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HERRSCHAFT/1634: Erdähnlicher Planet entdeckt - keine Chance für Astrokolonialismus (SB)



Die diplomatische und militärische Mobilmachung des westlichen Kulturkreises gegen Iran, die geplante Ausschaltung der Zweitschlagskapazität Rußlands durch den Raketenabwehrschirm der USA, die heftigen Verbalattacken Washingtons gegen die chinesische Führung in jüngster Zeit und zahllose kleine und größere Umbrüche mehr liefern dem Gespür und der Befürchtung vieler Menschen Nahrung, am Vorabend eines weiteren Weltkriegs zu stehen. Die am Beispiel der Europäischen Union immer deutlicher hervortretende systemimmanente Krise der kapitalistischen Verwertungsordnung trägt das ihre zu der düsteren Ahnung bei, daß grundstürzende Veränderungen im Anmarsch sind. Ganz zu schweigen von der sich abzeichnenden Ergebnislosigkeit und damit Bedeutungslosigkeit der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban, zu der Vertreter fast aller Staaten der Erde angeblich deshalb angereist sind, weil sie wirksame Maßnahmen gegen die globale Erwärmung vereinbaren wollen, und nicht, wie zu beobachten, um eigene Vorteile innerhalb der Staatenkonkurrenz herauszuschlagen.

Aber zwischen all den düsteren Perspektiven leuchtet eine Meldung wie ein heller Stern am rundum finsteren Himmel auf: NASA-Forscher haben mit Hilfe des Weltraumteleskops Kepler einen erdähnlichen Planeten entdeckt. Mit durchschnittlichen Temperaturen von rund 22 Grad Celsius und einem nur 2,4 mal so großen Durchmesser wie die Erde könnte es sich um einen bewohnbaren oder sogar bewohnten Himmelskörper handeln.

Da der privilegierte Part der menschlichen Gesellschaft einen Ressourcenverbrauch pflegt, der rechnerisch von vornherein nicht auf alle Menschen übertragbar ist, weil zu seiner Bedienung mehrere Erden benötigt würden, bietet sich die mutmaßliche zweite Erde als Lösung aller Probleme an. Wenn sie erobert und unterworfen werden könnte, dürfte hier auf Erde I getrost alles den Bach runtergehen. Dann könnten weltumspannende Kriege angezettelt, die Erde radioaktiv verstrahlt und die Erdatmosphäre weiterhin als ungeregeltes Endlager für Treibhausgase gebraucht werden, ohne daß die hauptsächlichen Profiteure dieser Machenschaften die Verantwortung dafür übernehmen müßten. Für einen Teil der Menschheit - sicherlich den privilegierten Teil, der Crème de la Crème - öffnet sich mit der Erde II eine willkommene Ausweichsoption, wenn ...

... ja, wenn nicht die Entfernung von 600 Lichtjahren bis zu diesem Planetensystem eine viel zu hohe technologische Hürde bildete, als daß ihre Bewältigung in absehbarer Zeit in Angriff genommen werden könnte. Wichtiger aber noch für die, die zurückbleiben und womöglich auf Verbesserung ihrer Lage hoffen, sobald "die da oben" weg sind: Nach dem Exodus des Establishment ist vor seiner Neubildung. Andere Menschen würden auf die freiwerdenden privilegierten Positionen nachrücken. Aus der Menschheitsgeschichte ist kein Beispiel für eine Revolution bekannt, nach der nicht die erstürmten Paläste erneut bewohnt und die Throne erneut besetzt worden wären.

Es änderte also nichts an der Herrschaft des Menschen über den Menschen, schösse man das Establishment kurzerhand zum Mond oder dieses sich selbst weit darüber hinaus ins ferne All. Auch für das Lumpenproletariat bietet der Exoplanet keine Hoffnung auf Entkommen aus ihrer mißlichen Lage. Eine Revolution müßte schon permanent vorangetrieben werden, damit nicht nur die Herrschenden, sondern auch die Voraussetzungen ihrer Herrschaft und anschließend die Voraussetzungen der Voraussetzungen in Angriff genommen werden. Ob in so einer Welt eine derart umfangreiche industrielle Infrastruktur voraussetzende, elitäre Suche nach extrasolaren Planeten und deren quasireligiöse Deutung als potentielle Horte des Lebens, wie sie dieser Tage von den Wissenschaftlern verbreitet wird, Bestand hätte?

7. Dezember 2011