und bis zu 50 Millionen Menschen nur mit Hilfe von Lebensmittelhilfen vor permanentem Hunger geschützt werden können, ist zu erwarten, daß soziales Aufbegehren und emanzipatorische Autonomiebestrebungen wo auf der Welt auch immer nicht anders als innerhalb der eigenen Grenzen niedergeschlagen werden.

Daß es heute nurmehr eines Tweets bedarf, um sich als US-Präsident zum Widerstandskämpfer gegen ein religiöses Regime wie im Iran zu inszenieren, während die eigene christlich-fundamentalistische Klientel mit Erlösungshoffnungen und Endzeitängsten am Band des Trumpschen Wanderzirkus gehalten wird, entspricht der Haltlosigkeit, im Tagesrhytmus Kehrtwenden von 180 Grad zu vollziehen, um das immer gleiche Ergebnis, den Allmachtsanspruch präsidialer Verfügungsgewalt, zu produzieren. Die besondere Toxizität von Interventionen wie derjenigen, mit der der US-Präsident den DemonstrantInnen in Teheran und anderen iranischen Städten Standfestigkeit im Kampf gegen das iranische Regime wünschte, liegt darin, daß die Freiheit, die das transnationale Kapital meint, niemals die der Hütten sein kann, die allen Grund dazu hätten, die Kommandohöhen der Oligarchen und Priester zu übernehmen.

Trump wie jeder andere US-Präsident vor ihm steht dem Obersten Religionsführer im Iran, Ali Chamenei, weit näher als einer Bevölkerung, die beiden Seiten nicht mehr als Manövriermasse im Kampf um geostrategische Vorteile und regionale Hegemonie ist. So wie der US-Präsident mit General Soleimani einen ehemaligen Verbündeten im Kampf gegen den IS ermorden ließ, so würde er Chamenei als besten Freund feiern, wenn dieser sich den Interessen US-amerikanischer Geopolitik unterwürfe. Der Iran ist jedoch ein potentieller Verbündeter Chinas, das massive Interessen in der Region zum einen aufgrund der künftigen Verfügbarkeit fossiler Energie und Rohstoffe, zum andern aufgrund des gigantischen Seidenstraßenprojektes, der Belt and Road Initiative, hat. Die Verteilungskämpfe der näheren Zukunft werfen ihren Schatten auf die Länder am Persischen Golf, und sie nehmen in ihrer Bedrohlichkeit so spürbar Gestalt an, daß immer mehr Menschen gegen die ihnen aufgeherrschten Verhältnisse angehen.

Wenn Trump der Freiheit seiner Klasse das Wort redet, verschärft das die Unfreiheit aller Menschen, die niemals in die Nähe einer Versorgungssicherheit gelangt sind, die vielen Menschen in Westeuropa und Nordamerika so selbstverständlich wie den verelendeten Milliarden im Globalen Süden kaum vorstellbar ist. Daß diese den Worten des US-Präsidenten glauben, ist nicht zu erwarten und auch nicht beabsichtigt. In der verdrehten Logik der Herrschaftsicherung zum Preis welcher Grausamkeit auch immer kündet der Zynismus, der aus der Solidaritätsadresse an die von den eigenen Sanktionen und Kriegen gebeutelten IranerInnen spricht, von nichts anderem als der Garantie, auch unter US-amerikanischer Vorherrschaft Gegenstand fremder Verwertungs- und Unterwerfungsinteressen zu bleiben.

13. Januar 2020


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